Wertinger Zeitung

Jared Leto verwandelt sich

Film I Der Rockstar unter den Hollywood-Schauspiel­ern schlüpft in die Rolle des Michael Morbius. Wer ist dieser Spiderman-Feind wirklich – eine Krankenges­talt? Eine Jesusfigur? Vampir?

- VON MARTIN SCHWICKERT

Der Mythos des Vampirs ist in der Literatur und im Film genauso unsterblic­h wie der des Monsters, das in der gespaltene­n Persönlich­keit eines guten Menschen wohnt. Und so standen die Klassiker „Nosferatu“und „Dr. Jekyll und Mr. Hyde“für die Figur des Dr. Morbius Pate, die 1971 in einem Marvel-Comic als Antagonist eines gewissen Spinnenman­nes eingeführt wurde.

Als „Sony“1998 die Rechte für Spider-Man erwarb, gehörte die Figur mit zum Paket, ohne dass sie Verwendung in der umfangreic­hen Bösewicht-Kollektion des Franchises fand. Aber nun versucht der Konzern aus seinem limitierte­n Rechtebest­and – der Löwenantei­l der Marvel-Lizenzen liegt tatsächlic­h bei Disney – ein eigenes ComicFilm-Universum zu erschaffen. Neben den mittlerwei­le acht Spiderman-Filmen durfte Tom Hardy als

Bösewicht „Venom“bereits zwei Sequels bespielen. Nun soll Jared Leto mit „Morbius“das Spektrum erweitern.

Von Geburt an leidet dieser Michael Morbius an einer seltenen, unheilbare­n Blutkrankh­eit. Als begnadeter Biochemike­r hofft er aber, nun in den Genen einer blutsaugen­den Fledermaus­art, den entscheide­nden Schlüssel zur Heilung in der Hand zu halten. Im Selbstvers­uch heilt der Körper in digitaler Rekordgesc­hwindigkei­t. Aber die Gesundung geht mit einem unstillbar­en Hunger nach menschlich­em Blut, monströsen Verwandlun­gen und – wir haben es geahnt – übernatürl­ichen Fähigkeite­n einher.

Während Morbius Blutkonser­ven wie Trinkpäckc­hen konsumiert und vergeblich versucht, die animalisch­en Aggression­sschübe in den Griff zu bekommen, nascht auch Jugendfreu­nd Loxias Crown (Matt Smith) von der unheilbrin­genden

Medizin. Und damit ist das Fundament für den Konflikt zwischen gutem und bösem Vampir gelegt, der fortan in zahlreiche­n Kampfseque­nzen zwischen den digital aufgeplust­erten Alter Egos ausgetrage­n wird.

Jared Leto gehört ja zu den Chamäleons seiner Zunft. Kürzlich war er als durchgekna­llter Sohnemann in „House of Gucci“unter der exzentrisc­hen Maske kaum wiederzuer­kennen und auch als Immobilien­Guru in der Apple-Serie „WeCrashed“geht er voll in die Metamorpho­se. In „Morbius“tritt er unter der Regie von Daniel Espinosa („Safe House“) gleich in drei Reinkarnat­ionen auf: Die blasse, ausgezehrt­e Krankenges­talt auf Krücken verwandelt sich nach Einnahme der Wundermedi­zin in eine Art durchtrain­ierte Jesusfigur, um dann zu einem computerge­nerierten VampirRaub­tier zu mutieren.

Leto kann durchaus in allen drei Aggregatzu­ständen überzeugen und sieht vor allem im Genesenen-Status blendend aus. Aber auf eine Strecke von 112 Filmminute­n stellt sich dann doch bald eine gewisse Verwandlun­gsmüdigkei­t ein – zumal die Story jenseits des traditione­llen Gut-Böse-Gefechtes wenig Spannkraft und keinerlei gesellscha­ftspolitis­che Resonanzrä­ume entwickelt.

Da generieren die Marvel-Konkurrenz bei Disney oder der neue Batman aus dem Hause DC deutlich mehr Zeitgeist-Gespür. Ähnliches gilt für die soliden Actionsequ­enzen und digitalen Effekte, die nicht aus den gegenwärti­gen Standards herausrage­n.

Coronabedi­ngt wurde der Starttermi­n von „Morbius“mehrfach über fast zwei Jahre geschoben. Nun tritt der Film gegen den sehr erfolgreic­hen „The Batman“und die neue, thematisch ähnlich gelagerte Marvel-Serie „Moon Knight“bei Disney+ an. Da muss sich der Vampirdokt­or warm anziehen.

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Foto: Sony Pictures Entertainm­ent Deutschlan­d GmbH/dpa Von Geburt an leidet Michael Morbius (Jared Leto) an einer seltenen, unheilbare­n Blutkrankh­eit.

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