Keine Angst vor hohen Hürden
Porträt Familie Weishaupt aus Jettingen hat sich seit vielen Jahren der Zucht und der Ausbildung von Sportpferden verschrieben. Ein Großbrand vor zwei Jahren drohte ihre wirtschaftliche Lebensgrundlage zu zerstören. Doch die Besitzer nahmen die Herausforderung an.
JettingenScheppach Es ist der 10. August 2020, der das Leben der Reitsportfamilie Weishaupt aus Jettingen in seinen Grundfesten erschüttert. Während der Mittagszeit entzündet sich an diesem heißen Sommertag im Futterlager ein Ballen Stroh, das Feuer greift in Sekundenschnelle auf die Stallungen über. Alle Löschversuche der Familie und ihrer Angestellten sind vergebens, der Pferdestall und eine Lagerhalle mit Maschinen und Futter stehen in Flammen.
Die Feuerwehren aus zwölf benachbarten Orten helfen bei der Brandbekämpfung. Ein Feuerwehrmann wird durch eine Verpuffung verletzt, die rund 50 Vierbeiner können alle gerettet werden. „Ich selbst war nicht da, aber glücklicherweise alle anderen Angestellten, weil es um die Mittagszeit passiert ist. Sie haben alle Pferde rausgebracht, einfach nur auf die Koppeln. Hauptsache raus“, erzählt Sohn Maximilian Weishaupt von diesem Tag, der bis heute nachwirkt. Ein Übergriff der Flammen auf die Reithalle und das Wohnhaus der Familie konnte zwar verhindert werden, der Stall jedoch war nicht mehr zu retten.
Der Großbrand war ein Schock – nicht nur für die Familie, sondern auch für die rund 7000 Einwohner umfassende schwäbische Marktgemeinde im Landkreis Günzburg. Schließlich gehören die Weishaupts zu den alteingesessenen, namhaften Landwirtsfamilien. Entsprechend groß war die Nachbarschaftshilfe bei der vorübergehenden Unterbringung der Pferde. Auch die Marktgemeinde trug ihren Anteil dazu bei, den Wiederaufbau des Hofs, der zu einem international agierenden Unternehmen geworden ist, voranzubringen. 1972 hatte Josef Weishaupt den bis dahin rein landwirtschaftlich genutzten Familienbetrieb am Jettinger Ortsrand übernommen und konzentrierte sich ab dem Jahr 1990 vollständig auf die Zucht und Ausbildung von Sportpferden. Seitdem ist die Anlage ein Anlaufpunkt für die internationale Reitsport-Elite, die auf der Suche nach guten Springpferden mitunter viel Geld ausgibt. „Im Moment ist es ein größeres Problem, ein gutes Pferd zu behalten als es zu verkaufen. Es gibt einen unheimlichen Mangel an gut ausgebildeten Pferden. Neben rückläufigen Deckzahlen gibt es nämlich immer weniger Leute, die sich die Mühe machen, ein junges Pferd korrekt auszubilden“, schildert Maximilian Weishaupt die Lage auf dem aktuell ziemlich erhitzten Pferdemarkt.
Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Tieren aus deutscher Zucht massiv gestiegen. So stammten bei dem Olympischen Spielen 2021 in Tokio von insgesamt 238 gestarteten Pferden 71 Pferde aus der deutschen Pferdezucht. Fast 30 Prozent aller in den Disziplinen Dressur, Springen und Vielseitigkeit gestarteten Pferde waren somit deutschen Ursprungs. Für ein Pferd im Amateurbereich muss man in der Regel schon eine fünfstellige Summe hinblättern. Im Profibereich sind die Preise dann schon schnell sechsstellig – bis hin zu zweistelligen Millionensummen. Und die kaufkräftigen Kunden in den USA, Kanada oder den Emiraten können es sich leisten, die oft mühsame, über mehrere Jahre dauernde und bisweilen auch mit Risiken behaftete Ausbildungsarbeit der jungen Pferde anderen zu überlassen und die Tiere gleich turnierfertig zu kaufen. Diese Ansprüche erfüllen die Weishaupts.
