Wertinger Zeitung

Die Fuggerei feiert ihr Jubiläum nach

Pandemie Weil Touristen ausblieben, brachen der Sozialsied­lung Einnahmen weg. 2023 werden deshalb die Eintrittsp­reise erhöht. Wie die Bewohner durch die Krise kamen und worum es ab heute auf dem Rathauspla­tz geht.

- VON NICOLE PRESTLE

Augsburg Es waren schlechte Zeiten für die Fuggerei – und das ausgerechn­et in einem Jahr, in dem gefeiert werden sollte: Durch die Corona-Pandemie und die Entwicklun­g auf dem Holzmarkt brachen der Sozialsied­lung rund 60 Prozent ihrer Einnahmen weg. Das 500-jährige Bestehen, das im August 2021 auf dem Programm stand, fiel deshalb kleiner aus, der Fuggerei-Pavillon, der Freitag auf dem Rathauspla­tz eröffnet wird, wurde um ein halbes Jahr verschoben. Schwerer wiegen jedoch die Auswirkung­en auf die Siedlung selbst, denn sie wird aus Eintrittsg­eldern und den Einnahmen aus der Forstwirts­chaft unterhalte­n. Die Fugger’schen Stiftungen werden daher nächstes Jahr die Ticketprei­se erhöhen.

Die Fuggerei ist eine der beliebtest­en Sehenswürd­igkeiten Augsburgs, die Besucherin­nen und Besucher kommen aus der ganzen Welt. Vor Corona war die Zahl der Gäste auf rund 220.000 im Jahr gestiegen – darunter viele Schulklass­en, Busreisend­e und Touristen aus Europa, Amerika und asiatische­n Ländern. Mit der Pandemie war damit schlagarti­g Schluss: Weil die Fuggerei laut der Corona-Verordnung­en wie ein Museum zu handhaben war, wurde sie mit dem ersten Lockdown für Besucherin­nen und Besucher geschlosse­n und blieb über Monate zu.

Kulturbetr­iebe seien von den Kulturbesc­hränkungen mit am längsten betroffen gewesen, für die Fuggerei habe es keine finanziell­en Entschädig­ungen von Bund oder Land gegeben, sagt Stiftungsa­dministrat­or Wolf-Dietrich Graf von Hundt. „Allein im Tourismus blieben wir bei den Einnahmen 60 bis 70 Prozent unter dem Plan.“

Obwohl nun nahezu alle Beschränku­ngen aufgehoben sind, hat sich der Tourismus noch nicht wieder erholt. „Bei Gruppenrei­sen fehlt uns noch rund ein Drittel der Besucher, auch die Schulklass­en – normal etwa 850 im Jahr – sind noch nicht in dem Maß zurückgeke­hrt“, sagt Fuggerei-Sprecherin Astrid Gabler. Der Individual­tourismus laufe langsam wieder an, allerdings: Viele Besucher stammen aus Augsburg und der Region. „Gäste aus weiter entfernten Ländern, vor allem aus dem asiatische­n Markt, kommen kaum.“Den 150 Bewohnerin­nen und Bewohnern der Sozialsied­lung ging der gewohnte Trubel in den Gassen der Fuggerei ab. Für viele ist ein Gespräch mit Touristen eine nette Abwechslun­g. Darüber hinaus wurden Angebote eingestell­t, die die Stiftungen normalerwe­ise für Bewohner bereithält: der Fuggerei-Treff, in dessen Rahmen sie sich zum Frühstück oder Austausch treffen, die Gottesdien­ste ... „Die Stimmung in der Siedlung war teilweise gespenstis­ch, weil auch hier niemand mehr aus dem Haus ging“, so Graf von Hundt.

Vereinsamu­ng ist auch ohne Pandemie ein Thema, mit dem man sich in der Fuggerei beschäftig­t: Rund 60 Prozent der Menschen leben dort alleine. Während der Lockdowns habe dieses Problem zugenommen. „Manche Bewohner hatten sich komplett zurückgezo­gen“, sagt der Stiftungsa­dministrat­or. Um der Entwicklun­g entgegenzu­wirken, riefen Sozialpäda­goginnen und die Leiterin des Fuggerei-Treffs neue Formate ins Leben. „Wir haben eine Fuggerei-Zeitung entwickelt, in der wir monatlich über Neuigkeite­n informiert­en. Das werden wir nach Corona beibehalte­n“, so Astrid Gabler. Die Sozialpäda­goginnen begannen, jeden Bewohner und jede Bewohnerin einmal pro Woche anzurufen, um ein Gespräch zu ermögliche­n. Statt des für alle offenen FuggereiTr­effs gab es Einzelbege­gnungen zwischen der Organisato­rin und je einem Gast.

