Aufklärung im Vermisstenfall Maddie rückt näher
Verbrechen Braunschweiger Staatsanwalt spricht von „Gewissheit“, dass der deutsche Tatverdächtige der Mörder ist.
Lissabon Im Vermisstenfall der dreijährigen Madeleine, die vor 15 Jahren an der portugiesischen Urlaubsküste Algarve spurlos verschwand, sind die Ermittler offenbar einen Schritt weitergekommen. Wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig mitteilte, habe sich der Verdacht gegen den deutschen Hauptverdächtigen Christian B. erhärtet. Kann das Rätsel um das britische Mädchen nun doch noch aufgeklärt werden?
Der 45-jährige Christian B. ist wegen sexueller Übergriffe vorbestraft. Er sitzt wegen der Vergewaltigung einer amerikanischen Portugal-Urlauberin in Deutschland in Haft. Die Sexattacke auf die Amerikanerin geschah im Jahr 2005 ebenfalls an der Algarve. Und zwar nicht weit vom Küstenort Praia da Luz entfernt, wo Madeleine am 3. Mai 2007 verschwand. „Wir haben neue Fakten gefunden, die uns die Gewissheit geben, dass er der Mörder von Madeleine McCann ist“, sagte der Braunschweiger Staatsanwalt Hans Christian Wolters in einem exklusiven Interview mit dem portugiesischen TV-Sender CMTV. Die Ermittlungen seien aber noch nicht abgeschlossen. „Die Untersuchungen gegen Christian B. gehen weiter.“ Einzelheiten zu den neuen Beweisen teilte Staatsanwalt Wolters nicht mit. Wolters deutete aber an, dass die Fahnder in einem VW-Bus, der damals dem deutschen Sexualstraftäter gehörte, Spuren von Madeleine fanden.
Britische Medien spekulierten, dass es sich bei diesen Spuren um Fasern von „Maddies“Schlafanzug handeln könnte – bestätigt ist dies aber nicht. Die Dreijährige hatte am Abend des 3. Mai 2007 im portugiesischen Ferienapartment ihrer Eltern Kate und Gerry McCann geschlafen. Als die Eltern von einem Abendessen im Restaurant der Ferienanlage zurückkamen, war Madeleine nicht mehr da.
Der weiß-gelbe VW-Bus, mit dem Christian B. zur Tatzeit an der Algarve unterwegs war, wurde in Portugal sichergestellt und nach Deutschland gebracht. Dort war das Fahrzeug vom Bundeskriminalamt Millimeter für Millimeter und mit modernster Technik nach Fingerabdrücken, Blutflecken, Haarresten und anderen Spuren durchsucht worden.
Auch wenn nun offenbar immer mehr Indizien Christian B. belasten: Die Ermittler suchen weiterhin Antworten auf einige entscheidende Fragen. Etwa auf diese: Mit wem telefonierte B. in der Tatnacht? Sein Handy war am Abend des Verschwindens unweit von Madeleines Ferienapartment im Funknetz eingeloggt. Hatte B. einen Komplizen? Und was geschah genau mit Madeleine? Monatelang haben portugiesische Ermittler jeden Stein in der Umgebung des Ferienapartments umgedreht. Taucher suchten auf dem Meeresgrund. Doch gefunden wurde nichts. B. soll in der Vergangenheit fantasiert haben, ein Kind zu entführen, zu missbrauchen und dann spurlos verschwinden zu lassen. Er wolle „etwas Kleines einfangen und tagelang benutzen“, schrieb B. nach Angaben des Spiegel im Jahr 2013 in einem Chat, der in den Ermittlungsakten dokumentiert sei.
Auf B.’s Spur kamen die Ermittler übrigens nach einem Tipp. Gegenüber einem Bekannten soll B. 2017 an einem bierseligen Abend in Braunschweig damit geprahlt haben, „alles über Madeleine zu wissen“. Zudem zeigte er dem Trinkkumpanen Handybilder vom sexuellen Missbrauch einer Frau – der Bekannte informierte daraufhin die Polizei. Laut Wolters wird derzeit die Anklage B.’s vorbereitet, und zwar zunächst wegen drei Vergewaltigungen von Frauen und zwei Missbrauchsfällen mit Kindern. Bei diesen Vorwürfen liegen inzwischen ausreichende Beweise vor.