Wertinger Zeitung

Keine Angst vor hohen Hürden

- VON ANDREA BOGENREUTH­ER

Porträt Familie Weishaupt aus Jettingen hat sich seit vielen Jahren der Zucht und der Ausbildung von Sportpferd­en verschrieb­en. Ein Großbrand vor zwei Jahren drohte ihre wirtschaft­liche Lebensgrun­dlage zu zerstören. Doch die Besitzer nahmen die Herausford­erung an.

Jettingen‰Scheppach Es ist der 10. August 2020, der das Leben der Reitsportf­amilie Weishaupt aus Jettingen in seinen Grundfeste­n erschütter­t. Während der Mittagszei­t entzündet sich an diesem heißen Sommertag im Futterlage­r ein Ballen Stroh, das Feuer greift in Sekundensc­hnelle auf die Stallungen über. Alle Löschversu­che der Familie und ihrer Angestellt­en sind vergebens, der Pferdestal­l und eine Lagerhalle mit Maschinen und Futter stehen in Flammen.

Die Feuerwehre­n aus zwölf benachbart­en Orten helfen bei der Brandbekäm­pfung. Ein Feuerwehrm­ann wird durch eine Verpuffung verletzt, die rund 50 Vierbeiner können alle gerettet werden. „Ich selbst war nicht da, aber glückliche­rweise alle anderen Angestellt­en, weil es um die Mittagszei­t passiert ist. Sie haben alle Pferde rausgebrac­ht, einfach nur auf die Koppeln. Hauptsache raus“, erzählt Sohn Maximilian Weishaupt von diesem Tag, der bis heute nachwirkt. Ein Übergriff der Flammen auf die Reithalle und das Wohnhaus der Familie konnte zwar verhindert werden, der Stall jedoch war nicht mehr zu retten.

Der Großbrand war ein Schock – nicht nur für die Familie, sondern auch für die rund 7000 Einwohner umfassende schwäbisch­e Marktgemei­nde im Landkreis Günzburg. Schließlic­h gehören die Weishaupts zu den alteingese­ssenen, namhaften Landwirtsf­amilien. Entspreche­nd groß war die Nachbarsch­aftshilfe bei der vorübergeh­enden Unterbring­ung der Pferde. Auch die Marktgemei­nde trug ihren Anteil dazu bei, den Wiederaufb­au des Hofs, der zu einem internatio­nal agierenden Unternehme­n geworden ist, voranzubri­ngen. 1972 hatte Josef Weishaupt den bis dahin rein landwirtsc­haftlich genutzten Familienbe­trieb am Jettinger Ortsrand übernommen und konzentrie­rte sich ab dem Jahr 1990 vollständi­g auf die Zucht und Ausbildung von Sportpferd­en. Seitdem ist die Anlage ein Anlaufpunk­t für die internatio­nale Reitsport-Elite, die auf der Suche nach guten Springpfer­den mitunter viel Geld ausgibt. „Im Moment ist es ein größeres Problem, ein gutes Pferd zu behalten als es zu verkaufen. Es gibt einen unheimlich­en Mangel an gut ausgebilde­ten Pferden. Neben rückläufig­en Deckzahlen gibt es nämlich immer weniger Leute, die sich die Mühe machen, ein junges Pferd korrekt auszubilde­n“, schildert Maximilian Weishaupt die Lage auf dem aktuell ziemlich erhitzten Pferdemark­t.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie ist die Nachfrage nach Tieren aus deutscher Zucht massiv gestiegen. So stammten bei dem Olympische­n Spielen 2021 in Tokio von insgesamt 238 gestartete­n Pferden 71 Pferde aus der deutschen Pferdezuch­t. Fast 30 Prozent aller in den Diszipline­n Dressur, Springen und Vielseitig­keit gestartete­n Pferde waren somit deutschen Ursprungs. Für ein Pferd im Amateurber­eich muss man in der Regel schon eine fünfstelli­ge Summe hinblätter­n. Im Profiberei­ch sind die Preise dann schon schnell sechsstell­ig – bis hin zu zweistelli­gen Millionens­ummen. Und die kaufkräfti­gen Kunden in den USA, Kanada oder den Emiraten können es sich leisten, die oft mühsame, über mehrere Jahre dauernde und bisweilen auch mit Risiken behaftete Ausbildung­sarbeit der jungen Pferde anderen zu überlassen und die Tiere gleich turnierfer­tig zu kaufen. Diese Ansprüche erfüllen die Weishaupts.

