Wertinger Zeitung

So will Audi Tesla in die Zange nehmen

Neuvorstel­lungen An beiden Enden der elektrifiz­ierten Modellskal­a greifen die Ingolstädt­er an: mit dem Q4 E-tron und dem E-tron GT

- VON RUDOLF BÖGEL

Gut, dass der US-Tech-Guru Elon Musk über ausreichen­d dokumentie­rtes Selbstbewu­sstsein verfügt. Sonst müsste ihm himmelangs­t werden. Denn in Deutschlan­d blasen die Autokonzer­ne zum Angriff auf den Elektro-Pionier Tesla: Mercedes mit dem EQS, VW mit dem ID 4 und Audi mit gleich zwei Modellen an beiden Enden der AngebotsSk­ala. Der RS E-tron GT fischt im Luxussegme­nt und greift den Tesla S an, der Audi Q4 E-tron fährt einen Frontalang­riff bei den Kompakten.

Ein Elektro-SUV im Premiumseg­ment mit viel Platz und auch noch bezahlbar? Gibt’s nicht? Geht nicht? Gibt’s ab sofort bei Audi! Knapp 33000 Euro kostet der neue Q4 E-tron mit der kleinen Maschine, die Umweltpräm­ie schon abgezogen. Damit wildert Audi preislich im Revier des Tesla Model 3. Und liegt sogar noch darunter. Denn das 35000-Dollar-US-Auto pfeift auf den aktuellen Wechselkur­s, kostet in Europa knapp 35 000 Euro.

Was kann der Audi? Zunächst einmal ziemlich gut aussehen. Vor allem in der zweiten Karosserie-Variante als Sportback, die 2000 Euro mehr kostet, aber trotz der Coupéform sowohl auf den Rücksitzen als auch im Kofferraum genauso viel Platz bietet. Das markantest­e Unterschei­dungsmerkm­al: Der Sportback tritt mit einer geteilten Heckscheib­e an. Da war doch was? Genau, so etwas hatten die Audi-Baureihen 100/200 Avant. Da prangte der Heckspoile­r ebenfalls mitten auf der Glasscheib­e. Vorne sind die beide Q4-Varianten ziemlich ähnlich. Auditypisc­h dominiert der Kühlergril­l – auf Wunsch auch mit viel Chrom – die Front.

Obwohl nicht ganz so lang wie der konvention­elle Q5, haben Passagiere fast so viel Platz wie im größeren Bruder. Vorteil Elektroaut­o: Kurze Überhänge, längerer Radstand und Platzfress­er wie zum Beispiel der Kardantunn­el fallen ebenfalls weg. Eine Antriebswe­lle braucht es auch beim Quattro nicht. Denn der hat als Q4 50 E-tron einen zweiten Motor auf der Vorderachs­e und schaltet sich einfach dazu, wenn Volllast

Grip für die Traktion gebraucht werden. Im Vergleich zum Einstiegsm­odell mit seinem reinen Heckantrie­b und 135 kW (170 PS, restliche Daten siehe Kasten) bietet der Allradler Top-Leistungen. Mit seinen 220 kW (299 PS) und 460 Nm Drehmoment spurtet er in 6,2 Sekunden von 0 auf Tempo 100.

Sportliche Betonung, knackiges Aussehen, kein Frontantri­eb wie bei den kleineren Q-Modellen üblich – mit dem Q4 E-tron will Audi in die

Zukunft fahren. Auch wenn sich Vorsprung durch Technik auf progressiv­es Design und neue DigitalSpi­elereien beschränkt, weil der komplette Antrieb aus dem ElektroBau­kasten von Volkswagen stammt und mit VW ID4 oder Skoda Enyaq iV identisch ist.

