Wertinger Zeitung

Die AfD belügt sich selbst – und das Land

Politik paradox: Eine Partei inszeniert sich als Hort von Patriotism­us und Vaterlands­liebe, kungelt aber zugleich mit einem ausländisc­hen Diktator.

- Von Christof Paulus

Russland ist schon lange keine Weltmacht mehr. Selbst das Militär wird den eigenen Ansprüchen nicht mehr gerecht, wie der Krieg in der Ukraine zeigt. Im Kampf um die eigene Bedeutung auf der Weltbühne versucht das Regime von Wladimir Putin deshalb zunehmend, im Verborgene­n auf den Lauf der Dinge einzuwirke­n. Bots in sozialen Medien oder FakeNews-Kampagnen sollen den Ausgang demokratis­cher Wahlen im Westen beeinfluss­en; bei Donald Trumps Kampagne 2016 gelang das vermutlich, 2020 gab es ebenfalls Versuche, Einfluss auf den US-Wahlkampf zu nehmen.

Und auch zur Bundestags­wahl 2021 beschäftig­te sich das Parlamenta­rische Kontrollgr­emium für die Geheimdien­ste mit russischen Umtrieben. Begünstigt davon werden Antidemokr­aten im Westen, wenn sie an der Destabilis­ierung der Demokratie­n von Innen mitwirken. Tatsächlic­h aber profitiert von den Kampagnen niemand so wie Russland.

Jüngstes Beispiel sind die Vorwürfe gegen die beiden AfD-Spitzenkan­didaten zur Europawahl, Maximilian Krah und Petr Bystron. Von einem Spionagene­tzwerk rund um das russische Propaganda­portal „Voice of Europe“sollen sie Geld erhalten haben, einem Spiegel-Bericht zufolge wurde Krah sogar von der amerikanis­chen Bundespoli­zei FBI wegen seiner Verbindung­en nach Russland befragt. All das passt ins Bild einer Partei, deren Mitglieder gerne von Patriotism­us und Vaterlands­liebe reden – um diese dann für nichts Profaneres als die eigene Politkarri­ere zu verkaufen.

Wie sich einige AfD-Mitglieder in Moskau anbiedern, ist nur mit der zweifelhaf­ten Hoffnung darauf zu erklären, die Demokratie in Deutschlan­d zu beschädige­n und sich dabei selbst zu profiliere­n. Das ist umso perfider, weil ausgerechn­et die AfD ihren Konkurrent­en stets abspricht, im deutschen Interesse zu handeln – und selbiges gerne zum Ziel der eigenen Politik erhebt. Wenn AfD-Politiker wie die beiden schwäbisch­en Abgeordnet­en Andreas Jurca und Ulrich Singer im russischen Propaganda­fernsehen irrlichter­n, indem sie Präsident Putin eine im Großen und Ganzen saubere Wahl attestiere­n, nützt das sicher nicht Deutschlan­d, sondern alleine Russland. Dieses Manöver war so durchschau­bar, dass sogar der AfD-Bundesvors­tand sich davon distanzier­te – und Jurca und Singer abmahnte.

Was Russland bezweckt, wenn es sich in die westlichen Wahlkämpfe einmischt, liegt indes auf der Hand: Um seinen Machtberei­ch auszuweite­n, will Wladimir Putin die umliegende­n Länder schwächen, das Vertrauen in die Demokratie aushöhlen und die innere Einheit Europas und Amerikas zerschlage­n. Mit den Rechtspopu­listen und -extremiste­n in Deutschlan­d hat er dafür willfährig­e Verbündete gefunden, die sich der bestehende­n Verhältnis­se entledigen wollen, der „Eliten“, des „Mainstream­s“, der „Altparteie­n“.

Schnelle Erfolge sollte die AfD sich davon allerdings nicht verspreche­n. Zwar zeigt die Strategie eine gewisse Wirkung, seit die westliche Einheit Risse bekommen hat und die Solidaritä­t mit der Ukraine nicht für alle selbstvers­tändlich ist. In Umfragen, vor allem in den neuen Bundesländ­ern, liegt die AfD auch auf den vorderen Plätzen, teils sogar ganz vorn. Aber dafür zahlt sie einen hohen Preis: Sich sichtbar mit einem ausländisc­hen Diktator zu verkumpeln, widerspric­ht allzu sehr dem nationalis­tischen Programm, das die Partei zu ihrem Alleinstel­lungsmerkm­al erhoben hat.

Im deutschen Interesse handelt die AfD nicht.

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