„Der Busfahrerberuf ist nicht sexy“
Überall im Land werden Busfahrer gesucht, auch im Kreis Dillingen. Das Busunternehmen RBA hat deshalb einen ungewöhnlichen Schritt gewagt und bildet nun selbst aus.
Viel muss Fahrlehrer Dieter Amann nicht mehr sagen. Der Lauinger Ahmad Karakish lenkt den Reisebus schon routiniert durch die Stadt und über Landstraßen. Karakish ist einer von fünf Busfahrschülern, die der Verkehrsdienstleister RBA kürzlich ausgebildet hat. Denn der Mangel an geeignetem Fahrpersonal ist groß, auch im Kreis Dillingen. Takte werden ausgedünnt, neue Linien können, oft in ländlichen Gebieten, gar nicht in Betrieb gehen. Dabei müssten Netze immer dichter werden, um mehr Menschen zum Umsteigen zu bewegen. Die RBA hat für sich eine vermeintlich nahe liegende Lösung gefunden und bildet nun selbst Busfahrer aus – und macht sich damit nicht überall Freunde.
Wer in ländlichen Gegenden wie dem Landkreis Dillingen oder anderen Landkreisen rund um Augsburg in den Bus steigen will, muss häufig genau planen. Die Takte sind dünn, die Zwischenhalte zahlreich und oft sind zu Fahrtzeiten die Busse mit Schülerinnen und Schülern gut gefüllt. Doch ein weiteres Problem gesellt sich mindestens seit der Corona-Pandemie hinzu: Es fehlen Menschen hinter dem Steuer. In Augsburg haben die Stadtwerke in den vergangenen Monaten etwa ihren Takt auf manchen Linien ausdünnen müssen. Das wiederum sorgt für Ärger bei den Fahrgästen. Noch dazu, wenn parallel die Fahrpreise steigen.
Weil viele Fahrschulen nach dem Corona-Stau zudem nicht mehr hinterhergekommen sind, hat das Busunternehmen Regionalbus Augsburg (RBA) die Ausbildung – gefördert vom Arbeitsamt – jetzt selbst in die Hand genommen. Zwei Fahrlehrer, eine -lehrerin und zwei Aushilfen beschäftigt das Unternehmen inzwischen. Gefreut habe das die Fahrschulen nicht, sagt Melanie Bleicher, Personalchefin bei RBA. Natürlich sei man für diese nun eine Art Konkurrenz. Doch während normale Fahrschulen vom Motorroller bis zum Lkw mit Anhänger so gut wie alle Führerscheinklassen anbieten, gibt es bei RBA nur den Busführerschein.
Das Unternehmen bedient unter anderem Linien im Raum AichachFriedberg, Augsburg, Neu-Ulm, Dillingen und Landsberg. Nach Ansicht von Personalerin Melanie Bleicher hat der Busfahrermangel mehrere Gründe. Einer sei, dass durch den Wegfall der Wehrpflicht auch viele Menschen weggefallen sind, die beim Bund einen entsprechenden Führerschein gemacht haben. Zudem sei der Beruf des Busfahrers für viele nicht die erste Wahl, wenn sie mit der Schule fertig sind. „Oft ist es eher der letzte Notnagel.“Fahrlehrer Martin Kling stimmt zu: „Der Busfahrerberuf ist nicht sexy.“Heutzutage mache auch niemand einfach so einen Busführerschein, der gut und gerne 10.000 Euro koste, so Bleicher.
„Wenn der Pilot landet, klatschen alle. Als Busfahrer kann man froh sein, wenn man ein ‘Guten Morgen’ kriegt“, sagt Fahrlehrer Kling. Auch wenn das Image des Berufs nicht so gut sei, er habe doch viele schöne Seiten. Man ist sein eigener Chef hinterm Steuer
und hat Kontakt zu den Menschen. Irgendwann sei man Teil des Alltags seiner Fahrgäste, vor allem auf dem Land.
Sexy hin oder her, ein Argument hat viele abgeschreckt, den Beruf zu ergreifen: die Bezahlung. „Die war für Busfahrer die letzten Jahre sehr unattraktiv“, gibt Bleicher zu. Das habe man nun ändern wollen mit einem Haustarifvertrag. Für Neueinsteiger gebe es zwischen 15 und 16 Euro pro Stunde, Erfahrene erhielten 18 Euro. Hinzu kämen noch Zuschläge für Wochenendund Nachtarbeit. Und die Möglichkeit, zum Betriebsleiter aufzusteigen.
Mehr Geld und eine Ausbildung im Betrieb, das klingt jetzt nicht nach einer schwer zu findenden Zauberformel für mehr Fachkräfte. Personalerin Melanie Bleicher sagt, dass nun auch langsam die Aufgabenträger merkten, dass sie etwas
unternehmen mussten. Aufgabenträger, das sind Kommunen und Landkreise, die beispielsweise sicherstellen müssen, dass Schülerinnen und Schüler zur Schule kommen. Und das geht vielerorts eben noch mit dem Bus. Zudem haben Landkreise und Städte sich Klimaziele gesetzt. Um die einhalten zu können, wird fest mit einer Steigerung der Fahrgastzahlen im ÖPNV geplant, so beispielsweise im Landkreis Dillingen.
Doch zurück hinters Steuer. Jeder der fünf Fahrschüler, die der RBA in diesem Herbst ausgebildet hat, hat seine eigene Geschichte. Die meisten haben bereits eine Ausbildung hinter sich. Klaus Vidakovic wird künftig in Schwabmünchen und Umgebung fahren, berichtet er. Früher war er LkwFahrer, erlitt dann aber einen Bandscheibenvorfall. Er liebt „große Fahrzeuge“und will auch weiter mit einem fahren. Doch ohne den Terminstress und die harte körperliche Arbeit, die zum Lkw-Fahren dazugehört.
Khaled Sarsar kommt aus Syrien, lebt inzwischen in Dillingen. Freunde hatten ihn auf die Idee gebracht, Busfahrer zu werden. Zuvor war er für Paket- und Versanddienstleister unterwegs. Das Tolle am Busfahren? „Die Kleidung ist wichtig, mir gefällt es, schick zur Arbeit zu gehen“, sagt Sarsar und grinst.
Die heutige Fahrstunde führt nach Dillingen. Der Lauinger Ahmad Karakish sitzt am Steuer und lenkt den Fahrschulbus durch seine zweite Heimat. Vorsichtig betätigt er vor einem Kreisverkehr die Retarder-Bremse. Die sorgt dafür, dass das Abbremsen des schweren Fahrzeugs die normale Bremse nicht zu schnell verschleißt.
Fahrlehrer Dieter Amann ist stolz auf seine Fahrschüler. Wenn man Erwachsene zum Busführerschein bringe, ist man zur Hälfte Motivationstrainer und zur Hälfte Fahrlehrer, sagt er. Schräg hinter dem Fahrlehrer sitzt Mustafa Alsholash. Er lebt in Höchstädt, kommt ebenfalls aus Syrien, hat fünf Kinder und mit dem Busfahren einen Neuanfang gewagt. „Meine Kinder finden das schön, dass ich Busfahrer werde.“Früher habe er in einem Industrieunternehmen im Drei-Schicht-System gearbeitet. Das sei mit Familie aber schwer, sagt Alsholash. Während der Fahrstunde klingelt sein Handy. Ein Bekannter ist dran. Auch er interessiert sich für die Ausbildung zum Busfahrer. Vielleicht wird der Job also langsam wieder sexy.