Wertinger Zeitung

Einblicke in die Welt von Amazon bei Nattheim

Wirtschaft In dem riesigen Logistikst­andort im Kreis Heidenheim arbeiten derzeit 130 Beschäftig­te. Noch ist man von einer vollen Auslastung entfernt.

- VON ANDREAS UITZ

Heidenheim Das Erste, was beim Betreten der riesigen Halle auffällt, ist die Stille. Wer hektische Betriebsam­keit und laute Förderbänd­er erwartet, Menschen, die im Akkord Produkte verpacken, ist zunächst perplex. Kein Mensch ist zu sehen, keine Gabelstapl­er, die mit blinkenden Lichtern ameisengle­ich durch die Gänge wuseln. „Arbeitet hier überhaupt jemand?“, fragt sich der Besucher des Amazon-Logistikst­andorts auf dem Rinderberg vor den Toren Nattheims.

„Natürlich, aber das verläuft sich auf der großen Fläche in den Gängen“, sagt Thomas Branz, Regionalma­nager bei Amazon. 53.000 Quadratmet­er groß ist die Logistikfl­äche, auf der rund 5000 unterschie­dliche Produkte gelagert und umgeschlag­en werden. Bis zu 4,60 Meter hoch werden hier im sogenannte­n Blocklager die Artikel gestapelt, aufeinande­r, ohne Paletten. Und scheinbar ohne System: Backöfen stehen neben Tischkreis­sägen, Flachbildf­ernseher neben Gasgrills, Klimagerät­e neben Kaffee-Vollautoma­ten. „Das ist chaotische Lagerhaltu­ng, aber wir wissen genau, wo was steht“, erläutert Branz. In diesem Bereich finden sich Artikel, die hundertfac­h auf Lager sind und entspreche­nd häufig umgeschlag­en werden.

Dort sind sie, die Mitarbeite­nden.

Die meisten fahren mit Gabelstapl­ern durch die weitläufig­en Gänge, jeder Stapler trägt einen eigenen Namen. „Super Mario“ist ebenso vertreten wie „Superman“, „Spiderman“und viele andere Comicfigur­en. „Wir versuchen, jedem Standort etwas Besonderes zu geben, und hier sind die Gabelstapl­er nach Comicfigur­en benannt“, so der Regionalma­nager. Außerdem hat das Logistikze­ntrum ein eigenes Logo: einen Bullen, der an den Standort auf dem Rinderberg erinnern soll.

Über 100 Standorte verfügt der Logistikri­ese Amazon in Deutschlan­d, allein zehn davon in BadenWürtt­emberg. Der Heidenheim­er unterschei­det sich von vielen anderen dadurch, dass hier nur großvolumi­ge Produkte gelagert und versandt werden. „Alles, was über die Maße 30x40x40 Zentimeter hinausgeht oder schwerer ist als 31 Kilogramm, wird hier gelagert“, erklärt Branz. Damit ist auch erklärt, warum es hier keine Förderbänd­er gibt, kein Verpacken im Akkord. „Das ist hier am Standort gar nicht möglich, die Produkte müssen einzeln aus den Regalen geholt werden.“

Von Kühlschrän­ken über Polsterund Gartenmöbe­l bis hin zu Badewannen und Wäschetroc­knern: Das Portfolio des weltweit größten Online-Händlers, das von Heidenheim aus verschickt wird, ist riesig. „Grundsätzl­ich können wir nach ganz Deutschlan­d liefern, aber der Großteil geht nach Süddeutsch­land“, so Branz. Bis zu einem Umkreis von 70 Kilometern um den Standort werden die Produkte den Kunden sogar direkt durch Amazon geliefert – auch, wenn das Subunterne­hmer übernehmen.

Im Bereich der Anlieferun­g herrscht mehr Betriebsam­keit. Mitarbeite­r entladen einen Lkw mit Staplern, andere sind mit Sackkarren und Hubwagen unterwegs. Etwa 130 Mitarbeite­nde sind beim Logistikst­andort beschäftig­t, sie arbeiten in zwei Schichten. Ziel des Unternehme­ns ist, bis zum Jahresende auf 200 Beschäftig­te zu kommen. Ein Großteil von ihnen arbeitet im logistisch­en Bereich, darunter auch zahlreiche Frauen.

Zwar ging der Standort schon im Oktober vergangene­n Jahres in Betrieb, doch unter Volllast arbeitet er noch nicht. „Wir sind aktuell zwischen 30 und 40 Prozent der maximalen Kapazität, aber das Ziel sind auch nicht hundert Prozent, auch wenn es Spitzen geben kann“, erklärt Branz. Dementspre­chend hält sich bisher auch der Lieferverk­ehr in Grenzen. „Derzeit haben wir rund 40 Lkw täglich, die Ware bringen und abholen.“Die letzten Bauarbeite­n am Logistikst­andort und in den Außenberei­chen sind nahezu abgeschlos­sen. Auffällig ist, dass es auf dem weitläufig­en Parkplatz für Mitarbeite­r erstaunlic­h viele Ladestatio­nen für E-Fahrzeuge gibt. „Amazon versucht, so ökologisch wie möglich zu arbeiten“, sagt der Regionalma­nager. Demzufolge soll auf dem Dach der riesigen Halle auch noch eine sehr große Fotovoltai­k-Anlage installier­t werden.

Wenn alle anderen Arbeiten abgeschlos­sen sind, werden sich die Techniker mit der Planung und Ausführung beschäftig­en. Wie groß und leistungss­tark diese Anlage sein wird, steht Branz zufolge noch nicht fest. „Aber es ist vorgesehen, dass sie mehr Strom produziert, als der Standort benötigt.“

Nicht weit entfernt vom Rinderberg wird in wenigen Monaten ein weiterer Amazon-Standort in Betrieb gehen: Seit Sommer vergangene­n Jahres wird ein Verteilzen­trum in Giengen gebaut, das noch im Juni in Betrieb gehen soll. Trotz örtlicher Nähe sollen der Heidenheim­er Logistikst­andort und das neue Verteilzen­trum in Giengen bei Lieferunge­n nicht zusammenar­beiten. Die Verteilzen­tren in der Region werden nicht von Heidenheim, sondern einem Logistikze­ntrum in Graben bei Augsburg beliefert. Das gilt auch für das Zentrum in Neu-Ulm.

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Foto: Rudi Penk Ein Blick in das Amazon‰Logistikze­ntrum am Rinderberg bei Nattheim. Noch läuft es nicht unter Volllast.

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