Unternimmt die Regierung genug gegen die Armut?
Soziales SPD-Chef Walter-Borjans attackiert CDU und CSU: „Stehen auf der Bremse, wenn es um Gerechtigkeit geht“
Berlin SPD-Chef Norbert WalterBorjans hat die Union für mangelnde Fortschritte in der Bekämpfung der Armut in Deutschland verantwortlich gemacht. „Der neue Armutsund Reichtumsbericht muss uns alle beschämen und aufrütteln“, sagte der SPD-Vorsitzende unserer Redaktion. „Eine der bitteren Erfahrungen mit der Großen Koalition ist, dass wirksame Armutsbekämpfung immer nur gegen großen Widerstand der Parteien zu machen ist, die auf das C im Namen großen Wert legen“, kritisierte WalterBorjans die Union. „Bei Steuergeschenken für Reiche und das Offenhalten von Schlupflöchern für die eigene Klientel spielen die Kosten für die Allgemeinheit dagegen keine Rolle“, sagte er. „CDU und CSU stehen regelmäßig auf der Bremse, wenn es um mehr soziale Gerechtigkeit geht, sie gehören auf die Oppositionsbank“, sagte Walter-Borjans.
Millionen Bürgerinnen und Bürger müssten mitten in Deutschland mit weniger Geld auskommen, als man zu einem würdigen Leben braucht, kritisierte der SPD-Vorsitzende und betonte: „Der Kampf gegen Armut gehört höher auf die Tagesordnung.“Die SPD habe in der Koalition immerhin zahlreiche Armutsrisiken abmildern können. „Die Grundrente stockt Niedrigsteinkommen von mehr als einer Million Rentnerinnen und Rentner auf, und wir haben einen Mindestlohn durchsetzt – der allerdings dringend erhöht werden muss“, sagte der SPD-Chef. Auch diese Maßnahmen hätten nicht verhindern können, dass die Kluft zwischen arm und reich größer werde.
Walter-Borjans versprach im Falle eines Wahlsiegs der SPD eine Erhöhung des Mindestlohns um 30 Prozent auf zwölf Euro. Michael Schrodi, Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion für Verteilungsgerechtigkeit, will zudem an der Steuerschraube drehen: „Die anhaltende Auseinanderentwicklung von Arm und Reich macht überdeutlich – wir brauchen eine Steuerpolitik, die diesem Trend entgegenwirkt. Wir schlagen deshalb eine Steuerreform vor, die untere und mittlere Einkommen entlastet und die oberen fünf Prozent stärker heranzieht.“Zuvor hatte das Bundeskabinett den Armuts- und Reichtumsbericht vorgelegt. Demnach hat sich die Armut in Deutschland in den vergangenen Jahrzehnten verfestigt: Für Langzeitarbeitslose und Menschen in prekären Jobs gibt es immer weniger Aufstiegsmöglichkeiten. Die Wahrscheinlichkeit, dass ein in Armut lebender Mensch fünf Jahre später noch immer arm ist, stieg demnach seit Ende der 80er von damals 40 auf 70 Prozent.
Der Bericht wird alle vier Jahre erstellt. Bei der sechsten Auflage spielten die Auswirkungen der Pandemie eine zentrale Rolle. Von den Auswirkungen seien vor allem Geringverdiener und befristet Beschäftigte betroffen.