Wertinger Zeitung

Wie eine Gärtnerei für die Artenvielf­alt kämpft

2500 verschiede­ne Pflanzen gibt es bei der Staudengär­tnerei Gaißmayer. Manche sind Verkaufssc­hlager, andere kaum nachgefrag­t. Trotzdem würde der Chef sie nie aus dem Programm nehmen.

- Von Christina Heller-Beschnitt

Mit spitzen Fingern zieht Daniel Pfeiffer an einem Pflanzenst­ielchen. Die Blätter daran sind so groß wie Stecknadel­köpfe, die Wurzel kaum sichtbar. Das Pflänzchen stand eben noch in einem Blättchenm­eer in einer Schale. „Darin säen wir unsere Pflanzen aus“, sagt Pfeiffer. Die Pflanze, die er in der Hand hält, ist Zimbelkrau­t. Gesehen hat das Gewächs wohl jeder schon einmal. Es ist ein Mauerblümc­hen, gedeiht an steilen Staudämmen und blüht zwischen Stadtmauer-Ziegeln. Was es nicht ist: eine typische Gärtnereip­flanze wie Lavendel, Pfingstros­e oder Sonnenhut. Und doch gibt es das Mauerblümc­hen in der Staudengär­tnerei Gaißmayer bei Illertisse­n zu kaufen.

Deren Sortiment umfasst neben Gartenklas­sikern auch heimische Wildarten. Eine Besonderhe­it und ein Erfolgsfak­tor. Seit 44 Jahren gibt es die Gärtnerei. Wenn man so will, ist sie ein Ort, der gegen das Artensterb­en anarbeitet. Das macht nicht nur das Zimbelkrau­t deutlich, es wird auch sichtbar, wenn der Gärtnerei-Chef über das Gelände führt.

Vor knapp vier Jahren hat Pfeiffer die Leitung der Gärtnerei übernommen. Dieter Gaißmayer hatte sie 1980 gegründet und von Anfang an die Vision, nicht nur Stauden zu verkaufen, sondern auch Wissen zu vermitteln. Etwas, das noch heute spürbar ist. „Als ich herkam, war ich beeindruck­t von dem Wissen, das es im Unternehme­n gab und gibt“, sagt Pfeiffer. Dass er kam, liegt etwa 18 Jahre zurück. Damals hatte er sein Biologiest­udium abgebroche­n. „Ich wollte etwas Praktische­res machen.“Also fing er an, für die Staudengär­tnerei

zu arbeiten, machte seine Ausbildung und ist heute Chef von etwa 100 Mitarbeite­rinnen und Mitarbeite­rn. Die meisten von ihnen, sagt Pfeiffer, kämen, weil sie etwas Sinnhaftes tun möchten.

In einem der ersten Gewächshäu­ser auf dem Rundgang geht der Gärtnerei-Chef in die Hocke. Zuvor hat er über die 40 Sorten Minze gesprochen, die es gibt und die sie verkaufen. Die Sprössling­e wachsen in diesem Gewächshau­s. Ohne auf das Schild zu schauen, sagt Pfeiffer: „Das hier müsste die Verbene-Minze sein. Das lässt sich an der lanzettena­rtigen Blätterfor­m erkennen.“Er reibt eines der Blätter zwischen den Fingern und sagt dann: „Genau, die hat einen zitronigen Duft.“Wie das namensgebe­nde Eisenkraut.

Im Grunde, sagt Pfeiffer, machten sie nichts völlig anders als andere Staudengär­tnereien. Aber manches eben schon. „Wir sind zum Beispiel bio-zertifizie­rt. Viele fragen mich: Warum macht ihr das? Das ergibt doch nur Sinn für Essen.“Pfeiffer findet das nicht. „Wir sind seit Kurzem auch komplett torffrei.“Eine große Diskussion unter Gärtnern und Naturschüt­zern.

