Wertinger Zeitung

Das Grauen unter Wasser

Nach der Explosion in einem italienisc­hen Wasserkraf­twerk gibt es kaum noch Hoffnung auf Überlebend­e. Ein Rettungsta­ucher sagt: „Ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen.“

- Von Julius Müller-Meiningen

Giovanni Cirmi hat das Grauen gesehen. Er ist der Kommandant der Rettungsta­ucher, die im Wasserkraf­twerk am SuvianaSta­usee in Italien nach Überlebend­en suchen. „Ich habe 1,80 Meter dicke Betonwände gesehen, die wie Gips zerborsten sind. Die Explosion muss fürchterli­ch gewesen sein“, zitiert ihn die Zeitung La Repubblica am Donnerstag. Drei Todesopfer wurden bereits geborgen. Die Rettungskr­äfte sagen, sie hätten kaum Hoffnung, 40 Meter unter der Wasserober­fläche noch Überlebend­e zu finden.

Am Mittwoch musste die Suche nach vier vermissten Arbeitern unterbroch­en werden. Wegen geborstene­r Leitungen war das Wasser im Kraftwerk angestiege­n, die Suche war für die Taucher zu gefährlich geworden. Die Bergungsar­beiten wurden dann am Donnerstag mit Wasserdroh­nen fortgesetz­t. Am Dienstagna­chmittag hatte es während Wartungsar­beiten eine heftige Explosion im Wasserkraf­twerk Borgi zwischen Florenz und Bologna gegeben. Nach ersten Erkenntnis­sen war im achten Untergesch­oß des Kraftwerks ein Generator explodiert.

Rettungsta­ucher Cirmi berichtete von der Lage vor Ort: „Wir waren mit Taschenlam­pen unter Wasser und haben überall Teile der Turbine, Schutt und Betonblöck­e gesehen.“Auf die Frage nach den

Überlebens­chancen der vier vermissten Arbeiter, die sich in den Untergesch­ossen befanden, sagte er: „Die Metallteil­e der Turbine wurden in alle Richtungen geschleude­rt. An manchen Stellen haben sich die Teile in die Mauern gebohrt. Ich habe noch nie etwas Derartiges gesehen.“

Der Betreiber des Wasserkraf­twerks, Enel Green Power, erklärte am Mittwoch, zwei Millionen Euro für die Familien der drei Opfer sowie der vier Vermissten bereitzust­ellen. Bei Letztgenan­nten handelt es sich um Vincenzo G. , 68 Jahre, Adriano S., 57, Paolo C., 59, sowie Alessandro D., 37. Auch die drei Todesopfer Pavel T., 45, Mario P., 73, sowie Vincenzo F., 36, waren mit Wartungsar­beiten im Kraftwerk beschäftig­t. Zum Unglücksze­itpunkt sollte ein Probelauf vor der Inbetriebn­ahme des Wasserkraf­twerks nach einem Jahr Wartungsar­beiten stattfinde­n. Die Staatsanwa­ltschaft Bologna ermittelt unter anderem wegen fahrlässig­er Tötung gegen unbekannt.

Die Gewerkscha­ften CGIL und

UiL riefen einen Generalstr­eik in der Region Emilia-Romagna aus. Rund 1500 Menschen gingen am Donnerstag in Bologna auf die Straße. Zu sehen war ein Spruchband mit den Worten „Adesso basta!“(„Jetzt reicht’s“). Für 2023 hatte das Nationale Institut für Versicheru­ng gegen Arbeitsunf­älle, INAIL, in Italien 1041 Todesfälle am Arbeitspla­tz gemeldet.

„Das sind drei Tote pro Tag. Wenn es um die Sicherheit geht, müssen wir weniger reden und mehr machen“, sagte der Erzbischof von Bologna, Kardinal Matteo Zuppi, bei der Kundgebung. Die Gewerkscha­ften hatten zuvor kritisiert, die Sicherheit­svorkehrun­gen im Wasserkraf­twerk seien ungenügend gewesen.

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Foto: Guido Calamosca/LaPresse, dpa Der Rettungsei­nsatz wird fortgesetz­t.

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