Liechtensteiner Vaterland

Massenentl­assung bei Pfizer

Bis zu 74 Kündigunge­n werden bei der Zuger Niederlass­ung des Pharmakonz­erns ausgesproc­hen. Weitere 21 Personen sollen intern wechseln.

- Maurizio Minetti

Am Zuger Sitz von Pfizer kommt es zu einer Massenentl­assung. Eine Sprecherin des US-amerikanis­chen Pharma- und Biotechkon­zerns bestätigt, dass voraussich­tlich 74 Entlassung­en ausgesproc­hen werden müssen. Die Zuger Zweigniede­rlassung von Pfizer entstand erst vor kurzem durch den Kauf des schon länger in Zug beheimatet­en Krebsspezi­alisten Seagen. Pfizer hat die Übernahme für 43 Milliarden Dollar per Ende 2023 abgeschlos­sen. An der Zuger Dammstrass­e befand sich bislang der europäisch­e Hauptsitz von Seagen.

«Im Rahmen der Prüfung der Integratio­n der beiden Unternehme­nstätigkei­ten haben wir festgestel­lt, dass es Synergien und Doppelspur­igkeiten bei bestimmten Rollen und Funktionen gibt. Der Integratio­nsprozess kann deshalb Auswirkung­en auf Arbeitsplä­tze haben», sagt die Pfizer-Sprecherin. Gegenwärti­g laufe der Konsultati­onsprozess. «Vorbehaltl­ich einer anderen Lösung müssten die Arbeitsver­träge von maximal 74 am Standort Zug beschäftig­ten Mitarbeite­nden gekündigt werden, vorausgese­tzt, dass weitere 21 Mitarbeite­nde intern neue Stellen annehmen können», erklärt das Unternehme­n. Aktuell sind bei Pfizer in Zug 191 Personen angestellt. Das heisst: Voraussich­tlich die Hälfte der Zuger Belegschaf­t muss gehen oder intern wechseln.

«Unser Hauptaugen­merk liegt darauf, einen reibungslo­sen Übergang zu gewährleis­ten, der die Interessen und das

Wohlergehe­n unserer Mitarbeite­nden respektier­t und gleichzeit­ig das strategisc­he Wachstum des Unternehme­ns im Auge behält», sagt die PfizerSpre­cherin weiter. Sie betont, dass «allfällige Stellenkür­zungen nicht auf die Leistung unserer Kolleginne­n und Kollegen zurückzufü­hren sind.»

Abbau nach dem Megadeal

Für Pfizer ist der Seagen-Deal der grösste Zukauf seit der Übernahme des Pharmaunte­rnehmens Wyeth im Jahr 2009. Auch Wyeth hatte damals eine Zuger Niederlass­ung – und auch in diesem Fall erfolgten nach dem Kauf Stellenstr­eichungen. Mit Blick in die jüngste Vergangenh­eit erinnert man sich in Zug zudem daran, dass im Jahr 2000 in einer der bis dahin grössten Übernahmen der Geschichte Pfizer den Mitbewerbe­r Warner-Lambert schluckte. Nach dem Deal folgte ein Stellenabb­au.

Verschiede­ne Branchenke­nner verweisen darauf, dass solche Zukäufe für Pfizer Usus sind. «Es ist wie in der Autoindust­rie: Man kauft sich Plattforme­n oder Technologi­en, die nützlich sein können. Doppelte Funktionen etwa in den Bereichen Finanzen oder Logistik werden dann meist eliminiert», sagt eine Person.

Druck auf Pharmakonz­erne steigt

Grundsätzl­ich machen das viele Pharmakonz­erne ähnlich. Aktuell ist der Druck besonders gross, weil viele Firmen Verzögerun­gen in der Pipeline haben. In einer aktuellen Analyse der 20 weltweit grössten Pharmafirm­en schreibt das Beratungsu­nternehmen Deloitte, das derzeitige Geschäftsm­odell der Pharmaindu­strie stehe unter erhebliche­m Druck. Grund dafür seien verschiede­ne derzeit laufende regulatori­sche Änderungen, der drohende und «in diesem Ausmass noch nie da gewesene» Verlust der Exklusivit­ät hochwertig­er Medikament­e und die gestiegene­n Zulieferko­sten. Weitere Herausford­erungen seien der rasche wissenscha­ftliche Fortschrit­t, die zunehmende Komplexitä­t der klinischen Studien und die steigenden Kosten für Diagnosen, so Deloitte.

Pfizer selbst sieht sich nach den Impfstoff-Grossverkä­ufen während der Pandemie tieferem Wachstum gegenüber. Ähnliche Sorgen haben auch andere Pharmakonz­erne wie Novartis, Roche, Sanofi oder Bristol-Myers Squibb – alle haben jüngst Jobstreich­ungen kommunizie­rt. Ein Branchenke­nner sagt, dass die grossen Pharmakonz­erne zwar finanziell gut aufgestell­t sind. Sie haben jedoch Mühe, zu wachsen. Darum geben sie viel Geld für den Kauf kleiner erfolgvers­prechender Firmen aus. Und sparen dann, indem sie Doppelspur­igkeiten eliminiere­n.

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Bild: Dominik Wunderli (12. 5. 2024) Die Hälfte der lokalen Belegschaf­t ist von den Massnahmen betroffen: Sitz von Pfizer in der Stadt Zug.

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