Ist das noch Punkrock?
Jubiläen Die Sex Pistols gegen die Queen – aus Skandal wird Marketing.
45 Jahre sind im Leben eines Menschen eine lange Zeit. Wer zuvor jung war und womöglich resolut für absolute politische Wahrheiten eintrat, könnte danach sehr wohl jemand sein, der empört etwa auf die Jugend der Fridays for Future blickt, Ideologie anprangert, Realismus fordert. Der einst fromm maoistisch die KPD-Aufbauorganisation mitbegründende Rüdiger Safranski zum Beispiel, immerhin Philosoph. Warum sollte es da Punkrockern anders gehen?
Einer ihrer berühmtesten ist noch immer Johnny Rotten, Sänger der Sex Pistols, obwohl deren im einzigen Album versammelten Großtaten bereits 45 Jahre zurückliegen. Damals servierte das britische Quartett zum 25. Thronjubiläum der Queen ihre eigene Version der Hymne „God Save The Queen“, in der sie ihr ein „faschistisches Regime“unterstellten und meinten, sie sei „kein menschliches Wesen“. Nun ist die Queen noch immer Elizabeth II., begeht ihr 70. Thronjubiläum und die Pistols veröffentlichen die Single wieder. 45 Jahre später alles gleich? Nix da! Rotten, inzwischen 66, sagt: „Ich würde sie als menschliches Wesen auf dem Planeten Erde schmerzlich vermissen.“Und: „Es ist nicht ihr Fehler, dass sie in einen goldenen Käfig hineingeboren wurde.“Fast rührend vom VormalsGröler für „Anarchy in the U.K.“
Hätte er einst gegen Premierminister James Callaghan gewütet – der hat inzwischen den siebten Nachfolger. So aber versucht die Band, ausgerechnet das Elizabeth-Jubiläum für sich zu nutzen. Läuft demnächst ja auch die Streamingserie „Pistols“über sie an, hat Gitarrist Steve Jones ja eben auch seine Autobiografie veröffentlicht. Man könnte sagen: Der Skandal vor 45 Jahren ist heute eben Marketing. Mit einem Ärzte-Song aber auch: „Ist das noch Punkrock? Ich glaube nicht.“