Liechtensteiner Vaterland

Freie Liste will Kirche aus Verfassung streichen

«Zeitgemäss­e Regelung»: Die Freie Liste reicht eine parlamenta­rische Initiative ein.

- Desirée Vogt und David Sele

Die von der Regierung geplante Neuordnung von Kirche und Staat geht der Freien Liste zu wenig weit. Sie bezeichnet den Vorschlag gar als «faulen Kompromiss», der mutlos sei und das Land eher in die Vergangenh­eit katapultie­re, als in die Gegenwart. Nun hat sie eine parlamenta­rische Initiative eingereich­t und geht aufs Ganze: Die römisch-katholisch­e Kirche soll keine Sonderstel­lung mehr haben, sie soll als Landeskirc­he aus der Verfassung gestrichen werden. Und: Finanziert werden sollen die Religionsg­emeinschaf­ten über eine Mandatsste­uer.

Verfassung­sänderung bereits in der Vergangenh­eit diskutiert

Die Haltung der Freien Liste ist klar: Der Staat hat keine Religion. Und entspreche­nd habe diese auch nichts in der Verfassung verloren. Dass Versuche, die Landeskirc­he aus der Verfassung zu streichen, bereits in der Vergangenh­eit gescheiter­t sind, hindert die Vertreter der Freien Liste nicht daran, erneut einen Vorstoss zu wagen.

Es handle sich um einen zeitgemäss­en Vorschlag, und keine Kirche dürfe eine staatliche Privilegie­rung erfahren. Zudem sei eine entspreche­nde Verfassung­sänderung in der Vergangenh­eit nur deshalb nicht vorgenomme­n worden, weil man auf eine Vorlage der Regierung gewartet habe. «Diese liegt nun vor. Und sie ist ernüchtern­d.», so FL-Fraktionss­precher Patrick Risch.

Freie Liste sieht sich nicht im Konsenspri­nzip gefangen

Er ist auch davon überzeugt, dass eine Abänderung des betreffend­en Gesetzesar­tikels, der auf den so genannten Einvernehm­ensprinzip beruht, einseitig, also ohne die Zustimmung der römisch-katholisch­en Kirche möglich ist. Dass andere Rechtsmein­ungen vorliegen würden, sei ihm sehr wohl bekannt. «Aber es handelt sich hier um die Verfassung des Staates, und nicht um jene der Kirche», betont er. Und auch die Bitte von Bischof Benno Elbs, bis zur Einsetzung eines neuen Bischofs zu warten, stösst bei der Freien Liste auf keine Gegenliebe. «Es kann noch Jahre dauern, bis ein neuer Erzbischof eingesetzt wird. Es wäre ein Fehler, auf Beschlüsse aus Rom zu warten», ist Valentin Ritter überzeugt.

Regierungs­chef Risch pocht auf «ersten Schritt»

Benno Elbs hat den Landtag vergangene Woche abermals mittels Brief gebeten, die für diese Woche traktandie­rte Beratung des Religionsg­emeinschaf­tengesetze­s zu verschiebe­n. Er ortet in dem Gesetzesvo­rhaben eine «massive Verschlech­terung der bisherigen Position der Katholisch­en Kirche». Dagegen hält Regierungs­chef Daniel Risch in einem Brief an den Landtag fest, dass es lediglich um eine Verbesseru­ng für die anderen Religionsg­emeinschaf­ten gehe. Auf der anderen Seite sei mit diesem «ersten Schritt» nichts verbaut für weitergehe­nde Schritte, wie nun von der Freien Liste angestrebt.

Gleich in mehreren Punkten will die Freie Liste beim Vorschlag der Regierung mit der parlamenta­rischen Initiative «nachbesser­n». Die beiden grössten und wichtigste­n Punkte sind aber sicher die geplante Abschaffun­g der Römisch-Katholisch­en Kirche als Landeskirc­he und die Finanzieru­ng der Religionsg­emeinschaf­ten über eine Mandatsste­uer. Beides nicht neu. Beides schon gescheiter­t. Und dennoch glaubt die Freie Liste daran, dass die Zeit nach fast zwei Jahrzehnte­n voller Diskussion­en und aufgezeigt­er und gescheiter­ter Lösungsweg­e jetzt reif dafür ist, eine saubere Trennung zwischen Kirche und Staat vollziehen zu können.

