Auch in Europa sollen die Zinsen steigen
Finanzen Der Druck auf die Zentralbank wächst, Baugeld wird jetzt schon sehr schnell teurer.
Augsburg Die galoppierende Inflation setzt die Zentralbanken vieler Industrieländer unter Druck, gegen die Teuerung vorzugehen und die Zinsen anzuheben. In den USA hat die Zentralbank Fed den Leitzins bereits um 0,5 Prozentpunkte auf eine Spanne von 0,75 bis einem Prozent angehoben. Die britische Notenbank zog am Donnerstag nach. Damit steigt der Druck auf die Europäische Zentralbank, ihre Politik des billigen Geldes hinter sich zu lassen. Der Leitzins im Euroraum liegt seit langem bei null Prozent.
„Es ist auch für die EZB höchste Zeit, ihre Anleihekäufe einzustellen und die Zinsen anzuheben“, sagte Jörg Krämer, Chefvolkswirt der Commerzbank, unserer Redaktion. „Nicht nur die USA, sondern auch der Euroraum hat ein Inflationsproblem“, erklärt er. In Europa hat die Teuerung inzwischen 7,5 Prozent erreicht und ist meilenweit vom Ziel der EZB entfernt. Dieses beträgt zwei Prozent. „Hält die EZB weiter fest an ihrer sehr lockeren Geldpolitik, steigen die Inflationserwartungen der Menschen weiter, und die hohe Inflation setzt sich dauerhaft fest“, warnt Krämer.
Tatsächlich zeichnet sich ab, dass die EZB bald die Zinswende einleiten könnte: „Jetzt reicht es nicht mehr zu reden, wir müssen handeln“, sagte EZB-Direktoriumsmitglied Isabel Schnabel dem Handelsblatt. „Aus heutiger Sicht halte ich eine Zinserhöhung im Juli für möglich.“Zuvor sollten zusätzliche Käufe von Anleihen eingestellt werden, voraussichtlich Ende Juni.
Krämer rät zu mutigen Schritten: „Ich würde der EZB von Trippelschritten abraten. Stattdessen sollte sie ihren Leitzins so lange um halbe Prozentpunkte anheben, bis sie zumindest den neutralen Zins erreicht hat, den ich bei 2,5 Prozent sehe“, sagt er. „Vielleicht muss sie aber auch darüber hinausgehen, um die Inflation in Zukunft wieder unter Kontrolle zu bringen.“Die USZinserhöhung erhöhe den Druck zusätzlich, argumentiert Clemens Fuest, der Chef des Ifo-Instituts: „Die Zinserhöhung der USA führt zu einer Aufwertung des US-Dollars gegenüber dem Euro, das erhöht den Inflationsdruck in Europa. Insofern besteht für die EZB ein gewisser Druck zu folgen“, sagte er unserer Redaktion. In den USA steigen die Preise zwar aus anderen Gründen – vor allem wegen massiver Konjunkturprogramme und starker Lohnsteigerungen. In Europa spielen explodierende Energiekosten wegen des Ukraine-Kriegs eine größere Rolle. „Das ändert allerdings nichts daran, dass auch die EZB handeln muss“, betont Fuest.
Steigende Zinsen verteuern Kredite, die Notenbanken wollen so die Nachfrage und letztlich den Preisauftrieb dämpfen. Der Nachteil: Auch das Wirtschaftswachstum wird gebremst. Bereits heute sind steigende Zinsen in Deutschland zu beobachten – vor allem bei Immobilienkrediten. Baugeld ist teurer geworden. Seit Weihnachten haben sich die Zinsen für ein Darlehen mit zehnjähriger Zinsbindung mehr als verdoppelt, hat die Frankfurter Finanzberatung FMH beobachtet. Der mittlere Zinssatz stieg danach von 0,9 auf 2,35 Prozent.
Die Frage ist, ob es noch gelingt, die Inflation einzufangen. Chefvolkswirt Krämer hat hier Zweifel: „Leider agiert die EZB zögerlich. Das spricht dafür, dass die zu hohe Inflation uns vermutlich mehrere Jahre begleiten wird“, sagt er. IfoChef Fuest ist überzeugt, dass die Zentralbank den Preisauftrieb zumindest dämpfen kann: „Einfluss hat sie vor allem auf die längerfristigen Inflationserwartungen“, sagt er. „Hier gilt es zu verhindern, dass Tarifpartner und andere Akteure der Wirtschaft sich auf höhere Inflationsraten einstellen. Sonst droht eine Lohn-Preis-Spirale, die nur mit hohen Kosten zu stoppen ist.“Lesen Sie dazu auch den Kommentar.