Wie nachhaltig ist der Massivhausbau heute?
Serie Holzhäuser sind nicht nur im Trend, sie gelten als umweltschonender. Andere Anbieter rechnen anders
Bauboom, Rohstoffmangel, steigende Preise, die Digitalisierung, strengere Vorschriften, CO2-Werte, Klimawandel – viele Themen beschäftigen die Handwerksbetriebe im Landkreis Dillingen. In einer losen Serie wollen wir verschiedene Bereiche vorstellen. Heute geht es um die Nachhaltigkeit von Massivhäusern.
Landkreis Klimaschutz ist derzeit eines der bestimmenden Themen und führt in vielen Bereichen zu einem Umdenken. Ein Beispiel: Wer hierzulande ein Haus baut, hat oft zuerst ein Mauerwerk vor Augen. In der aktuellen Klimadebatte aber wurden Holzhäuser zum Trend; der Massivhausbau gilt plötzlich als umweltschädlich. Als problematisch gilt dabei vor allem die Betonproduktion wegen des hohen CO2-Ausstoßes. Was macht nun der umweltbewusste Häuslebäuer oder die Häuslebauerin? Welche Bauweise kann empfohlen werden? „Beides“, sagt der Kreishandwerksmeister und Obermeister der Bauinnung Nordschwaben Werner Luther. „Nur, wenn Holz- und Massivbau nebeneinander bestehen, kann beides nachhaltig sein. Eine Bauweise alleine nicht. Würde man etwa nur mit Holz bauen, wäre der Verbrauch zu hoch und der regionale Nachschub würde nicht reichen. Abgesehen davon haben beide Bauformen ihre Berechtigung.“
Die Dillinger Firma Krätz-Bau hat im Norden der Großen Kreisstadt neu gebaut. Der Bürotrakt hat innen eine rote Ziegelwand, die ein bisschen an die Häuser in Norddeutschland erinnert. Zwei Schichten folgen darauf hin nach außen. Erst eine mit Dämmmaterial, dann Beton. Alle Anwesenden wissen, dass Holz in der Herstellung wesentlich nachhaltiger ist, solange es aus der Region stammt und dort auch verarbeitet wird.
Man müsse bei einem Haus immer die gesamte Lebensdauer in die Klimarechnung miteinbeziehen, dann sei das massive Gebäude nachhaltiger. Es ist für etwa drei Generationen ausgelegt – und kann weitaus länger stehen, da sind sich KrätzGeschäftsführer Josef Hertle und Luther einig. Sichtbeton wäre zudem die auf Jahre hinaus günstigste Fassade. Eine Holzfassade dagegen müsse regelmäßig gepflegt werden. Das wäre über die Jahre gesehen teurer. Hertles Frau Patricia ergänzt, dass bereits bei der Planung der neuen Krätz-Gebäude an den Rückbau gedacht wurde: Sei dann das Material sauber getrennt, könne es auch gut recycelt werden. Und das Baumaterial Betonabbruch ist laut dem Obermeister der Bauinnung fast besser als Kies. Doch in vielen Ausschreibungen werde neues Material verlangt. Das sei nicht nachhaltig. Anders als recyceltes, geprüftes Material.
Auch beim Thema Sand tut sich Aktuell kann nur Meersand zur Betonherstellung verwendet werden, was bereits zu einer weltweiten Verknappung führt. Luther erklärt, es gebe inzwischen ein Verfahren, um Wüstensand so aufzubereiten, dass er für die Betonherstellung geeignet wird. „Dann hätten wir damit nie mehr ein Problem.“
Hertle deutet in seiner neuen Eingangshalle auf den Boden: Terrazzo. Das oder geschliffene Betonböden könne man fugenlos herstellen. „Auf die Lebensdauer so eines Bodens gesehen sind die Herstellungskosten günstig.“Im Nebenraum tritt man auf Kautschuk, das sei strapazierfähig und recycelbar, sagt Hertle. Von solchen natürlichen Oberflächen gingen keine Ausdünstungen aus.
Weiterer Punkt: das Wohnklima. Die Masse der Mauern speichere die Sonnenwärme und gebe sie nachts ab. Das nennt man Betonkernaktivierung. Große Glasflächen lassen tagsüber zusätzlich Wärme rein, das könne man mit Rollläden steuern, erzählt Luther. „Bei uns läuft zwischen April und November gar keine Heizung.“Zumal eine Fotovoltaik-Anlage auf dem Dach und zwei Luft-Wärmepumpen sein Firmengebäude zusätzlich beheizen können. Fossile Energieträger seien so gar nicht nötig. „Das klappt auch bei einem Privathaus“, sagt der Kreishandwerksmeister. Hertle erwas. gänzt, dass die Betonkernaktivierung inzwischen gängig sei, etwa auch im Neubau des Dillinger Landratsamtes. „Das ist eine zukunftsfähige Technologie, um Energie in Gebäude zu bekommen.“Eine Fußbodenheizung könne man ebenfalls über eine Fotovoltaikanlage und eine Luftwärmepumpe betreiben. Durch den Kachelofeneffekt würden die Räume dann von unten beheizt. Neu am Markt sei Infraleichtbeton, erklärt der Bauunternehmer. Der habe im Inneren Blähkügelchen, die zur Dämmung dienen. Man könne sich das vorstellen wie Backpulver. Der neuartige Beton sei auch für die monolithische Bauweise (Stein auf Stein) geeignet. Abgesehen davon, sagt Geschäftsführer Hertle: Ein Massivhaus könne man einfacher umbauen oder aufstocken als ein Holzhaus.
Verändert habe sich auch die Kundschaft, sagt der Firmenchef. Früher sei die Mitarbeit am eigenen Heim üblich gewesen. „Es wurde so viel selbst gemacht wie möglich.“
Doch inzwischen tendieren immer mehr Menschen zum Fertigbau, und zur Zeit besonders gerne aus Holz. Doch würde man die beiden Bauweisen über einen gesamten Lebenszyklus sehen, sei der CO2-Ausstoß auf einem relativ ähnlichen Niveau, sagt Patricia Hertle. „Wichtig ist doch, dass jeder entscheiden kann, wie er will“, ergänzt Obermeister Luther.