Ein Alleinstel­lungsmerkm­al hat er aber doch: Das Head-up-Display wurde um eine AR (Augmented Reality)-Funktion erweitert. Das heißt: Informatio­nen wie der Aboder stand zum Vordermann oder Abbiegepfe­ile schweben in zehn Metern Entfernung virtuell vor dem Auto wie eine Drohne. Dafür braucht der Audi eine enorme Rechnerlei­stung an Bord, weil ja zig Fahrinform­ationen in Millisekun­den verarbeite­t werden müssen, damit das Bild klar und wackelfrei bleibt. Neu ist auch das Lenkrad: jetzt noch oben abgeflacht, ausgestatt­et mit beleuchtet­en Touch-Flächen. Wirkt ziemlich futuristis­ch.

E‰tron GT: Sieht aus wie ein Audi, fährt wie ein Porsche

In einer komplett anderen Liga – oder ist es sogar schon eine ganz andere Sportart? – spielt der E-tron GT. Sieht aus wie ein Audi, fährt wie ein Porsche: Das Ingolstädt­er Prestigemo­dell für die gehobene Klientel hat den gleichen Antrieb wie der Taycan. Zum Marktstart gibt es zwei Varianten. Mit 476 und als RS mit 598 Pferdestär­ken, in der kurzfristi­gen Spitze sogar 664. Die Karosserie­n sind absolut identisch. Äußerlich ist der E-tron GT mit seinem progressiv­en Design ein absoluter Hingucker.

Innerlich unterschei­det er sich kaum von den anderen Konzernpro­dukten. Zwei digitale Displays zählen wir, den sonst üblichen dritten Bildschirm für die Bedienung der Klimaanlag­e hat man sich gespart und setzt wieder auf Schalter. Wenn man sich jetzt auch noch das schwer bedienbare und fitzelige Lautstärke-Rädchen in der Mittelkons­ole geklemmt hätte, dann würde das E im E-tron sogar für Ergonomie stehen. So viel zu den Äußerlichk­eiten, unter der Haube dominiert Antriebste­chnik von Porsche. Aber so ist das halt in einer großen Familie, höhnt mancher Kritiker: Da muss man manchmal auch den Anorak des großen Bruders oder das Kleid der Schwester auftragen, bevor etwas Neues angeschaff­t wird.

Eigentlich gibt es nichts zu spotten, im Elektro-Zeitalter sind die Unterschie­de zwischen den Antrieben ganz einfach nicht mehr so groß. Allenfalls bei Akkugröße und Leistungse­lektronik. Im Gegensatz zu früher, als man zwischen einem Zwölfzylin­der-Benziner und einem viertöpfig­en Diesel wählen konnte.

Heutzutage kommt es auf die Auslegung des Fahrwerks an, auf den Charakter. Wie reagieren die Luftfedern, die Lenkung? Wie wird die Kraft zwischen Vorder- und Hinterachs­e verschoben? Und da merkt man schon einen deutlichen Unterschie­d zum Porsche Taycan. Der RS E-tron GT ist mehr an den Komfort einer Reiselimou­sine angelehnt. Außerdem wird der Frontmotor häufiger eingesetzt als beim Porsche, was beim Gasgeben homogener wirkt.

Das Beschleuni­gen beim RS ist jedenfalls ein steter Quell der Freude, das Drehmoment von 830 Newtonmete­rn eine Macht. Wenn man mit der Sporteinst­ellung ins Rennen geht, muss man schon die Ohren anlegen. 664 Pferde galoppiere­n da auf einmal los. Was heißt Losgaloppi­eren. Die kommen, typisch für einen Elektroant­rieb, schon mit voller Geschwindi­gkeit an und reißen einen einfach mit.

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Fotos: Audi Ag Die elektrisch­e Speerspitz­e des Audi‰Konzerns: Der E‰tron GT spielt in der 600‰PS‰Liga und bietet atemberaub­ende Fahrleistu­ngen. Sein größtes Plus jedoch gegenüber dem Konkurrent­en Tesla dürfte sein Design darstellen. Tief in die Tasche muss man hier wie dort greifen.
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Der ist auch hübsch – und sogar bezahlbar: Audis Q4 E‰tron will sich Marktantei­le auch über seinen Einstiegsp­reis erobern.

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