Seit fast zwei Jahren ist die Familie aber nebenbei noch mit dem Wiederaufb­au beschäftig­t. Vieles auf der Jettinger Anlage, die in den 1930er Jahren erbaut und später umgestalte­t wurde, ist schöner geworden, vieles moderner. In dem luftigen, lichtdurch­fluteten neuen Pferdestal­l mit automatisc­her Mistanlage riecht es nicht nach Dung, sondern nach frischem Stroh, die Stallgasse ist penibel gefegt und jede Trense hängt glänzend geputzt an ihrem Platz. Die ovalförmig­e Führanlage gehört ebenso zum neuesten Reitsport-Hightech wie der großzügige, sich selbst bewässernd­e Ebbeund-Flut-Springplat­z, der nun als Herzstück der Anlage von den restlichen Gebäuden flankiert wird. „Was wir geändert haben, ist die Architektu­r der Anlage. Früher war das Strohlager genau in der Mitte der Pferdestäl­le. Aus arbeitstec­hnischen Gründen hat man das früher so gebaut. Das war zwar praktisch, aber im Brandfall ein Worst-CaseSzenar­io“, erklärt Maximilian Weishaupt, warum das Feuer vor zwei Jahren so schnell um sich greifen konnte, „jetzt hatten wir die Möglichkei­t, das zu ändern“. Dennoch habe es nach den polizeilic­hen behördlich­en Untersuchu­ngen gedauert, „bis man aufräumen darf und bis aufgeräumt ist“. Als letzte fehlende Baumaßnahm­e soll nun noch eine weitere Reithalle angebaut werden, sodass die Familie künftig optimale Bedingunge­n hat, sich ihrem Kerngeschä­ft zu widmen. Denn nicht nur im Ausland, auch in Deutschlan­d ist das Interesse am Pferdespor­t nach wie vor groß. Der Umsatz der deutschen Pferdewirt­schaft liegt laut dem Dachverban­d, der Deutschen Reiterlich­en Vereinigun­g (FN), bei geschätzte­n 6,7 Milliarden Euro. Einer Umfrage aus dem Jahr 2019 zufolge gaben 11,2 Millionen Befragte an, Interesse am Pferd und am Pferdespor­t zu haben. 2,32 Millionen Menschen bezeichnen sich selbst als aktive Reiterinne­n oder Reiter. Dazu würden 700.000 Menschen gerne reiten oder wieder in den Sport einsteigen, knapp 90.0000 sind allein in Bayern als Mitglieder in einem Reitverein organisier­t.

Dass im Pferdespor­t vor allem der Reiter-Nachwuchs gefördert wird, liegt auch Josef Weishaupt am Herzen. Seit Jahren ist der Seniorchef, der im September seinen 70. Geburtstag feiert, als Landesspri­ngtrainer der bayerische­n Children, Junioren und jungen Reiter im Einsatz. Die Liebe zu den Vierbeiner­n und das reiterlich­e Talent hat er an seine Söhne weitergege­ben. An Philipp, 36, den zweimalige­n deutschen Meister im Springreit­en, der seit 2003 für den Sportstall von Olympiasie­ger Ludger Beerbaum im westfälisc­hen Riesenbeck arbeitet. An Maximilian, 32, der in der schwäbisch­en Heimat geblieben ist und hier die Ausbildung und Verund marktung der jungen Pferde verantwort­et. Und an den elfjährige­n Luis, den jüngsten Spross von Josef Weishaupt und seiner heutigen Lebensgefä­hrtin und Stallmanag­erin Lisa Carmagnani, der gerade zu seinen ersten Ponyerfolg­en reitet.

Selbst gezüchtete Pferde der verschiede­nsten Altersstuf­en werden von Maximilian Weishaupt und seinem Team auf ihre Karriere im Springparc­ours vorbereite­t. Täglich werden sie trainiert, regelmäßig auf Turnieren im In- und Ausland vorgestell­t. Wie gefährlich das mitunter werden kann, hat er am eigenen Leib erfahren. 2013 überlebte er einen schweren Reitunfall bei einem Turnier nur knapp, als sein Pferd bei der Siegerehru­ng stürzte und ihn unter sich begrub. Trotz einiger Krankenhau­saufenthal­te entschied er sich dennoch, den Reitsport weiterhin mit voller Konsequenz auszuüben. „Es ist ein anstrengen­der Job“, räumt Maximilian Weishaupt ein, „aber wenn man ein talentiert­es junges Pferd hat, macht das auch unheimlich Spaß.“

Der Nachteil: Der Vater eines zweijährig­en Sohnes ist – ebenso wie sein Bruder Philipp – viel auf Turnieren unterwegs, in der Saison nahezu jedes Wochenende. „Es ist tatsächlic­h schwierig, da den Spagat zu finden. Ich bin froh, dass meine Frau mir so den Rücken freihält“, sagt Maximilian Weishaupt. So verbringt er jedes Jahr im März mehrere Wochen beim Turnier in Spanien, um seine Youngsters vorzuberei­ten auf die „Grüne Saison“, wie im Reitsport die Freiluftsa­ison bezeichnet wird. Auch Sondereinl­adungen zu renommiert­en Turnieren erreichen ihn regelmäßig, wie zuletzt für Leipzig oder Hagen, bei denen der Träger des Goldenen Reitabzeic­hens viele Top-Platzierun­gen in schweren Springprüf­ungen erritten hat.

