Die Dillinger Firma Wetzel feiert ihren 75. Geburtstag
Die Feinbäckerei beliefert mit ihrer Oblaten- und Waffelproduktion ganz Süddeutschland. Mit einem Waffeleisen fing nach dem Krieg alles an.
Könnte die Zeit zwischen dem 6. und 14. Oktober die süßeste Phase des Jahres in Dillingen werden? Die Chance besteht, denn an diesen Tagen findet eine Aktionswoche mit Sonderangeboten der Karlsbader Oblaten- und Waffelfabrik Wetzel statt. Die Festtage für Waffelfeinschmecker wie Naschkatzen stehen im Rahmen des 75. Firmenjubiläums an, denn so lange schon gibt es die leckeren Produkte aus dem Hause Wetzel.
Im Mittelpunkt: die kreisrunde, knusprige Oblate mit ihrer typischen Brunnen-Prägung und der
„Manchmal duftet die ganze Straße nach uns.“
Geschäftsführerin Karolina Ernst
goldgelben Farbe. Die feine Gebäckspezialität besteht im Fall der „Original“-Version aus zwei hauchdünnen Oblaten, die mit Zucker, ausgelassener Butter, gerösteten Haselnüssen und Mandeln gefüllt und dann nochmals gebacken wurden. Dadurch erhalten sie ihr unvergleichliches Aroma. Und eignen sich damit hervorragend als Dessert zum Kaffee, als Eisgebäck oder einfach nur zum Genießen. Apropos: Ob Nuss mit Genuss, feinster Nugat-Creme oder Mandeln, Zitronen, Füllungen mit Limonen oder Aprikose-Maracuja und Amaretto sowie Vanille – so verschieden wie die Geschmäcker fallen auch die Oblaten- und Waffelkreationen der Firma an der Austraße 5 aus. „Manchmal duftet die ganze Straße nach uns“, scherzt
Geschäftsführerin Karolina Ernst, als es durch die Gänge des Familienunternehmens mit seinen etwa 50 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern geht. Eine Zimtwolke durchstreicht den Raum und der andere Geschäftsführer, Rainer Baur, erklärt, warum: „Dort stehen Blechbehälter für die Winter-Oblaten.“Gemeint sind die dünnen Waffeln
mit Zucker, Butter, Haselnüssen, Mandeln und winterlichen Gewürzen. Sie sind nur von September bis Dezember zu haben.
Die Anfänge des Unternehmens, das es seit 1948 in Dillingen gibt, waren alles andere als harmonisch, denn darin spiegeln sich die Wirren der deutschen Zeitgeschichte. Die 2019 verstorbene Dillinger
Ehrenbürgerin Marlene Wetzel-Hackspacher hatte nach dem Krieg das Schicksal der Vertreibung erlitten. Auf ihrer Flucht von Marienbad nach Zöschingen, der Heimat ihres ersten Mannes Rudolf Wetzel, nahm die Konditorin im Kinderwagen ein 15 Kilogramm schweres Waffeleisen mit – die Initialzündung für die heutigen
Karlsbader Oblaten aus Dillingen. Neben den Dillinger Busserln und dem Waffelbruch ist die Firma Wetzel gerade wegen dieser Oblaten überregional bekannt.
Um die Karlsbader Oblaten aus Dillingen drehte sich allerdings ein jahrelanger Rechtsstreit bei der Europäischen Union in Brüssel. Der Firma Wetzel sollte verboten werden, Karlsbader Oblaten zu verkaufen, weil diese ja nicht im heutigen Tschechien produziert werden. Dagegen zog der langjährige Geschäftsführer Hans Hackspacher, der 2017 verstorbene Sohn der Firmengründerin, juristisch zu Felde. Politiker schalteten sich ein, von einer „zweiten Vertreibung“war die Rede, wenn Wetzel keine Karlsbader Oblaten mehr verkaufen dürfe. Seit 2016 ist der Rechtsstreit beendet. Die Firma Wetzel darf als einziger Hersteller in Deutschland Karlsbader Oblaten backen und sie unter dieser Bezeichnung verkaufen. Es ist allerdings ein Kompromiss: Im europäischen Ausland bietet das Dillinger Unternehmen die Waffeln als Wetzel Oblaten an.
In der Dillinger Wirtschaftswelt ist Karlsbader Oblaten- und Waffelfabrik Wetzel eine feste Größe. Heute verlassen nach Angaben des Geschäftsführers Rainer Baur bis zu 14.000 Produkte täglich das Werk. Beliefert wird hauptsächlich der Handel in Süddeutschland. Der Shop in der Austraße 5 ist ein Magnet, Kunden und Kundinnen kaufen dort gerne auch ganze Präsentkörbe ein. Hinter dem beständigen Erfolgsrezept der Traditions-Oblate sieht Geschäftsführer Baur dies: „Schmeckt gut, gut gemacht.“
Wenn die Vorweihnachtszeit kommt, sind die Karlsbader Oblaten ganz besonders gefragt. Seit einigen Jahren hat die Firma Wetzel zusammen mit der Stadt Dillingen eine Aktion für die Kartei der Not, das Leserhilfswerk unserer Zeitung, gestartet. Die Oblaten gibt es dann in einer Dillingen-Dose, auf der die Silhouette und das Wappen der Kreisstadt zu sehen sind. Ein Euro pro Dose gehen dabei an die Kartei. So kam bereits eine beachtliche Spendensumme für das Leserhilfswerk zusammen.