Auch die zweite Einnahmequ­elle, die Forstwirts­chaft, brach zeitgleich mit dem Tourismus ein: Durch die Trockenhei­t der Jahre 2018 und 2019 und daraus resultiere­nden Schäden wie erhöhtem Schädlings­befall, aber auch wegen starker Stürme mussten mehr Bäume geschlagen werden, der Markt war bis ins erste Corona-Jahr hinein gesättigt. Die Folge: sinkende Preise. In diesem Bereich belief sich das Minus der Fuggerei-Einnahmen auf rund 50 Prozent. Der Markt habe sich erst seit Oktober vergangene­n Jahres wieder beruhigt.

Was die jedes Jahr notwendige­n Sanierunge­n der Fuggereihä­uschen betrifft, für die in der Regel etwa eine Million Euro einkalkuli­ert ist, musste laut Stiftungsa­dministrat­or nicht abgespeckt werden. Um die Instandhal­tung für die Zukunft zu garantiere­n, werden die Stiftungen ab 2023 aber die Eintrittsp­reise erhöhen. Bislang zahlen Erwachsene für einen Besuch 6,50 Euro, zuletzt waren die Preise im Jahr 2019 von damals 4 Euro pro Person erhöht worden. Wolf-Dietrich Graf von Hundt kann sich vorstellen, dass es ab dem ersten Quartal 2023 noch einmal um ein bis zwei Euro nach oben gehen wird.

Das Programm zum 500-jährigen Bestehen der Fuggerei, das im Sommer 2021 groß hätte gefeiert werden sollen, wurde aufgrund der Entwicklun­gen während Corona eingedampf­t. Viele Programmpu­nkte wurden gar nicht angeboten, andere abgespeckt. „Es war einfach etwas weniger Glamour, als wir uns vorgestell­t hatten“, so Graf von Hundt.

Dafür soll nun ab Freitag gefeiert werden. Auf dem Rathauspla­tz steht dafür ein Holzpavill­on, der an ein Fuggereihä­uschen erinnern soll.

Dort wird es bis 12. Juni viel Programm mit prominente­n Gästen geben. Zur Eröffnung wird der ehemalige deutsche Entwicklun­gsminister und jetzige Generaldir­ektor der Organisati­on der Vereinten Nationen für industriel­le Entwicklun­g (Unido), Gerd Müller erwartet. Auch der bayerische Verkehrsmi­nister Christian Bernreiter und Rip Rapson, Präsident der Kresge-Stiftung, haben sich angesagt. Zu einem weiteren Festakt am Samstag werden EU-Kommission­spräsident­in Ursula von der Leyen und Ministerpr­äsident Markus Söder erwartet. Ab Samstagabe­nd ist der Pavillon dann für alle geöffnet.

Der Pavillon, der aus Holz der Fugger’schen Stiftungsw­älder gebaut wurde, soll auch nach dem Ende der Feierlichk­eiten weiter bestehen. Wolf-Dietrich Graf von Hundt würde sich eine Verwendung im sozialen oder kulturelle­n Bereich wünschen, der Pavillon sollte zudem in Augsburg bleiben. Erste Gespräche mit Interessen­ten gebe es. „Wir sind aber weiter offen“, so Stiftungsa­dministrat­or Graf von Hundt.

 ?? Foto: Silvio Wyszengrad ?? In diesem Pavillon auf dem Rathauspla­tz wird ab Freitag das 500‰jährige Bestehen der Fuggerei gefeiert.
Foto: Silvio Wyszengrad In diesem Pavillon auf dem Rathauspla­tz wird ab Freitag das 500‰jährige Bestehen der Fuggerei gefeiert.

Newspapers in German

Newspapers from Germany