Seit fast zwei Jahren ist die Familie aber nebenbei noch mit dem Wiederaufbau beschäftigt. Vieles auf der Jettinger Anlage, die in den 1930er Jahren erbaut und später umgestaltet wurde, ist schöner geworden, vieles moderner. In dem luftigen, lichtdurchfluteten neuen Pferdestall mit automatischer Mistanlage riecht es nicht nach Dung, sondern nach frischem Stroh, die Stallgasse ist penibel gefegt und jede Trense hängt glänzend geputzt an ihrem Platz. Die ovalförmige Führanlage gehört ebenso zum neuesten Reitsport-Hightech wie der großzügige, sich selbst bewässernde Ebbeund-Flut-Springplatz, der nun als Herzstück der Anlage von den restlichen Gebäuden flankiert wird. „Was wir geändert haben, ist die Architektur der Anlage. Früher war das Strohlager genau in der Mitte der Pferdeställe. Aus arbeitstechnischen Gründen hat man das früher so gebaut. Das war zwar praktisch, aber im Brandfall ein Worst-CaseSzenario“, erklärt Maximilian Weishaupt, warum das Feuer vor zwei Jahren so schnell um sich greifen konnte, „jetzt hatten wir die Möglichkeit, das zu ändern“. Dennoch habe es nach den polizeilichen behördlichen Untersuchungen gedauert, „bis man aufräumen darf und bis aufgeräumt ist“. Als letzte fehlende Baumaßnahme soll nun noch eine weitere Reithalle angebaut werden, sodass die Familie künftig optimale Bedingungen hat, sich ihrem Kerngeschäft zu widmen. Denn nicht nur im Ausland, auch in Deutschland ist das Interesse am Pferdesport nach wie vor groß. Der Umsatz der deutschen Pferdewirtschaft liegt laut dem Dachverband, der Deutschen Reiterlichen Vereinigung (FN), bei geschätzten 6,7 Milliarden Euro. Einer Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge gaben 11,2 Millionen Befragte an, Interesse am Pferd und am Pferdesport zu haben. 2,32 Millionen Menschen bezeichnen sich selbst als aktive Reiterinnen oder Reiter. Dazu würden 700.000 Menschen gerne reiten oder wieder in den Sport einsteigen, knapp 90.0000 sind allein in Bayern als Mitglieder in einem Reitverein organisiert.
Dass im Pferdesport vor allem der Reiter-Nachwuchs gefördert wird, liegt auch Josef Weishaupt am Herzen. Seit Jahren ist der Seniorchef, der im September seinen 70. Geburtstag feiert, als Landesspringtrainer der bayerischen Children, Junioren und jungen Reiter im Einsatz. Die Liebe zu den Vierbeinern und das reiterliche Talent hat er an seine Söhne weitergegeben. An Philipp, 36, den zweimaligen deutschen Meister im Springreiten, der seit 2003 für den Sportstall von Olympiasieger Ludger Beerbaum im westfälischen Riesenbeck arbeitet. An Maximilian, 32, der in der schwäbischen Heimat geblieben ist und hier die Ausbildung und Verund marktung der jungen Pferde verantwortet. Und an den elfjährigen Luis, den jüngsten Spross von Josef Weishaupt und seiner heutigen Lebensgefährtin und Stallmanagerin Lisa Carmagnani, der gerade zu seinen ersten Ponyerfolgen reitet.
Selbst gezüchtete Pferde der verschiedensten Altersstufen werden von Maximilian Weishaupt und seinem Team auf ihre Karriere im Springparcours vorbereitet. Täglich werden sie trainiert, regelmäßig auf Turnieren im In- und Ausland vorgestellt. Wie gefährlich das mitunter werden kann, hat er am eigenen Leib erfahren. 2013 überlebte er einen schweren Reitunfall bei einem Turnier nur knapp, als sein Pferd bei der Siegerehrung stürzte und ihn unter sich begrub. Trotz einiger Krankenhausaufenthalte entschied er sich dennoch, den Reitsport weiterhin mit voller Konsequenz auszuüben. „Es ist ein anstrengender Job“, räumt Maximilian Weishaupt ein, „aber wenn man ein talentiertes junges Pferd hat, macht das auch unheimlich Spaß.“
Der Nachteil: Der Vater eines zweijährigen Sohnes ist – ebenso wie sein Bruder Philipp – viel auf Turnieren unterwegs, in der Saison nahezu jedes Wochenende. „Es ist tatsächlich schwierig, da den Spagat zu finden. Ich bin froh, dass meine Frau mir so den Rücken freihält“, sagt Maximilian Weishaupt. So verbringt er jedes Jahr im März mehrere Wochen beim Turnier in Spanien, um seine Youngsters vorzubereiten auf die „Grüne Saison“, wie im Reitsport die Freiluftsaison bezeichnet wird. Auch Sondereinladungen zu renommierten Turnieren erreichen ihn regelmäßig, wie zuletzt für Leipzig oder Hagen, bei denen der Träger des Goldenen Reitabzeichens viele Top-Platzierungen in schweren Springprüfungen erritten hat.
