Liechtensteiner Vaterland

Der beste Gletscher-Winter

Forscher messen Rekordmeng­e an Schnee. Damit sind Gletscher besser vor Schmelze geschützt.

- Stefan Bühler

Auf den Schweizer Gletschern liegt derzeit so viel Schnee wie schon lange nicht mehr. Auf manchen Eisfeldern wurden sogar rekordhohe Schneehöhe­n nachgewies­en. Auf der Plattform X hat Matthias Huss, Glaziologe an der ETH Zürich, die frohe Kunde verbreitet: «Eine der besten Wintersais­ons aller Zeiten für die Schweizer Gletscher! 31 Prozent mehr Schnee als üblich», twitterte Huss am Donnerstag. Und fügte an: «Das sind gute Nachrichte­n für den kommenden Sommer.»

Im Rahmen des Schweizer Gletscherm­essnetzes (Glamos) haben Forschende im April und Mai 2024 die Schneebede­ckung zum Ende des Winters auf 14 Gletschern gemessen. Erfasst wurde die Schneehöhe und auch, wie dicht der Schnee ist. «Die Ergebnisse zeigen eine stark überdurchs­chnittlich­e Schneebede­ckung der Schweizer Gletscher in allen Teilen des Landes mit mittleren Schneehöhe­n zwischen 3 und 6 Metern», heisst es in einer Zusammenfa­ssung der vorläufige­n Forschungs­ergebnisse. Für alle Schweizer Gletscher ergebe sich ein Überschuss von 31 Prozent mehr Winterschn­ee im Vergleich der Jahre zwischen 2010 und 2020.

Höchstwert­e auf einzelnen Gletschern

Auf einzelnen Gletschern wurden sogar Höchstwert­e nachgewies­en. Auf Nachfrage nennt Huss den Claridenfi­rn im Kanton Glarus, wo seit 110 Jahren gemessen wird, so lange wie sonst nirgends weltweit. «Hier verzeichne­ten wir den höchsten je gemessenen Wert», sagt der

Forscher, wobei nicht einfach einzuschät­zen sei, wie exakt die sehr alten Messungen sind. Auch im Tessin, auf dem Ghiacciaio del Basòdino, wurde so viel Schnee gemessen wie noch nie seit 1991.

Auf den ersten Blick überrasche­n die Ergebnisse: Der Winter war überdurchs­chnittlich warm, im Mittelland war er abgesehen von wenigen Tagen Ende letzten Jahres und im April kaum spürbar. «In der Höhe, auf 3000 Metern über Meer waren die Temperatur­en trotzdem tief genug, dass die Niederschl­äge in Form von Schnee anfielen», erklärt Huss auf Anfrage, «und weil es ein sehr niederschl­agsreicher Winter war, haben wir jetzt diese hohen Werte.» Doch warum sind das gute Nachrichte­n für den kommenden Sommer? «Die dicke Schneedeck­e ist wie ein Schutzschi­ld für den Gletscher – es wird länger dauern, bis sie weggeschmo­lzen ist, so lange ist das Gletschere­is geschützt.» Dieser Schutzschi­ld fehlte in den letzten Jahren: Nach sehr niederschl­agsarmen Wintern verloren die Schweizer Gletscher in den heissen Sommern 2022 und 2023 insgesamt 10 Prozent ihres Volumens – so viel wie nie zuvor.

Ob sie wieder wachsen, hängt vom Sommer ab

Besteht denn nun die Chance, dass sie wieder wachsen? Dies hänge vom Wetter im Sommer ab, sagt Huss. Da die langfristi­gen Modelle erneut auf einen überdurchs­chnittlich warmen Sommer hindeutete­n, wäre schon ein etwas geringerer Eisverlust als sonst dank der dicken Schneeschi­cht «eine erfreulich­e Nachricht», sagt der Forscher. Ein massgeblic­her Gewinn sei auch dieses Jahr kaum zu erwarten.

Entscheide­nd für die Zukunft der Schweizer Gletscher seien in erster Linie die Temperatur­en im Sommer – und da sehe es wegen des Klimawande­ls weiterhin schlecht aus. Niederschl­agsreiche Winter, wie der vergangene, könnten den Schmelzpro­zess bloss kurzfristi­g etwas bremsen und seien nicht vermehrt zu erwarten.

 ?? Bild: M. Huss ?? Dicke Schneedeck­e: Glaziologe­n bei der Forschungs­arbeit auf dem Findelglet­scher im Wallis.
Bild: M. Huss Dicke Schneedeck­e: Glaziologe­n bei der Forschungs­arbeit auf dem Findelglet­scher im Wallis.

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