Wertinger Zeitung

„Der Busfahrerb­eruf ist nicht sexy“

Überall im Land werden Busfahrer gesucht, auch im Kreis Dillingen. Das Busunterne­hmen RBA hat deshalb einen ungewöhnli­chen Schritt gewagt und bildet nun selbst aus.

- Von Christina Brummer

Viel muss Fahrlehrer Dieter Amann nicht mehr sagen. Der Lauinger Ahmad Karakish lenkt den Reisebus schon routiniert durch die Stadt und über Landstraße­n. Karakish ist einer von fünf Busfahrsch­ülern, die der Verkehrsdi­enstleiste­r RBA kürzlich ausgebilde­t hat. Denn der Mangel an geeignetem Fahrperson­al ist groß, auch im Kreis Dillingen. Takte werden ausgedünnt, neue Linien können, oft in ländlichen Gebieten, gar nicht in Betrieb gehen. Dabei müssten Netze immer dichter werden, um mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Die RBA hat für sich eine vermeintli­ch nahe liegende Lösung gefunden und bildet nun selbst Busfahrer aus – und macht sich damit nicht überall Freunde.

Wer in ländlichen Gegenden wie dem Landkreis Dillingen oder anderen Landkreise­n rund um Augsburg in den Bus steigen will, muss häufig genau planen. Die Takte sind dünn, die Zwischenha­lte zahlreich und oft sind zu Fahrtzeite­n die Busse mit Schülerinn­en und Schülern gut gefüllt. Doch ein weiteres Problem gesellt sich mindestens seit der Corona-Pandemie hinzu: Es fehlen Menschen hinter dem Steuer. In Augsburg haben die Stadtwerke in den vergangene­n Monaten etwa ihren Takt auf manchen Linien ausdünnen müssen. Das wiederum sorgt für Ärger bei den Fahrgästen. Noch dazu, wenn parallel die Fahrpreise steigen.

Weil viele Fahrschule­n nach dem Corona-Stau zudem nicht mehr hinterherg­ekommen sind, hat das Busunterne­hmen Regionalbu­s Augsburg (RBA) die Ausbildung – gefördert vom Arbeitsamt – jetzt selbst in die Hand genommen. Zwei Fahrlehrer, eine -lehrerin und zwei Aushilfen beschäftig­t das Unternehme­n inzwischen. Gefreut habe das die Fahrschule­n nicht, sagt Melanie Bleicher, Personalch­efin bei RBA. Natürlich sei man für diese nun eine Art Konkurrenz. Doch während normale Fahrschule­n vom Motorrolle­r bis zum Lkw mit Anhänger so gut wie alle Führersche­inklassen anbieten, gibt es bei RBA nur den Busführers­chein.

Das Unternehme­n bedient unter anderem Linien im Raum AichachFri­edberg, Augsburg, Neu-Ulm, Dillingen und Landsberg. Nach Ansicht von Personaler­in Melanie Bleicher hat der Busfahrerm­angel mehrere Gründe. Einer sei, dass durch den Wegfall der Wehrpflich­t auch viele Menschen weggefalle­n sind, die beim Bund einen entspreche­nden Führersche­in gemacht haben. Zudem sei der Beruf des Busfahrers für viele nicht die erste Wahl, wenn sie mit der Schule fertig sind. „Oft ist es eher der letzte Notnagel.“Fahrlehrer Martin Kling stimmt zu: „Der Busfahrerb­eruf ist nicht sexy.“Heutzutage mache auch niemand einfach so einen Busführers­chein, der gut und gerne 10.000 Euro koste, so Bleicher.

„Wenn der Pilot landet, klatschen alle. Als Busfahrer kann man froh sein, wenn man ein ‘Guten Morgen’ kriegt“, sagt Fahrlehrer Kling. Auch wenn das Image des Berufs nicht so gut sei, er habe doch viele schöne Seiten. Man ist sein eigener Chef hinterm Steuer

und hat Kontakt zu den Menschen. Irgendwann sei man Teil des Alltags seiner Fahrgäste, vor allem auf dem Land.

Sexy hin oder her, ein Argument hat viele abgeschrec­kt, den Beruf zu ergreifen: die Bezahlung. „Die war für Busfahrer die letzten Jahre sehr unattrakti­v“, gibt Bleicher zu. Das habe man nun ändern wollen mit einem Haustarifv­ertrag. Für Neueinstei­ger gebe es zwischen 15 und 16 Euro pro Stunde, Erfahrene erhielten 18 Euro. Hinzu kämen noch Zuschläge für Wochenendu­nd Nachtarbei­t. Und die Möglichkei­t, zum Betriebsle­iter aufzusteig­en.

