Freie Liste will Kirche aus Verfassung streichen
«Zeitgemässe Regelung»: Die Freie Liste reicht eine parlamentarische Initiative ein.
Die von der Regierung geplante Neuordnung von Kirche und Staat geht der Freien Liste zu wenig weit. Sie bezeichnet den Vorschlag gar als «faulen Kompromiss», der mutlos sei und das Land eher in die Vergangenheit katapultiere, als in die Gegenwart. Nun hat sie eine parlamentarische Initiative eingereicht und geht aufs Ganze: Die römisch-katholische Kirche soll keine Sonderstellung mehr haben, sie soll als Landeskirche aus der Verfassung gestrichen werden. Und: Finanziert werden sollen die Religionsgemeinschaften über eine Mandatssteuer.
Verfassungsänderung bereits in der Vergangenheit diskutiert
Die Haltung der Freien Liste ist klar: Der Staat hat keine Religion. Und entsprechend habe diese auch nichts in der Verfassung verloren. Dass Versuche, die Landeskirche aus der Verfassung zu streichen, bereits in der Vergangenheit gescheitert sind, hindert die Vertreter der Freien Liste nicht daran, erneut einen Vorstoss zu wagen.
Es handle sich um einen zeitgemässen Vorschlag, und keine Kirche dürfe eine staatliche Privilegierung erfahren. Zudem sei eine entsprechende Verfassungsänderung in der Vergangenheit nur deshalb nicht vorgenommen worden, weil man auf eine Vorlage der Regierung gewartet habe. «Diese liegt nun vor. Und sie ist ernüchternd.», so FL-Fraktionssprecher Patrick Risch.
Freie Liste sieht sich nicht im Konsensprinzip gefangen
Er ist auch davon überzeugt, dass eine Abänderung des betreffenden Gesetzesartikels, der auf den so genannten Einvernehmensprinzip beruht, einseitig, also ohne die Zustimmung der römisch-katholischen Kirche möglich ist. Dass andere Rechtsmeinungen vorliegen würden, sei ihm sehr wohl bekannt. «Aber es handelt sich hier um die Verfassung des Staates, und nicht um jene der Kirche», betont er. Und auch die Bitte von Bischof Benno Elbs, bis zur Einsetzung eines neuen Bischofs zu warten, stösst bei der Freien Liste auf keine Gegenliebe. «Es kann noch Jahre dauern, bis ein neuer Erzbischof eingesetzt wird. Es wäre ein Fehler, auf Beschlüsse aus Rom zu warten», ist Valentin Ritter überzeugt.
Regierungschef Risch pocht auf «ersten Schritt»
Benno Elbs hat den Landtag vergangene Woche abermals mittels Brief gebeten, die für diese Woche traktandierte Beratung des Religionsgemeinschaftengesetzes zu verschieben. Er ortet in dem Gesetzesvorhaben eine «massive Verschlechterung der bisherigen Position der Katholischen Kirche». Dagegen hält Regierungschef Daniel Risch in einem Brief an den Landtag fest, dass es lediglich um eine Verbesserung für die anderen Religionsgemeinschaften gehe. Auf der anderen Seite sei mit diesem «ersten Schritt» nichts verbaut für weitergehende Schritte, wie nun von der Freien Liste angestrebt.
Gleich in mehreren Punkten will die Freie Liste beim Vorschlag der Regierung mit der parlamentarischen Initiative «nachbessern». Die beiden grössten und wichtigsten Punkte sind aber sicher die geplante Abschaffung der Römisch-Katholischen Kirche als Landeskirche und die Finanzierung der Religionsgemeinschaften über eine Mandatssteuer. Beides nicht neu. Beides schon gescheitert. Und dennoch glaubt die Freie Liste daran, dass die Zeit nach fast zwei Jahrzehnten voller Diskussionen und aufgezeigter und gescheiterter Lösungswege jetzt reif dafür ist, eine saubere Trennung zwischen Kirche und Staat vollziehen zu können.
