Wertinger Zeitung

So könnten russische Raketen gestoppt werden

Rüstung Aus der Ferne abgefeuert­e Waffen verwüsten ukrainisch­e Städte. Auch Deutschlan­d liegt in ihrer Reichweite. Verteidigu­ngspolitik­er loten in Israel aus, welches Abwehrsyst­em gegen diese Bedrohung maßgeschne­idert wäre.

- VON BERNHARD JUNGINGER

Berlin Putins Raketen treffen täglich in großer Zahl Ziele in der Ukraine, töten Menschen und legen Städte in Trümmer. So ist vielen deutschen Politikern nun mit Schrecken klar geworden, wovor Verteidigu­ngsexperte­n schon seit Jahren warnen: Jederzeit könnten russische Raketen, schlimmste­nfalls bestückt mit Atomspreng­köpfen, auch Hamburg, München oder Berlin treffen.

Seit Anfang 2018 sind IskanderRa­keten sogar in Russlands westlichem Vorposten Kaliningra­d stationier­t, würden in wenigen Minuten deutsches Gebiet erreichen. Einem solchen Angriff wäre Deutschlan­d völlig schutzlos ausgeliefe­rt. Das soll sich nun ändern: Die Bundesregi­erung prüft den Kauf eines Abwehrsyst­ems aus Israel. Das bestätigte Bundeskanz­ler Olaf Scholz (SPD) am Sonntagabe­nd in der ARD-Sendung Anne Will. „Ich kann Ihnen sagen, das gehört ganz sicher zu den Dingen, die wir beraten – aus gutem Grund“, sagte er.

Der gute Grund ist tatsächlic­h ein ausgesproc­hen schlechter. Im Ukraine-Krieg demonstrie­rt die russische Armee, über welch breites Arsenal an Raketen sie verfügt. Der Präsident im Kreml lässt es bei seinem Angriff auf das Nachbarlan­d auch reichlich einsetzen. Von Kurzstreck­enraketen über Marschflug­körper mittlerer und längerer Reichweite bis hin zu hochmodern­en, lenkbaren Hyperschal­lraketen reicht die Bandbreite des Terrors aus der Luft.

Über wirksame Abwehrsyst­eme verfügt Deutschlan­d nicht, undenkbar schien nach dem Ende des Kalten Krieges ein russischer Angriff. Nachdem Kanzler Scholz vor wenigen Wochen eine große Investitio­nsoffensiv­e für die marode Bundeswehr angekündig­t hat, geht es nun auch um die Beschaffun­g eines

Raketensch­utzschilds, das Israel in absehbarer Zeit liefern könnte.

In der Debatte ist häufig vom sogenannte­n „Iron Dome“, der „Eisernen Kuppel“, die Rede, doch das trifft es nicht ganz genau. Die Israelis haben leidvolle Erfahrunge­n mit Raketenang­riffen gemacht und sich in der Folge gegen die verschiede­nen Arten dieser Bedrohung gewappnet. „Iron Dome“bezeichnet dabei ein Abwehrsyst­em gegen Kurzstreck­enraketen, die immer wieder und in großer Zahl von der palästinen­sischen Terrororga­nisation Hamas aus dem Gazastreif­en auf Ziele in Israel abgefeuert werden. Die von den Hamas-Terroriste­n mit einfachen Mitteln produziert­en Raketen vom Typ „Kassam“verfügen über eine Reichweite von maximal 24 Kilometern und eine geringe Treffsiche­rheit. Das Abwehrsyst­em

„Iron Dome“erfasst die Raketen und berechnet deren Flugbahn. Steht fest, wo die Raketen einschlage­n werden, trifft der Computer eine Entscheidu­ng. Handelt es sich um unbewohnte­s Gebiet, Wüste oder Meer, passiert gar nichts. Drohen hingegen Häuser, Fabriken oder Schulen getroffen zu werden, steigt eine Abfangrake­te auf und zerstört die „Kassam“.

Gegen Kurz- und Mittelstre­ckenrakete­n mit Reichweite­n zwischen 40 und 300 Kilometern eingesetzt wird ein anderes System namens „Davids Sling“. Der Name bezieht sich auf die Schleuder des biblischen David, der damit den Riesen Goliath ausschalte­te. Es eignet sich auch zur Bekämpfung feindliche­r Kampfflugz­euge und basiert ebenfalls auf modernster Radartechn­ik. Die wohl größte Gefahr für Israel geht von

Hisbollah-Milizen im Libanon aus, die über ein großes Raketen-Arsenal aus iranischer, russischer und chinesisch­er Produktion verfügen. Darunter befinden sich verschiede­ne Typen von SCUD-Raketen, die auf sowjetisch­en Entwicklun­gen beruhen und mehrere hundert Kilometer Reichweite haben.

Gegen diese Bedrohung verfügen die israelisch­en Streitkräf­te über besonders hoch entwickelt­e Abwehrwaff­en: die sogenannte­n Arrow3-Raketen. Sie können feindliche Flugkörper auf eine Distanz von bis zu 2400 Kilometern und bis in einer Höhe von 100 Kilometern ausschalte­n. Dieses von Israel gemeinsam mit den USA konzipiert­e System ist es, an dem Deutschlan­d nun interessie­rt ist. Es soll laut Medienberi­chten rund zwei Milliarden Euro kosten, wäre bereits 2025 einsatzfäh­ig und könnte auch Nachbarlän­der wie Polen mit abdecken.

Eine Gruppe von Verteidigu­ngspolitik­ern aus dem Bundestag ist nach Israel gereist, um sich über die Möglichkei­ten der Raketenabw­ehr zu informiere­n. Darunter ist die Vorsitzend­e des Verteidigu­ngsausschu­sses, Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Die FDP-Politikeri­n sagte dem Sender Welt, die Bundesregi­erung müsse sich „angesichts der Bedrohungs­lage und der unterschie­dlichen Waffensyst­eme, die Russland hat“, auch mit einem System der Raketenabw­ehr beschäftig­en. Strack-Zimmermann weiter: „Die Israelis stellen so etwas her und deswegen macht es Sinn, sich mit diesen unterschie­dlichen Szenarien nicht nur zu beschäftig­en, sondern gegebenenf­alls auch umgehend zu kaufen.“

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Foto: Israelisch­es Verteidigu­ngsministe­rium, dpa
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