Sein derzeit erfolgreichstes Pferd im Stall ist die elfjährige Schimmelstute Omerta Incipit, die Weishaupt im Auftrag ihres Besitzers und Züchters Karl Gruber (Ingolstadt) auf Turnieren vorstellen und weiterhin im eigenen Stall behalten kann. Das ist die große Ausnahme von der Regel, denn im Normalfall verlassen die erfolgreichsten Tiere am schnellsten die heimische Box. Die Trennung ist mitunter schwer, gibt Maximilian zu. Doch er musste sich früh daran gewöhnen. „Es ist eben unser Hauptgeschäft, die jungen Pferde bis an die schwere Klasse heranzuführen, sie im Optimalfall bis zum Grand Prix auszubilden und dann zu verkaufen.“
Das zweite Standbein der Familie ist die Zucht, die gerade in den Monaten April und Mai, wenn die Fohlen zur Welt kommen, ihren emotionalen Höhepunkt erreicht. Weil aber neben der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr auch das Equine-Herpes-Virus in Europa heftig zugeschlagen hat, sind nicht nur Pferdebesitzer, sondern vor allem Züchter wie Josef Weishaupt äußerst vorsichtig und wachsam. 2021 starben beim Turnier in Spanien, bei dem auch Sohn Maximilian mit einigen Pferden vor Ort war, mehrere Tiere von Reiterkollegen an diesem Virus. Die Rückkehrer mussten allesamt in Quarantäne.
Denn gerade für Zuchtstuten und ihren Nachwuchs ist die Krankheit hoch gefährlich, erklärt Josef Weishaupt, während er bei einem Rundgang stolz den ersten Neuzugang des Jahres vorstellt – ein wenige Tage altes braunes Stutfohlen, das auf seinen langen Beinen schon fleißig seiner Mutter hinterherstakst. Ein halbes Dutzend wird hier jedes Jahr geboren. Bei den Weishaupts sind alle Pferde gegen das EquineHerpes-Virus geimpft. Das mildert Verläufe, schützt aber nicht komplett vor einer Ansteckung und teils
Gute Pferde können ein Vermögen kosten
Ein Virus raffte viele der Tiere dahin
katastrophalen Folgen wie neurologischen Schäden oder Fehlgeburten. Josef Weishaupt hat schmerzliche Erfahrung darin, wie sehr das Virus der Pferdezucht zusetzen kann. „Uns fehlt beispielsweise der komplette Jahrgang der Dreijährigen“, berichtet er von einem früheren Krankheitsausbruch.
Im Regelfall aber, sagt Josef Weishaupt, gehe alles gut, bei der Geburt regle die Natur das meiste selbst. Damit trotzdem nichts schiefläuft, werden die trächtigen Stuten lückenlos überwacht. Meist kriegen Stuten ihre Fohlen nachts. „Wir sind komplett ausgestattet, haben Kameras und Geburtsmelder in den Ställen“, berichtet sein Sohn und ergänzt schmunzelnd, „bei den Nachtdiensten halte ich mich raus. Ich bin dann erst zuständig, wenn sie fünf Jahre alt sind.“Auf den Zuchtbetrieb hingegen seien Linda Carmangnani und der Vater als Seniorchef spezialisiert. Die damit ebenfalls dem Familienziel dienen, mit ihrer vielen Erfahrung auch weiterhin erfolgreich im Pferdesport dabei zu sein.