«Trennung auch auf finanzieller Ebene»
Noch in dieser Woche wird der Landtag zum ersten Mal über den Regierungsvorschlag bezüglich der Neuordnung der Beziehungen zwischen Kirche und Staat diskutieren. Dann wird sich auch zeigen, in welche Richtung er gehen will, und sicher auch, wie er zu dem sogenannten Einvernehmensprinzip zwischen Kirche und Staat steht.
Soll die römisch-katholische Kirche weiterhin Landeskirche bleiben und verfassungsmässig verankert bleiben? Ja, sagt die Regierung, nein, sagt die Freie Liste. Nicht ganz, aber vielleicht weniger umstritten dürfte hingegen die Idee der Freien Liste sein, die Religionsgemeinschaften über eine Mandatssteuer zu finanzieren. So ortet z.B. nicht nur, aber auch der Verein fur̈ eine offene Kirche Mängel in der Vernehmlassungsvorlage der Regierung. Bislang zahlte das Land dem Erzbistum Vaduz jährlich einen Betrag von 300 000 Franken. Geht es nach der Regierung, sollen neu auch weitere Religiongsgemeinschaften finanziell unterstuẗ zt werden. Dabei soll fur̈ jede staatlich anerkannte Religion derselbe Finanzierungsschlus̈ sel gelten: Ein Sockelbetrag von 20 000 Franken und je 1000 Franken zusätzlich pro 100 Anhänger der entsprechenden Religion. Die Grösse der Anhängerschaft soll dabei mit der Volkszählung gemessen werden.
«Die lange überfällige Trennung von Kirche und Staat wird auch auf finanzieller Ebene nicht durchgesetzt», äussert sich die Freie Liste dazu. Kosten der Pfarreien würden weiterhin durch die öffentliche Hand, respektive die Gemeindekassen getragen.
Somit würden alle Steuerzahlenden – egal, ob römischkatholisch, evangelisch, muslimisch oder konfessionslos – fur̈ die Rechnungen der Kirchengemeinden aufkommen. Anstatt ein auf Gleichbehandlung beruhendes System einzufuḧ ren, werde die Lösung in weiteren
Ungleichbehandlungen gesucht. Eine Mandatssteuer, wie sie schon vor uber zehn Jahren vorgeschlagen worden sei, wur̈ de diesen Konflikt ihres Erachtens beheben. Damit richte man sich nach dem Willen der Steuerzahlenden und nicht nach den Mitgliederzahlen. Zudem werde berücksichtigt, dass nichtgläubige Personen keine Religionsgemeinschaft finanziell unterstützen möchten. Doch was ist dann mit der noch fehlenden vermögensrechtlichen Entflechtung zwischen den Gemeinden und der römisch-katholischen Kirche? Und geht es überhaupt ohne? Auch hier glaubt die Freie Liste: «Ja, das geht.»
Die Gemeinden hätten auch künftig die Möglichkeit, ihre Beziehung zur römisch-katholischen Kirche vertraglich zu regeln oder Leistungsvereinbarungen abzuschliessen. Über die zweiprozentige Mandatssteuer teile sich der Betrag künftig zwar neu auf, doch dies decke die Kosten der römisch-katholischen Kirche im Land, ist Sandra Fausch zudem überzeugt. Ausserdem sei die Prozentzahl nicht in Stein gemeisselt. «Vielleicht braucht es künftig auch Anpassungen in Bezug auf die Ressourcen. Die Einführung einer Mandatssteuer schafft natürlich neue Verhältnisse. Aber das ist ja auch Sinn und Zweck.»
FL sieht durchaus intakte Erfolgschancen»
Auch wenn es in Bezug auf mögliche die Einführung einer Mandatssteuer noch Fragen gäbe: Die grösste Hürde dürfte die allfällige Abschaffung der RömischKatholischen Kirche als Landeskirche darstellen. Doch die Freie Liste sieht die Erfolgschancen mit Blick auf die Diskussionen in der Vergangenheit keinesfalls bei Null. Und am Ende liege es ohnehin am Verfassungsgeber – also Fürst und Landtag beziehungsweise Volk – die Entscheidung zu treffen. Ob dem tatsächlich so ist, wird sich weisen …