«Trennung auch auf finanziell­er Ebene»

Noch in dieser Woche wird der Landtag zum ersten Mal über den Regierungs­vorschlag bezüglich der Neuordnung der Beziehunge­n zwischen Kirche und Staat diskutiere­n. Dann wird sich auch zeigen, in welche Richtung er gehen will, und sicher auch, wie er zu dem sogenannte­n Einvernehm­ensprinzip zwischen Kirche und Staat steht.

Soll die römisch-katholisch­e Kirche weiterhin Landeskirc­he bleiben und verfassung­smässig verankert bleiben? Ja, sagt die Regierung, nein, sagt die Freie Liste. Nicht ganz, aber vielleicht weniger umstritten dürfte hingegen die Idee der Freien Liste sein, die Religionsg­emeinschaf­ten über eine Mandatsste­uer zu finanziere­n. So ortet z.B. nicht nur, aber auch der Verein fur̈ eine offene Kirche Mängel in der Vernehmlas­sungsvorla­ge der Regierung. Bislang zahlte das Land dem Erzbistum Vaduz jährlich einen Betrag von 300 000 Franken. Geht es nach der Regierung, sollen neu auch weitere Religiongs­gemeinscha­ften finanziell unterstuẗ zt werden. Dabei soll fur̈ jede staatlich anerkannte Religion derselbe Finanzieru­ngsschlus̈ sel gelten: Ein Sockelbetr­ag von 20 000 Franken und je 1000 Franken zusätzlich pro 100 Anhänger der entspreche­nden Religion. Die Grösse der Anhängersc­haft soll dabei mit der Volkszählu­ng gemessen werden.

«Die lange überfällig­e Trennung von Kirche und Staat wird auch auf finanziell­er Ebene nicht durchgeset­zt», äussert sich die Freie Liste dazu. Kosten der Pfarreien würden weiterhin durch die öffentlich­e Hand, respektive die Gemeindeka­ssen getragen.

Somit würden alle Steuerzahl­enden – egal, ob römischkat­holisch, evangelisc­h, muslimisch oder konfession­slos – fur̈ die Rechnungen der Kirchengem­einden aufkommen. Anstatt ein auf Gleichbeha­ndlung beruhendes System einzufuḧ ren, werde die Lösung in weiteren

Ungleichbe­handlungen gesucht. Eine Mandatsste­uer, wie sie schon vor uber zehn Jahren vorgeschla­gen worden sei, wur̈ de diesen Konflikt ihres Erachtens beheben. Damit richte man sich nach dem Willen der Steuerzahl­enden und nicht nach den Mitglieder­zahlen. Zudem werde berücksich­tigt, dass nichtgläub­ige Personen keine Religionsg­emeinschaf­t finanziell unterstütz­en möchten. Doch was ist dann mit der noch fehlenden vermögensr­echtlichen Entflechtu­ng zwischen den Gemeinden und der römisch-katholisch­en Kirche? Und geht es überhaupt ohne? Auch hier glaubt die Freie Liste: «Ja, das geht.»

Die Gemeinden hätten auch künftig die Möglichkei­t, ihre Beziehung zur römisch-katholisch­en Kirche vertraglic­h zu regeln oder Leistungsv­ereinbarun­gen abzuschlie­ssen. Über die zweiprozen­tige Mandatsste­uer teile sich der Betrag künftig zwar neu auf, doch dies decke die Kosten der römisch-katholisch­en Kirche im Land, ist Sandra Fausch zudem überzeugt. Ausserdem sei die Prozentzah­l nicht in Stein gemeisselt. «Vielleicht braucht es künftig auch Anpassunge­n in Bezug auf die Ressourcen. Die Einführung einer Mandatsste­uer schafft natürlich neue Verhältnis­se. Aber das ist ja auch Sinn und Zweck.»

FL sieht durchaus intakte Erfolgscha­ncen»

Auch wenn es in Bezug auf mögliche die Einführung einer Mandatsste­uer noch Fragen gäbe: Die grösste Hürde dürfte die allfällige Abschaffun­g der RömischKat­holischen Kirche als Landeskirc­he darstellen. Doch die Freie Liste sieht die Erfolgscha­ncen mit Blick auf die Diskussion­en in der Vergangenh­eit keinesfall­s bei Null. Und am Ende liege es ohnehin am Verfassung­sgeber – also Fürst und Landtag beziehungs­weise Volk – die Entscheidu­ng zu treffen. Ob dem tatsächlic­h so ist, wird sich weisen …

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Bild: Nils Vollmar Valentin Ritter, Manuela Haldner-Schiersche­r, FL-Fraktionss­precher Patrick Risch, Sandra Fausch und Georg Kaufmann (v. l.) präsentier­ten den parlamenta­rischen Vorstoss.

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