Hungerstreik aus Hoffnungslosigkeit
46-jähriger Algerier wird seit 2002 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Lager festgehalten
Europäische Erstausstrahlung des Films „310: Djamel Ameziane's Decade in Guantánamo“
Nach der Ausstrahlung in New York vergangene Woche wurde gestern Abend der Dokumentarfilm „310: Djamel Ameziane's Decade in Guantánamo“als europäische Vorpremiere im CarréRotondes gezeigt. Im Mittelpunkt des Films steht das Schicksal des 46-jährigen Algeriers Djamel Ameziane, der seit 2002 ohne Anklage oder Gerichtsverfahren im Lager auf Kuba gefangen gehalten wird und sich seit Februar dieses Jahres im Hungerstreik befindet. „Dabei wurde bei meinem Mandant zwei Mal eine Überführung genehmigt, aber nichts ist passiert“, sagte gestern der Rechtsanwalt Wells Dixon auf einer Pressekonferenz. Wells Dixon ist beim „Center for Constitutional Rights“(CCR) in New York tätig und vertritt Ameziane seit 2006. Er hat ihn des Öfteren im Gefangenenlager auf Kuba getroffen und steht in ständigem Kontakt zu ihm. Die Filmausstrahlung wurde von Amnesty International (AI) zusammen mit dem CCR organisiert.
Von den 166 Männern in Guantánamo sollen 86 überführt, 34 strafrechtlich verfolgt und 46 unbegrenzt inhaftiert werden. US-Präsident Barack Obama habe die Möglichkeit, Gefangene freizulassen, nutze diese Macht seit 2011 jedoch nicht mehr u. a. aus politischen Gründen, bedauerte der Rechtsanwalt. Nachdem sich die Umstände in Guantánamo seit Obamas Amtsantritt im Jahr 2008 verbessert hatten, habe sich die Situation in der rezenten Vergangenheit verschärft. Vor allem aus Hoffnungslosigkeit hätten 130 Gefangene im Februar einen Hungerstreik begonnen, auf den das Militär mit einem Angriff antwortete und die Betroffenen in Einzelhaft verbannte. „Mein Mandant verbringt 22 bis 24 Stunden am Tag in Isolation“, so Wells Dixon. Mittlerweile würden 35 Männer zwangsernährt, sechs oder sieben befänden sich im Krankenhaus. „Djamel Ameziane streikt nicht aus politischen Gründen, er ist einfach verzweifelt und sieht keinen anderen Ausweg.“
Der US-Kongress habe es Präsident Obama erschwert, die Schließung des umstrittenen Gefangenenlagers voranzutreiben. Aber angesichts anderer Prioritäten wie eines schärferen Waffengesetzes, eines neuen Einwanderungsgesetzes sowie seiner Wiederwahl habe der Präsident die Initiative bezüglich Guantánamo verloren. Neuen Schwung in die Sache habe der Hungerstreik gebracht. Diese neue Lage habe Obama gezwungen, sich dem Thema wieder zuzuwenden. Ende Mai habe er erneut seinen Willen bekräftigt, Guantánamo zu schließen. „Dies lässt uns hoffen.“
„ Tragischer Fehler“
Djamel Ameziane wurde 1967 als Berber in Algerien geboren, ist Ingenieur von Beruf und floh in den frühen 90er-Jahren aus seiner Heimat, um dem Bürgerkrieg zu entkommen. Der junge Mann arbeitete einige Jahre in Wien in Österreich, bevor er nach Kanada auswanderte und dort einen Antrag auf politisches Asyl stellte. Als dieser ihm verweigert wurde, ging er noch vor dem 11. September 2001 nach Afghanistan, wo er als alleinstehender Muslim für wenig Geld leben konnte, ohne eine Abschiebung zu befürchten. „Aus purer Panik entschied er sich für diesen Schritt“, so sein Anwalt, der die Entscheidung als „tragischen Fehler“bewertete. Im Oktober 2001 sei sein Mandant nach Pakistan geflohen, von wo aus er für 5 000 US-Dollar an die Amerikaner verkauft worden sei.
„Diese Männer haben keine Stimme. Sie sind zu einer Nummer geworden. Der Dokumentarfilm erzählt die Geschichte hinter der Nummer und macht die Betroffenen wieder zu Menschen“, sagte Sophie Weller vom CCR. Ameziane habe den Film gesehen und gutgeheißen. Aus der Tatsache, dass Außenstehende sich mit seinem Schicksal befassten, schöpfe er Hoffnung.
Zur Schließung Guantánamos hat AI eine Petition lanciert.
www.amnesty.lu