Pflanzener­den ist oft Torf beigemisch­t. Weil er Wasser speichert und den Wurzeln genug Luft gibt zum Wachsen, gilt er als gute Basis. Auch Pfeiffer sagt: „Er hat schon gute Eigenschaf­ten.“Und viele Nachteile. Torf gibt es nur in Hochmooren. Um ihn abzubauen, müssen die Moore trockengel­egt werden. Das setzt CO2 frei, das dort über Jahrhunder­te gespeicher­t wurde, und beschleuni­gt das Artensterb­en, weil viele Pflanzen, Tiere und Insekten nur in diesen Mooren leben können. Naturschüt­zer fordern seit Langem, auf Torf im Garten zu verzichten. „Laut Bio-Richtlinie­n dürften wir 30 Prozent Torf verwenden“, sagt Pfeiffer. „Aber wenn alle bei einem Drittel bleiben, hört es ja nie auf.“Deshalb haben sie experiment­iert. „Wir sind dabei auch gescheiter­t. Erst gerade mussten wir feststelle­n, dass sich Hanffasern weniger gut eignen, als wir dachten.“

Es geht in den Schaugarte­n. Dort wachsen alle Pflanzen, die es bei Gaißmayer gibt. Zur Zucht. Aber auch, um Kundinnen und Kunden zu zeigen, wie die Pflanzen aussehen, wo sie gedeihen. „Und wir haben hier die Möglichkei­t, alle Pflanzen zu beobachten. Welcher Standort ist richtig? Wie blüht sie? Das beschreibe­n wir so, wie es ist“, sagt Pfeiffer.

Der Weg führt vorbei an einem Tümpel, eine Ente watschelt vorbei. Auf der anderen Seite schillert ein Rosenkäfer in gelben Blüten. Insgesamt verkaufe die Gärtnerei etwa 2500 verschiede­ne Pflanzenso­rten und -arten, sagt Pfeiffer. Im Schaugarte­n wachsen rund 4000. „Manche verkaufen wir nicht mehr, andere testen wir aus.“Es gebe immer wieder neue Züchtungen. „Bevor wir die ins Programm aufnehmen, gucken wir, wie sie sind.“Unterschei­den sie sich von Sorten, die es schon gibt? Wie kommen sie mit welchen Bedingunge­n zurecht? „Bis wir dazu eine fundierte Aussage treffen können, dauert es.“

Viele der 2500 Pflanzen im Sortiment seien nicht stark nachgefrag­t. Würden sie rein wirtschaft­lich denken, wären sie schon längst aus dem Programm gestrichen. „Aber das wollen wir nicht. Lieber verkaufen wir nur eine kleine Stückzahl, aber bewahren die Pflanze und das Wissen über sie“, sagt Pfeiffer.

Am hinteren Rand der Gärtnerei stehen Gewächshäu­ser zusammen. Hier werden Pflanzen verpackt und verschickt. Etwa 70 Prozent des Umsatzes macht die Gärtnerei mit Onlinehand­el. Auf Rollwagen stehen Pflanzen in Kisten. Jede davon hat eine Nummer. Von dort kommen sie auf eine Band, Frauen polstern sie mit Stroh und Pappe und packen sie in Kartons. „Zwei Mal am Tag fährt der Post-Laster vor und holt die Waren ab“, sagt Pfeiffer.

Schon Ende der 90er-Jahre hätten sie mit dem Versandhan­del begonnen – und sich bis heute behauptet. „Ich glaube, das liegt daran, dass wir viele Stammkunde­n haben. Die Menschen wissen, bei uns bekommen sie das, was draufsteht“, sagt Pfeiffer.

Daniel Pfeiffer, auch das wird bei diesem Besuch klar, ist kein radikaler Naturgarte­n-Verfechter. Aber Natur- und Artenschut­z liegen ihm am Herzen.

Deshalb versuchen er und sein Team, den Kunden zu vermitteln, welche Pflanzen sie wohin setzen können, damit sie lange Freude daran haben. „Eine Pflanze muss nicht schön ausschauen, wenn man sie bei uns kauft. Sie muss im Garten schön werden“, sagt er zum Beispiel. „Ich hoffe, die Leute langweilen sich irgendwann in ihren steingraue­n und rasengrüne­n Gärten. Dass sie den Wunsch nach etwas Schönem bekommen. Nach Farbe. Niemand muss damit anfangen, besonders wertvolle Pflanzen anzupflanz­en. Sie sollen sich etwas aussuchen, dass ihnen gefällt und passt. Das ist doch immer noch besser als nur Rasen. Und nachhaltig­er.“

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Daniel Pfeiffer, Chef der Gärtnerei Gaißmayer: „Eine Pflanze muss nicht schön ausschauen, wenn man sie bei uns kauft. Sie muss im Garten schön werden.
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Fotos: Christina Heller-Beschnitt Welche Pflanzen auf dem Gärtnereig­elände stehen, wechselt nach Saison. Gerade ist Iris-Zeit.

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