Lenkt Putin im GasStreit ein?
Energie Deutschland darf Lieferungen auch in Zukunft in Euro bezahlen. Aber ist auf diese Zusage auch Verlass? Der Wirtschaftsminister jedenfalls baut schon einmal vor.
Berlin Überraschende Wende im Gas-Streit: Der russische Präsident Wladimir Putin hat Bundeskanzler Olaf Scholz offenbar bestätigt, dass Deutschland die Gaslieferungen aus Russland weiter in Euro oder Dollar bezahlen kann. Zwar gilt in Russland ab 1. April prinzipiell eine Regelung, nach der Rechnungen für Gas, Öl oder Kohle aus Russland in der Landeswährung Rubel bezahlt werden müssen. Allerdings werde sich für die europäischen Vertragspartner nichts ändern, betonte Regierungssprecher Steffen Hebestreit nach einem Telefonat zwischen dem Kreml-Chef und Scholz. Die Zahlungen würden weiterhin ausschließlich in Euro ergehen. Scholz habe diesem Verfahren jedoch noch nicht zugestimmt, sondern um weitere schriftliche Informationen gebeten, betonte Hebestreit. Um das Gespräch habe Putin gebeten.
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hat trotzdem ein nationales Alarmsystem aktiviert, um bei einem Lieferstopp schnell handeln zu können. Ein Krisenstab in seinem Ministerium prüft täglich, wie viel Gas noch in Deutschland ankommt. Derzeit sei die Versorgung gesichert, sagte Habeck. „Dennoch müssen wir die Vorsorgemaßnahmen erhöhen, um für den Fall einer Eskalation gewappnet zu sein.“Verschlechtert sich die Lage, müsste womöglich die Politik entscheiden, wer noch Gas geliefert bekommt und wer nicht.
Mit einer Werbekampagne will Habeck die Deutschen nun zum Energiesparen ermuntern. Sein Ministerium schätzt, dass der Gasbedarf so um zehn Prozent gesenkt werden könnte, ohne dass es zu Verwerfungen in der Wirtschaft käme. Jeder Verbraucher, ob Unternehmen oder Privatperson, sei gehalten, seinen Verbrauch möglichst zu reduzieren, sagte Habeck. Jede eingesparte Kilowattstunde helfe.
Russland ist für Deutschland der größte Lieferant von Erdgas. Mit der Ankündigung, nur noch Rubel zu akzeptieren, wollte der Kreml den Rubelkurs stützen und die Sanktionen gegen die russische Zentralbank abmildern. Ob das Angebot an Scholz, beim alten Verfahren zu bleiben, auch für andere Abnehmerländer gilt, blieb am Mittwoch noch unklar. Die Gruppe der sieben führenden Wirtschaftsmächte und die EU lehnen Zahlungen in Rubel ab und berufen sich auf geltende Verträge. Befürchtungen, dass Russland Länder wie Deutschland schon bald nicht mehr beliefert, hatte ein Sprecher Putins bereits vor dessen Einlenken zurückgewiesen. Er kündigte eine allmähliche Umstellung auf Rubel an, die nach Habecks Worten aber noch immer ein „klarer Bruch der Verträge“wäre.
In der Wirtschaft ist die Sorge vor Zwangszuteilungen von Gas groß. Täglich gehen bei der zuständigen Bundesnetzagentur Briefe ein, in denen Unternehmen und Branchen eindringlich herausarbeiten, warum sie unbedingt Gas brauchen. Die Gewerkschaft Bergbau-ChemieEnergie sieht hunderttausende Arbeitsplätze in Gefahr. „Ohne russisches Gas müssten in Deutschland kurzfristig Industriebetriebe die Produktion einstellen“, betonte auch der Ökonom Gabriel Felbermayr gegenüber unserer Redaktion. Er warnt vor einer Zuteilung von Gas je nach politischem Einfluss.
Die deutschen Gasspeicher mit einem Gesamtvolumen von knapp 24 Milliarden Kubikmetern sind noch zu etwa 26 Prozent gefüllt. Der Bundestag hat die Betreiber zwar verpflichtet, sie bis Dezember zu 90 Prozent zu füllen, allerdings werden die Speicher teilweise von Tochterunternehmen des russischen Konzerns Gazprom betrieben. Insgesamt gibt es in Deutschland 47 unterirdische Gasspeicher. In Bayern stehen sechs davon – einer im Osten von Nürnberg, die anderen südöstlich von München.
Der Notfallplan, den Habeck jetzt aktiviert hat, regelt das Vorgehen in Deutschland, wenn die Versorgungslage sich massiv zu verschlechtern droht oder sich massiv verschlechtert hat. Private Haushalte, aber auch Kliniken und Pflegeheime, Feuerwehr und Polizei sind in der dritten und höchsten Stufe, dem Notfall, besonders geschützt. Das bedeutet, ihre Versorgung soll sichergestellt werden, auch durch Eingriffe des Staates. Zu den möglichen Maßnahmen zählen dann das Abschalten von Industriekunden oder eine Anordnung zur Nutzung von Strom, der nicht mit Gas erzeugt wird.»Kommentar, Wirtschaft