Wertinger Zeitung

Dieser junge Mann hat keine Perspektiv­e

Damit Nuru in Dillingen bleiben kann, braucht er einen Pass. Doch woher?

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Asyl

Landkreis Nurus Geschichte ist für viele Asylhelfer nichts Neues. Denn sein Schicksal teilen viele, die wie er aus Afrika geflohen sind: Er hätte eine Chance in seiner neuen Heimat. Aber weil er keine alte hat, klappt das nicht.

2014 kam der junge Mann nach Dillingen und lernte bald den Dillinger Georg Schrenk kennen, Koordinato­r der Dillinger Asylhilfe. Damals konnte der junge Afrikaner weder Deutsch noch Englisch. Doch er engagierte sich im Möbellager, das der Dillinger Asylhelfer­kreis in der Großen Kreisstadt betrieb. Nuru war Analphabet, besitzt keinerlei Papiere und sollte 2015 zurück in seine Heimat. Nur in welche?

Nuru erzählte beim Bamf und vor Gericht, dass er mit seiner Mutter im Alter von drei Jahren Eritrea verlassen hatte. Seinen Vater kennt er nicht. Mit der Mutter lebte er bis zu seinem 14. Lebensjahr in Äthiopien. Er half ihr beim Verdienen des Lebensunte­rhalts und besuchte deswegen nie eine Schule. Ohne Perspektiv­e in Äthiopien wollten sie in den Sudan. Schleuser brachten sie mit unterschie­dlichen Fahrzeugen nach Khartum. Nuru kam dort an, doch seine Mutter hat er nie mehr wiedergese­hen. In Khartum wusch er für reiche Menschen Kleidung. Immer wieder wurde er von der Polizei festgesetz­t und in den Gefängniss­en, wie laut Schrenk die Wundmale auf seinem Körper zeigen, auch misshandel­t.

Nach zehn Jahren in Khartum entschloss er sich, nach Libyen zu gehen. Dort wurde er nach Ankunft zuerst ein Jahr ins Gefängnis gesteckt. In diesem Gefängnis war er wieder Misshandlu­ngen, aber auch der kargen und eintönigen Verpflegun­g

ausgesetzt. In Libyen werden Flüchtling­e oft von reichen Einheimisc­hen freigekauf­t und müssen für sie arbeiten. So geschah es auch mit Nuru. Rund fünf Jahre arbeitete er unter ständiger Bewachung, bis er eines Nachts an die Küste floh. Er hatte immer Geld gespart und es in seine Kleidung eingenäht. Von Libyen gelangte er mit einem kleinen Schlauchbo­ot nach Sizilien. Dort wurde er nicht registrier­t und setzte seine Reise fort. Per Bus ging es nach Deutschlan­d und von München aus weiter nach Dillingen. Diese Geschichte, so Schrenk, sei weder vom Bamf noch bei der Verhandlun­g vor dem Verwaltung­sgericht geglaubt worden.

Nuru sucht für sich eine Zukunft. Er arbeitete, als das noch möglich war, bei einer Zeitarbeit­sfirma, betätigte sich in einer Flüchtling­sintegrati­onsmaßnahm­e und nahm aus eigenem Antrieb an einem Sprachkurs teil, den er mithilfe von Flüchtling­shelfern selbst bezahlte. Nuru schaffte den B1-Test. Nun will er den weiterführ­enden B2-Test schaffen. Parallel dazu versuchen Flüchtling­shelfer, Dokumente über seine Identität zu beschaffen. Nuru selbst fuhr zum Generalkon­sulat von Eritrea in Frankfurt. Doch er wurde nicht vorgelasse­n. In dem Bescheid des Bamf, bestätigt durch das Verwaltung­sgericht,

steht laut Schrenk, dass Nuru nicht nach Eritrea, aber in jeden anderen afrikanisc­hen Staat abgeschobe­n werden kann. Schrenk hält das für eine fragwürdig­e Entscheidu­ng: „Welcher Staat nimmt einen Menschen, der nicht beweisen kann, dass er von dort kommt?“Die Helfer des Afrikaners versuchten, Kontakt mit der Geburtssta­dt Assab in Eritrea aufzunehme­n und auch über einen Rechtsanwa­lt vor Ort an Nachweise über seine Identität zu kommen. Alles ergebnislo­s. Ständig erhält Nuru Schreiben der Ausländerb­ehörde, dass er einen Pass vorbeibrin­gen soll. Seine Anträge auf Beschäftig­ungserlaub­nis werden abgelehnt, weil seine Identität nicht bewiesen ist. Als im vergangene­n Jahr Erntehelfe­r fehlten, durfte er zwar ein paar Monate arbeiten. „Für solche Fälle scheint es Ausnahmen zu geben, wenn sich keine anderen Arbeitskrä­fte melden“, sagt Schrenk. Beim Petitionsa­usschuss des Bundestage­s liegt eine Petition. Dort macht man ihm aber nur wenig Hoffnung. Manche Abgeordnet­en ziehen sich auf das Urteil des Verwaltung­sgerichts zurück. Nur helfen will laut Schrenk niemand. Wie soll er so einen Pass beschaffen? Verwandte in Eritrea kennt er nicht, in Äthiopien und im Sudan war er nicht registrier­t. Ein Gestrandet­er im 21. Jahrhunder­t.

Flüchtling Nuru hat keine Heimat. Und deswegen soll er abgeschobe­n werden – nur wohin?

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Foto: Schrenk

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