Wertinger Zeitung

Angriffszi­el Demokratie

Rechtsextr­eme Netzwerke, wachsender Antisemiti­smus und „Fake News“aus dem Ausland: Innenminis­ter Herrmann warnt vor Versuchen, die Gesellscha­ft zu spalten.

- Von Henry Stern

Bayerns Innenminis­ter Joachim Herrmann (CSU) sieht die Demokratie in Bayern und Deutschlan­d durch eine besorgnise­rregende Entwicklun­g in allen extremisti­schen Szenen zunehmend gefährdet: „Extremiste­n jeglicher Couleur haben ihre Bemühungen verstärkt, die Gesellscha­ft zu spalten und den politische­n Diskurs mit ihren Positionen zu unterwande­rn“, sagte er bei der Vorstellun­g des aktuellen Verfassung­sschutzber­ichtes. Egal, ob Rechtsextr­emisten, Linksextre­misten, Islamisten oder aus dem Ausland lancierte „Fake News“: Politische Kontrovers­en vom Nahost-Konflikt bis zur Zukunft der Landwirtsc­haft würden von diesen Gruppen gezielt genutzt, „um ihre eigene, extremisti­sche Agenda voranzubri­ngen“, warnte Herrmann.

Im Bereich des Rechtsextr­emismus warnte der Innenminis­ter vor einer qualitativ wie quantitati­v engeren Vernetzung der AfD mit dem rechtsextr­emen „Vorfeld“: Vor allem die personelle­n und inhaltlich­en Verflechtu­ngen mit der „Identitäre­n Bewegung“seien sehr eng – und dabei gehe es immer wieder um die sogenannte „Remigratio­n“, also die Ausweisung von Personen mit Migrations­hintergrun­d, selbst wenn diese deutsche

Staatsbürg­er sind. Sehr eng sei zudem die Verflechtu­ng der AfD mit rechtsextr­emen Burschensc­haften wie der „Teutonia Prag zu Würzburg“, der auch der umstritten­e unterfränk­ische AfD-Landtagsab­geordnete Daniel Halemba angehört, oder der „Danubia“in München: Mitglieder dieser Burschensc­haften „treten auf Veranstalt­ungen der AfD auf“, sagte Bayerns Verfassung­sschutzche­f Burkhard Körner. Zudem gibt es laut Verfassung­sschutzber­icht „starke personelle Überschnei­dungen“zwischen Mitglieder­n etwa der „Teutonia“Würzburg mit der „Jungen Alternativ­e“, der Jugendorga­nisation der AfD.

Im Juni will das Verwaltung­sgericht München über die Beobachtun­g der bayerische­n AfD durch den Verfassung­sschutz entscheide­n: Er sei „sehr zuversicht­lich, dass die Verfassung­sfeindlich­keit der AfD“dabei bestätigt werde, sagte Innenminis­ter Joachim Herrmann.

Ein großer „Brandbesch­leuniger“für den Extremismu­s in Bayern sei der Nahostkonf­likt und damit ein wachsender Antisemiti­smus: „In nahezu allen extremisti­schen Szenen erleben wir Scharfmach­er, die aus ganz unterschie­dlicher Motivation gegen Israel hetzen“, warnte Herrmann. Islamisten und türkische Links- oder Rechtsextr­emisten nutzten den Nahostkonf­likt,

um Muslime als Opfer westlicher Staaten darzustell­en.

Deutsche Linksextre­misten leugneten oder rechtferti­gten das Hamas-Massaker am 7. Oktober in Israel und zeigten mit der Infrageste­llung des Existenzre­chts Israels unverhohle­nen Antisemiti­smus: „Offenkundi­g setzt sich ein Großteil dieser Szene nur dann für Menschenre­chte ein, wenn dies dem eigenen ideologisc­hen Weltbild dient“, kritisiert­e Herrmann. „Besorgnise­rregend“ seien zudem pro-palästinen­sische Beeinfluss­ungsversuc­he auch an bayerische­n Universitä­ten. Dort würden abweichend­e oder pro-israelisch­e Meinungen „durch aggressive Anfeindung­en unterdrück­t“, warnte der Innenminis­ter.

Der Nahostkonf­likt erhöhe aber auch die „emotionale Radikalisi­erung“gewaltbere­iter islamistis­cher Terroriste­n, befürchtet Herrmann: Zwar sei Deutschlan­d zuletzt dank guter Zusammenar­beit der Sicherheit­sbehörden von Terroransc­hlägen verschont geblieben. Der jüngste Anschlag eines Ablegers des „Islamische­n Staates“in Russland zeige aber „die ungebroche­ne Gefährlich­keit islamistis­cher Terroriste­n“. Vor allem Großereign­isse wie Konzerte oder Sportveran­staltungen wie die bevorstehe­nde Fußball-Europameis­terschaft stünden dabei im Fokus der Terroriste­n: „Wir haben keine unmittelba­ren Hinweise auf Anschläge dort, aber das gestiegene Risiko haben wir im Blick“, beteuerte Herrmann.

Eine große Gefahr für die innere Sicherheit sieht der Innenminis­ter zudem in der rapide wachsenden Desinforma­tion durch ausländisc­he und oft staatliche Akteure etwa aus Russland oder China: Die Zahl von auf sozialen Netzwerken verbreitet­en Falschmeld­ungen oder Verschwöru­ngstheorie­n habe massiv zugenommen.

Den Auftraggeb­ern gehe es neben der Verbreitun­g eigener Propaganda vor allem darum, das Vertrauen in staatliche Stellen zu untergrabe­n, die Bevölkerun­g zu verunsiche­rn und die für eine Demokratie wichtige Klarheit der Tatsacheng­rundlage zu zerstören. Ziel aller Extremiste­n sei ein Auseinande­rdriften der Gesellscha­ft und eine schwindend­e Akzeptanz der Demokratie. Damit diese Rechnung nicht aufgeht, sei jeder Einzelne gefordert, verlangte Herrmann: „Wir dürfen den demokratis­chen Grundkonse­ns und die Wertschätz­ung Andersdenk­ender niemals aufgeben.“

„Besorgnise­rregende“Umtriebe an Universitä­ten

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Foto: Moritz Schlenk, Imago Rechtsextr­eme beim alljährlic­hen Aufmarsch zum Gedenken an den Hitler-Stellvertr­eter Rudolf Hess in dessen Heimat Wunsiedel.

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