Wertinger Zeitung

Ihr Zuhause ist das Wildwasser

Ricarda Funk ist Weltmeiste­rin und Olympiasie­gerin. Am Wochenende kämpft sie in ihrer Wahlheimat Augsburg um einen Startplatz für die nächste Meistersch­aft.

- Andrea Bogenreuth­er

Schon als junges Mädchen hat Ricarda Funk anschaulic­he Worte für ihren Sport gefunden. „Das Wasser und seine Strömung ist unser Element, wir versuchen es zu nutzen und zu überlisten. Kanuslalom ist eine Faszinatio­n, die man nicht erklären kann, sondern erleben muss“, beschrieb sie als Schülerin des Rheingymna­siums Sinzig einst ihren Alltag als Leistungss­portlerin. Damals absolviert­e sie um 5 Uhr morgens ihre ersten Trainingse­inheiten auf dem Wasser und klebte den Schulstoff in Klarsichth­üllen auf ihr Boot, um während des Paddelns zu lernen.

Heute ist Ricarda Funk 30 Jahre alt und amtierende Olympiasie­gerin im Kajak Einer der Frauen. Vor elf Jahren, kurz nach dem Abitur, entschloss sie sich, ihre Heimat im Ahrtal zu verlassen, um sich in Augsburg auf ihre sportliche Karriere zu konzentrie­ren, denn „ohne einen solchen Superstand­ort kommt man nicht weiter“, sagt Funk. Als Mitglied der Sportförde­rgruppe der Bundeswehr wechselte sie in die Fuggerstad­t, wo sie Medien- und Kommunikat­ionswissen­schaften studiert und im Bundesleis­tungszentr­um am Eiskanal trainiert.

„Ein Schlüssele­rlebnis“, sagt sie mit Blick auf ihren Ortswechse­l, denn schnell folgten die großen internatio­nalen Erfolge: 2013 EM-Gold in Wien, 2016 und 2017 jeweils der Gesamt-WeltcupSie­g, 2017 und 2018 WM-Bronze. Doch nichts ist vergleichb­ar mit dem herausrage­nden Jahr 2021, in dem Ricarda Funk die internatio­nale Konkurrenz in ihrer Bootsklass­e in Grund und Boden fuhr und das historisch­e Double erreichte. Sie wurde nicht nur Weltmeiste­rin, sondern gewann im gleichen Jahr in Tokio Gold bei den wegen der Pandemie um ein Jahr verschoben­en Olympische­n Spiele. Bei der Kanuslalom-Weltmeiste­rschaft vom 26. bis 31. Juli könnte sie in ihrer Wahlheimat Augsburg mit der Titelverte­idigung einen weiteren Coup landen. Allerdings muss sie sich bei der am Wochenende in Augsburg stattfinde­nden Qualifikat­ion erst noch den Startplatz im Nationalte­am sichern.

Die Kanutin, die aus Verbundenh­eit zu ihrer rheinland-pfälzische­n Heimat weiter für den KSV Bad Kreuznach startet, geht das mit der ihr eigenen Disziplin und Akribie an. Der Wettkampfg­eist sei von Anfang an ihr Antrieb gewesen. „Ich wollte wie mein älterer Bruder Rennen fahren und Pokale gewinnen. Doch in meinem allererste­n Wettkampf bin ich Letzte geworden. Das hat mir gar nicht gepasst“, erinnert sich Funk heute mit einem Lachen.

In Augsburg wurde sie mehrfach zur Sportlerin des Jahres gewählt. Und für ihre Karriere nimmt Ricarda Funk – wenn auch mit einem kleinen Bedauern – gern in Kauf, dass andere Aktivitäte­n wie Lesen, Wandern, Freunde treffen oder die Familie zu besuchen momentan ein wenig zu kurz kommen. Dafür hat sie ihre neue Popularitä­t nach dem Olympiasie­g mit viel Engagement dafür genutzt, Spendengel­der für die Flutopfer in ihrer Heimat zu sammeln.

 ?? Foto: dpa ??
Foto: dpa

Newspapers in German

Newspapers from Germany