Wertinger Zeitung

„Der Humor ist nicht in der Krise“

Projekt Die Münchner Lach- und Schießgese­llschaft ruft den „Zentralrat des deutschen Humors“ins Leben. Kabarettis­t Bruno Jonas erklärt, worum es geht – und vor allem: worum nicht.

- VON ULI BACHMEIER

München Das ist jetzt kein Witz. Der Münchner Lach- und Schießgese­llschaft ist es bierernst. Sie gründet einen „Zentralrat des deutschen Humors“. Er soll erstmals im November dieses Jahres und danach jedes Jahr aufs Neue zusammentr­eten und „den Zustand des deutschen Humors und seine aktuellen Erscheinun­gen beschreibe­n und untersuche­n“– sozusagen ein Humorsympo­sium mit dem Auftrag, eine Grundsatzd­iagnose zu liefern.

Der Kabarettis­t Bruno Jonas, der Ideengeber für die zweitägige Veranstalt­ung im November, hatte bei der Vorstellun­g des Projekts am Mittwoch in München einige Mühe zu erklären, worum es nicht geht. Dass ihm die Sache etwa nur deshalb eingefalle­n sei, weil er während der Corona-Jahre kaum Auftritte und somit viel Zeit zum Nachdenken hatte, weist er strikt zurück. Bereits im Jahr 2007 habe er in Zusammenar­beit mit dem Scharfrich­terhaus in Passau etwas ähnliches unter dem Titel „Humor und Glauben“gemacht. Ganz neu ist die Idee somit nicht. Aber jetzt soll sie im großen Stil umgesetzt werden.

Auch dass der Humor nach den Corona-Jahren in Schwierigk­eiten stecken könnte, vermag Jonas nicht zu erkennen. „Der Humor ist nicht in der Krise. Das kann gar nicht sein. Humor ist eine Grundstimm­ung der Seele“, sagt er. „Alles, was uns geschieht in unserem Leben, kann mit Humor genommen werden.“Und ganz falsch wäre es, den „Zentralrat des deutschen Humors“

als exklusive Veranstalt­ung für Kabarettis­ten zu sehen. Im Gegenteil. Alle „Humorexper­ten“sollen mitmachen – auch Schriftste­llerinnen, Kolumniste­n, Schauspiel­erinnen, Regisseure, Musikerinn­en, Maler, Professori­nnen, Wissenscha­ftler, Journalist­innen und „Künstler aller ästhetisch­en Ausdrucksf­ormen“. Jonas: „Es geht darum, dass wir das Phänomen Humor wissenscha­ftlich beleuchten und aus der Perspektiv­e der Künstler.“

Die Fragestell­ungen, die bei der Lach- und Schießgese­llschaft in einem ersten Anlauf formuliert wurden, sind vielfältig: Kann der deutsche Humor eine Vorreiterr­olle für die Völkergeme­inschaft übernehmen? Gehört das Recht auf selbstbest­immten Humor ins Grundgeset­z? Brauchen wir mehr geistige Solardäche­r, die der Wind des Humors umpfeift? Sollte es neben SPD und Grünen noch weitere humorfreie Zonen geben? Warum lacht der Andersdenk­ende nicht, wenn er vom anders Andersdenk­enden aus der Gemeinscha­ft der Rechtgläub­igen ausgeschlo­ssen wird? Warum darf Satire nicht alles, wenn sie doch alles darf?

Zu dem berühmten Satz von Kurt Tucholsky „Satire darf alles“, der 1919 in der Zeitschrif­t Die Weltbühne geschriebe­n stand, hat Jonas eine ganz eigene Meinung. „Satire durfte noch nie alles“, sagt er. Das sei auch Tucholsky klar gewesen. „Es gehört zur Satire dazu, dass man nicht immer die volle Zustimmung bekommt“, sagt Jonas und fordert „erst einmal eine Klärung der Begrifflic­hkeit“. Schließlic­h gebe es auch Satire ohne Humor. Und umgekehrt gebe es humorvolle Äußerungen, die keinen Lacher hervorrufe­n.

Dass die Veranstalt­ung in dieser verwirrend umfassende­n Art und

Weise angekündig­t wird, gehört ganz offenkundi­g zum Konzept. Der „Zentralrat“, so sagen die Veranstalt­er, zu denen auch Professor Friedrich Vollhardt vom Institut für Philologie der Ludwig-Maximilian­Universitä­t München (LMU) und der Verein „Forum Humor und komische Kunst e. V.“gehören, tage „ergebnisof­fen“. In den darauffolg­enden Jahren sollen die Themen konkreter gefasst werden.

Ergründet werden soll das Phänomen Humor am 25. und 26. November an der LMU in sechs Dialogvort­rägen, in denen jeweils zwei Referenten – ein „Humortreib­ender“und ein Wissenscha­ftler – aufeinande­rtreffen. Bereits zugesagt hätten, so Vollhardt, die Autorin und Kabarettis­tin Lisa Eckhart, der Kabarettis­t Gerhard Polt, der Herausgebe­r der Frankfurte­r Allgemeine­n Zeitung, Jürgen Kaube, die Karikaturi­sten Achim Greser und Heribert Lenz sowie namhafte Wissenscha­ftler.

Tickets Der Eintritt für beide Tage des Symposiums kostet im Vorverkauf 100 Euro. Karten können bereits jetzt vorbe‰ stellt werden unter info@lachund‰ schiess.de.

Warum darf Satire doch nicht alles?

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Foto: Florian Peljak, dpa Seit Ende des vergangene­n Jahres steht Kabarettis­t Bruno Jonas als Mitgesells­chafter an der Spitze der Münchner Lach‰ und Schießgese­llschaft.

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