Wenn Essen zum Luxus wird
Mit dem Krieg in der Ukraine steigen die Preise für viele Lebensmittel. Das kann auch ein wohlhabendes Land nicht kaltlassen.
Die Lage auf dem Lebensmittelmarkt spitzt sich zu. Angesichts der vielen Hiobsbotschaften möchte einem der Bissen im Halse stecken bleiben – wenn man denn überhaupt noch einen zu bezahlbaren Preisen findet. Letzteres ist natürlich etwas übertrieben und wer jetzt schon wieder über die nächste Sonnenblumenölhamstertour nachdenkt, dem sei gesagt: Es ist noch genug von allem da. Jeder Einkauf, der über eine normale Bevorratung hinausgeht, ist unnötig und peinlich. Hungern müssen die Menschen in Europa nicht. Lebensmittel aber werden teurer, bestimmte Waren werden für Menschen mit schmalem Geldbeutel nicht mehr zu bezahlen sein.
Gunststandort, auch Gunstregion, ist das Zauberwort. Europa verfügt über viele Gegenden mit fruchtbaren Böden, die für Ackerbau
gut geeignet sind und reiche Ernten hervorbringen. Die Ukraine mit ihrer Schwarzerde ist ein gutes Beispiel. Dort können mit geringem Einsatz von Pflanzenschutzoder Düngemitteln sehr gute Erträge erzielt werden. Das Land war unter anderem deswegen eine der wichtigsten europäischen Kornkammern. Bis der Krieg ausbrach und alles zunichtegemacht hat.
Deutschland spürt diesen Ausfall bereits, kann ihn als eine der reichsten Industrienationen der Welt aber ausgleichen. Was hier knapp ist, wird einfach woanders eingekauft. Dabei muss aber klar sein: Was in Deutschland gegessen wird, fehlt den Menschen in ärmeren Ländern auf dem Teller. In Afrika und Teilen Asiens gibt es nicht genug Geld, um bei gestiegenen Weltmarktpreisen mitzuhalten. Die Menschen sind oft ohnehin schon von Dürre und Unterernährung betroffen, vielen wird als Ausweg nur die Flucht bleiben. Nach Europa, nach Deutschland etwa.
Die Auswirkungen der Lebensmittelknappheit haben damit gesellschaftliche Auswirkungen, die über den Sonntagsbraten weit hinausgehen – die Fluchtbewegung der Jahre 2015 und 2016 inklusive der heftigen Debatten ist allen noch in guter Erinnerung. Sie träfe auf ein Deutschland, das sich womöglich aus der Corona-Pandemie befreit hat, dafür aber mit explodierenden Energiepreisen kämpft. Auch hier gibt es fatale Zusammenhänge.
Wenn das Gas absehbar noch mehr kostet, erhöht das nicht nur die Produktionskosten beim Brotbacken oder beim Einkochen für die Konserve. Die Papierfertigung, ohnehin schon immens im Preis gestiegen, legt in der Folge weiter zu. Ohne Papier jedoch keine Verpackungen, das treibt die Lebensmittelpreise weiter. Und das ist nur ein Beispiel von vielen. Hinzu kommt die anhaltende Trockenheit. Die Ernten sind gefährdet, der Transport per Schiff wegen sinkender Pegelstände nicht möglich. Neue Zahlen des Ifo-Instituts zeigen, wo die Reise hingeht: Nahezu alle Unternehmen im Nahrungsmittel-Einzelhandel (94 Prozent) planen, ihre Preise in den kommenden drei Monaten zu erhöhen.
Und die gute Nachricht? Es gibt gerade keine, allenfalls die Hoffnung, wie sie einst Václav Havel definierte: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal, wie es ausgeht.“Sinn würde es jetzt machen, wieder beim Regionalvermarkter einzukaufen. Weniger Verpackung wäre sinnvoll, weniger Fleischkonsum – die Mittel sind bekannt, vielleicht werden sie jetzt, unter dem Druck der Ereignisse, endlich konsequent umgesetzt.
Wenn nicht, kommt gutes Essen in Zukunft nur noch bei reichen Menschen auf den Tisch. An die Ärmsten hingegen verteilt der Staat Lebensmittelgutscheine für das Notwendigste. Wer wenig hat, isst schlechter? Das schien im Nachkriegsdeutschland bisher undenkbar. Es wird jedoch gerade Realität.
Ein Ausweg: Produkte aus der Region