Lauterbach wirft Bayern bei Cannabis Heuchelei vor
Feierabendjoint statt Feierabendbier – das ist jetzt legal. Doch die CSU torpediert die Freigabe durch zahlreiche Verbote. Aus Berlin kommt eine Ansage, aus München eine Replik.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat der bayerischen Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern „Heuchelei“bei Rauschmitteln wie Cannabis und Alkohol vorgeworfen. Angesprochen auf zahlreiche Verbote für öffentliches Kiffen wie beim Münchner Oktoberfest, sagte der SPD-Politiker in Berlin, damit werde Politik sehr unglaubwürdig gemacht. „Zum einen wird so getan, als wenn Bundesgesetze in Bayern nicht gelten würden. Und das ist – 75 Jahre Grundgesetz – nicht der Fall.“
„Zum Zweiten: Stichwort Heuchelei. Wenn dann mit Maßkrügen dieser Größe gearbeitet wird, und die Leute sind so betrunken, dass sie den Weg zur Toilette nicht mehr selbstständig schaffen, dann liegen die Betrunkenen quasi im Dreck, wenn man so will, dann käme es aus meiner Sicht auf den einen oder anderen Joint nicht mehr an“, sagte Lauterbach unter dem Beifall seiner Zuhörer.
Der Gesundheitsminister stellte sich beim Demokratiefest zu 75 Jahren Grundgesetz zusammen mit Landwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) den Fragen von Bürgerinnen und Bürgern zum Thema Cannabis. Özdemir warnte davor, mit zweierlei Maßstab zu messen. Über die Folgen hohen Alkoholkonsums für innerfamiliäre Gewalt, für das Gesundheitswesen oder für die eigene Gesundheit werde in der Gesellschaft viel zu wenig gesprochen. „Ich würde mir wünschen, dass diejenigen, die jetzt die ganz Zeit uns bei Cannabis kritisiert haben, zehn Prozent der Energie auf den Missbrauch von Alkohol verschwenden würden und darüber mal reden würden.“
Die bayerische Staatsregierung aus CSU und Freien Wählern hatte das Cannabis-Gesetz bis zu seinem Inkrafttreten am 1. April scharf bekämpft. Seitdem schafft sie immer neue Verbote für den CannabisKonsum im öffentlichen Raum wie etwa bei Volksfesten. Sie preschte auch mit einem Bußgeldkatalog vor.
Jetzt kam aus München massive Kritik an den Aussagen Lauterbachs. Gesundheitsministerin Judith Gerlach, CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek und CSU-Generalsekretär Martin Huber erneuerten ihre Kritik an der CannabisFreigabe
und kündigten einen weiterhin restriktiven Kurs in Bayern an. „Der einzige Heuchler ist Karl Lauterbach: Entgegen aller Warnungen von Ärzten und Jugendpsychologen hat er die CannabisLegalisierung durchgesetzt. Die Legalisierung gefährdet Kinder und junge Menschen“, erklärte Huber. Lauterbachs Vorgehen sei schizophren: Zum einen werde Cannabis legalisiert, zum anderen würden Millionen Euro für eine
Kampagne ausgeben, die vor dem Konsum und den Gefahren warnt.
Gesundheitsministerin Gerlach bezeichnete den Vorwurf Lauterbachs als „absurd“. Es sei richtig, dass Bayern den vom Bund für die Cannabis-Bußgelder vorgesehenen Rahmen ausgeschöpft habe, so die CSU-Politikerin. „Wir senden damit das klare Signal, dass
Freistaat will keine Modellregionen zum Cannabis-Verkauf.
uns Jugendschutz vor Drogenkonsum geht. Völlig absurd ist es dagegen, dass die Bundesregierung die Cannabis-Risiken weiter verharmlost.“
Holetschek kündigte an: „Wir werden alle rechtlich möglichen Maßnahmen in die Wege leiten, damit der Cannabis-Konsum in Bayern so gering wie möglich bleibt.“Insbesondere dürfe die zweite Säule der Cannabis-Legalisierung nicht in Kraft treten. „Wir brauchen keine Kiffer-Modellregionen, in denen Produktion, Vertrieb und Abgabe von Cannabis in Fachgeschäften ermöglicht und das Verbot der Kommerzialisierung damit umgangen wird“, sagte der CSUFraktionsvorsitzende im Landtag.
Alle drei CSU-Politiker gingen in ihren schriftlichen Erklärungen allerdings nicht auf den Vorwurf Lauterbachs ein, dass in Bayern Alkohol-Exzesse geduldet würden, der Cannabis-Konsum aber gewissermaßen verteufelt werde. Bei der Gesprächsrunde auf dem Demokratiefest räumte Lauterbach ein, dass Cannabis-Konsum ein Risiko mit sich bringe. Er sei aber „definitiv nicht viel gefährlicher, als wenn ich jeden Tag Alkohol trinke“. Er halte es daher für falsch, Cannabis-Konsumenten zu kriminalisieren. (Ulrich Steinkohl, dpa)