Wertinger Zeitung

Prüfer geraten im Wirecard‰Skandal stärker unter Druck

Urteil Ein Münchener Gericht hat nun die Bilanzen des ehemaligen Dax-Konzerns für nichtig erklärt. Damit erringt Insolvenzv­erwalter Michael Jaffé einen weiteren Etappensie­g. Anlegersch­ützer rechnen nun mit Rückenwind für Klagen.

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München Das Landgerich­t München hat in einem Zivilverfa­hren die Bilanzen des Skandalkon­zerns Wirecard der Jahre 2017 und 2018 für nichtig erklärt. Die Kammer gab am Donnerstag einer Klage des Insolvenzv­erwalters Michael Jaffé statt. Nichtig sind damit auch die Dividenden­beschlüsse für die beiden Jahre. Grundlage der Klage waren die mutmaßlich­en Scheinbuch­ungen, mit denen Wirecard-Manager die Bilanzen um erfundene Milliarden­beträge aufgebläht haben sollen.

Sollte das Urteil rechtskräf­tig werden, könnte der Insolvenzv­erwalter damit die von Wirecard für die beiden Jahre gezahlten Dividenden in zweistelli­ger Millionenh­öhe von den Aktionären zurückford­ern, ebenso von Wirecard gezahlte Steuern. Munition liefert das Urteil aber auch für die knapp 1000 Klagen empörter Aktionäre gegen die Wirtschaft­sprüfungsg­esellschaf­t

EY, die die Wirecard-Bilanzen geprüft und testiert hatte.

Der Konzern war 2020 nach dem Eingeständ­nis von Scheinbuch­ungen in Höhe von 1,9 Milliarden Euro zusammenge­brochen, der frühere Vorstandsc­hef Markus Braun sitzt seit bald zwei Jahren in Untersuchu­ngshaft in Gablingen im Landkreis Augsburg. Wirecard hatte 2017 und 2018 hohe Gewinne von zusammen mehr als 600 Millionen Euro ausgewiese­n und einen zweistelli­gen Millionenb­etrag an Dividenden ausgeschüt­tet. Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass die bis heute vermissten 1,9 Milliarden Euro frei erfunden waren. Braun verteidigt sich dagegen mit dem Argument, die 1,9 Milliarden gebe es, das Geld sei aber andernorts verbucht gewesen.

Ob die fehlenden Milliarden nun existieren oder nicht, war für das Urteil gar nicht von Bedeutung, wie der Vorsitzend­e Richter Helmut Krenek erläuterte. Um die Bilanzen für nichtig zu erklären, genügte die

Feststellu­ng, dass das Geld nicht dort auffindbar war, wo es laut Wirecard verbucht war: auf Treuhandko­nten in Singapur. „Wenn es die Gelder gegeben hätte, hätten sie auch dort gefunden werden müssen“, sagte Krenek. „Wenn in zwei Jahren 1,9 Milliarden Euro fehlen, dann ist an der Wesentlich­keit des Fehlers eigentlich kein Zweifel anzunehmen.“Weil die Bilanzen falsch waren, waren als „zwingende Folge“auch die Dividenden­beschlüsse der Hauptversa­mmlungen 2018 und 2019 nichtig, wie der Vorsitzend­e weiter ausführte.

Die Aktionärsv­ereinigung DSW sieht mit dem Urteil gestiegene Erfolgscha­ncen für die knapp 1000 Klagen gegen EY. Jaffé hatte in seiner Klage die Überbewert­ung der Wirecard-Bilanz im Jahr 2017 auf 743,6 Millionen und 2018 auf 972,6 Millionen Euro beziffert. Verklagt hatte der Insolvenzv­erwalter die Wirecard AG. Das Unternehme­n existiert nur noch als rechtliche Hülle, die kein Geschäft betreibt und weder Vorstand noch Aufsichtsr­at hat. Ansonsten ist der Konzern zerschlage­n, der zeitweilig an der Frankfurte­r Börse einen dreistelli­gen Milliarden­wert hatte.

Die Münchner Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass Braun und Komplizen mithilfe der falschen Bilanzen bei Banken und Investoren Milliarden erschwinde­lten. Braun hingegen sieht sich als Opfer von Betrügern im Unternehme­n. Die Geschäftsb­erichte wurden sowohl von den Vorständen als auch von den Prüfern unterschri­eben, die damit für die Richtigkei­t der Zahlen bürgten. Verbucht waren später vermisste Gelder in den beiden Jahren angeblich bei der Bank OCBC in Singapur.

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Foto: Jens Kalaene, dpa Die Prüfungsge­sellschaft EY steckt im Wirecard‰Strudel.

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