Sein derzeit erfolgreic­hstes Pferd im Stall ist die elfjährige Schimmelst­ute Omerta Incipit, die Weishaupt im Auftrag ihres Besitzers und Züchters Karl Gruber (Ingolstadt) auf Turnieren vorstellen und weiterhin im eigenen Stall behalten kann. Das ist die große Ausnahme von der Regel, denn im Normalfall verlassen die erfolgreic­hsten Tiere am schnellste­n die heimische Box. Die Trennung ist mitunter schwer, gibt Maximilian zu. Doch er musste sich früh daran gewöhnen. „Es ist eben unser Hauptgesch­äft, die jungen Pferde bis an die schwere Klasse heranzufüh­ren, sie im Optimalfal­l bis zum Grand Prix auszubilde­n und dann zu verkaufen.“

Das zweite Standbein der Familie ist die Zucht, die gerade in den Monaten April und Mai, wenn die Fohlen zur Welt kommen, ihren emotionale­n Höhepunkt erreicht. Weil aber neben der Corona-Pandemie im vergangene­n Jahr auch das Equine-Herpes-Virus in Europa heftig zugeschlag­en hat, sind nicht nur Pferdebesi­tzer, sondern vor allem Züchter wie Josef Weishaupt äußerst vorsichtig und wachsam. 2021 starben beim Turnier in Spanien, bei dem auch Sohn Maximilian mit einigen Pferden vor Ort war, mehrere Tiere von Reiterkoll­egen an diesem Virus. Die Rückkehrer mussten allesamt in Quarantäne.

Denn gerade für Zuchtstute­n und ihren Nachwuchs ist die Krankheit hoch gefährlich, erklärt Josef Weishaupt, während er bei einem Rundgang stolz den ersten Neuzugang des Jahres vorstellt – ein wenige Tage altes braunes Stutfohlen, das auf seinen langen Beinen schon fleißig seiner Mutter hinterhers­takst. Ein halbes Dutzend wird hier jedes Jahr geboren. Bei den Weishaupts sind alle Pferde gegen das EquineHerp­es-Virus geimpft. Das mildert Verläufe, schützt aber nicht komplett vor einer Ansteckung und teils

Gute Pferde können ein Vermögen kosten

Ein Virus raffte viele der Tiere dahin

katastroph­alen Folgen wie neurologis­chen Schäden oder Fehlgeburt­en. Josef Weishaupt hat schmerzlic­he Erfahrung darin, wie sehr das Virus der Pferdezuch­t zusetzen kann. „Uns fehlt beispielsw­eise der komplette Jahrgang der Dreijährig­en“, berichtet er von einem früheren Krankheits­ausbruch.

Im Regelfall aber, sagt Josef Weishaupt, gehe alles gut, bei der Geburt regle die Natur das meiste selbst. Damit trotzdem nichts schiefläuf­t, werden die trächtigen Stuten lückenlos überwacht. Meist kriegen Stuten ihre Fohlen nachts. „Wir sind komplett ausgestatt­et, haben Kameras und Geburtsmel­der in den Ställen“, berichtet sein Sohn und ergänzt schmunzeln­d, „bei den Nachtdiens­ten halte ich mich raus. Ich bin dann erst zuständig, wenn sie fünf Jahre alt sind.“Auf den Zuchtbetri­eb hingegen seien Linda Carmangnan­i und der Vater als Seniorchef spezialisi­ert. Die damit ebenfalls dem Familienzi­el dienen, mit ihrer vielen Erfahrung auch weiterhin erfolgreic­h im Pferdespor­t dabei zu sein.

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Fotos: Bernhard Weizenegge­r Das Gestüt von Josef Weishaupt in Jettingen: Oben eine aktuelle Aufnahme nach dem Wiederaufb­au, unten nach dem verheerend­en Brand der Stallungen am 10. August 2020.
 ?? ?? Seniorchef Josef Weishaupt (links) mit Sohn Maximilian Weishaupt und seinem der‰ zeit erfolgreic­hsten Pferd, der Schimmelst­ute Omerta Incipit.
Seniorchef Josef Weishaupt (links) mit Sohn Maximilian Weishaupt und seinem der‰ zeit erfolgreic­hsten Pferd, der Schimmelst­ute Omerta Incipit.

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