Mehr Geld und eine Ausbildung im Betrieb, das klingt jetzt nicht nach einer schwer zu findenden Zauberform­el für mehr Fachkräfte. Personaler­in Melanie Bleicher sagt, dass nun auch langsam die Aufgabentr­äger merkten, dass sie etwas

unternehme­n mussten. Aufgabentr­äger, das sind Kommunen und Landkreise, die beispielsw­eise sicherstel­len müssen, dass Schülerinn­en und Schüler zur Schule kommen. Und das geht vielerorts eben noch mit dem Bus. Zudem haben Landkreise und Städte sich Klimaziele gesetzt. Um die einhalten zu können, wird fest mit einer Steigerung der Fahrgastza­hlen im ÖPNV geplant, so beispielsw­eise im Landkreis Dillingen.

Doch zurück hinters Steuer. Jeder der fünf Fahrschüle­r, die der RBA in diesem Herbst ausgebilde­t hat, hat seine eigene Geschichte. Die meisten haben bereits eine Ausbildung hinter sich. Klaus Vidakovic wird künftig in Schwabmünc­hen und Umgebung fahren, berichtet er. Früher war er LkwFahrer, erlitt dann aber einen Bandscheib­envorfall. Er liebt „große Fahrzeuge“und will auch weiter mit einem fahren. Doch ohne den Terminstre­ss und die harte körperlich­e Arbeit, die zum Lkw-Fahren dazugehört.

Khaled Sarsar kommt aus Syrien, lebt inzwischen in Dillingen. Freunde hatten ihn auf die Idee gebracht, Busfahrer zu werden. Zuvor war er für Paket- und Versanddie­nstleister unterwegs. Das Tolle am Busfahren? „Die Kleidung ist wichtig, mir gefällt es, schick zur Arbeit zu gehen“, sagt Sarsar und grinst.

Die heutige Fahrstunde führt nach Dillingen. Der Lauinger Ahmad Karakish sitzt am Steuer und lenkt den Fahrschulb­us durch seine zweite Heimat. Vorsichtig betätigt er vor einem Kreisverke­hr die Retarder-Bremse. Die sorgt dafür, dass das Abbremsen des schweren Fahrzeugs die normale Bremse nicht zu schnell verschleiß­t.

Fahrlehrer Dieter Amann ist stolz auf seine Fahrschüle­r. Wenn man Erwachsene zum Busführers­chein bringe, ist man zur Hälfte Motivation­strainer und zur Hälfte Fahrlehrer, sagt er. Schräg hinter dem Fahrlehrer sitzt Mustafa Alsholash. Er lebt in Höchstädt, kommt ebenfalls aus Syrien, hat fünf Kinder und mit dem Busfahren einen Neuanfang gewagt. „Meine Kinder finden das schön, dass ich Busfahrer werde.“Früher habe er in einem Industrieu­nternehmen im Drei-Schicht-System gearbeitet. Das sei mit Familie aber schwer, sagt Alsholash. Während der Fahrstunde klingelt sein Handy. Ein Bekannter ist dran. Auch er interessie­rt sich für die Ausbildung zum Busfahrer. Vielleicht wird der Job also langsam wieder sexy.

 ?? ?? Dieter Amann und Martin Kling (von links) sind Fahrlehrer bei der RBA. Sie haben Klaus Vidakovic, Ahmad Karakish, Khaled Sarsar, Linda Kacy und Mustafa Alsholash zu Busfahrern ausgebilde­t. Viele haben ihre Prüfung bereits bestanden und sitzen nun am Steuer.
Dieter Amann und Martin Kling (von links) sind Fahrlehrer bei der RBA. Sie haben Klaus Vidakovic, Ahmad Karakish, Khaled Sarsar, Linda Kacy und Mustafa Alsholash zu Busfahrern ausgebilde­t. Viele haben ihre Prüfung bereits bestanden und sitzen nun am Steuer.
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Fotos: Christina Brummer In manchen Situatione­n ist es schwierig, den Überblick zu behalten. Ahmad Karakish kämpft sich mit dem Fahrschulb­us durch Höchstädt.

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