Australiens Aborigines träumen von eigener Republik
Ureinwohner-gruppe stellt Souveränitätsansprüche der Kolonisatoren in Frage und fordert staatliche Unabhängigkeit
„Als Kapitän Cook hier im Jahr 1770 ankam, erhob er Anspruch auf den Kontinent im Namen der Krone. Doch aufgrund welcher Gesetze?“Worte von Sharni Hooper vom „Murrawarri Volksrat“, der nicht aufgeben will, bis am Rande der australischen Outback, rund 750 Kilometer nordwestlich von Sydney, die „Republik Murrawarri“ausgerufen wird.
Einst die Heimat von Zehntausenden Aborigines vor der Ankunft der britischen Siedler, soll das öde Savannengebiet den australischen Ureinwohnern wieder eine eigene Heimat geben.
Der Volksrat scheint entschlossen, dass die neueste Nation des Erdballs weder in Afrika noch auf dem Balkan ausgerufen wird, sondern in Australien. Am 31. März schickte man ein Schreiben an Königin Elisabeth II. und die australische Regierung mit der Aufforderung, ein Abkommen oder eine Urkunde vorzulegen, die Großbritanniens Ansprüche verbrieft. Das Schreiben blieb ohne Antwort. Nach Ablauf einer 28-tägigen Frist wurde die „Deklaration zum Fortbestand des Staates der Murrawarri Nation“ausgerufen.
Das mag wie eine naive Aktion ohne Aussicht auf Erfolg anmuten, doch Australiens Souveränitätsbewegung der Aborigines blickt auf mittlerweile 41 Jahre Bestehen zurück, in denen sich die australische Regierung offiziell für vergangene Rechtsmissbräuche entschuldigte.
Lange ein Tabu
Eigenstaatlichkeit für Ureinwohner indes ist tabu und auch kein besonders populäres Thema unter Australiern, die der ethnischen Randgruppe unter anderem einen überproportionalen Anspruch von Sozialkosten vorwerfen. Doch nach Michael Anderson, der 1981 als erster Aborigine-Führer eine Rede im UN-Hauptsitz hielt und 1999 einen in die australische Flagge eingewickelten Speer über die Tore des Buckingham Palastes warf, um symbolisch gegen die koloniale Unterdrückung zu protestieren, hat Großbritannien überhaupt kein Recht, die Souveränitätsforderung der Aborigines zu unterdrücken: „Es gibt nichts im australischen Gesetz, das zeigt, wie die Briten die politische und staatliche Herrschaft über das Volk der Aborigines erlangten. Sie haben nie um unsere Souveränität gebeten, und wir haben diese nie abgegeben. Das führte uns zur Hypothese, dass die Briten gar nie Anspruch über das Land erlangten.“
18 Prozent des Kontinents
Nach langjährigen Gerichtsprozessen haben australische Richter Ureinwohnern inzwischen rund 200 Landurkunden über 1,3 Millionen Quadratkilometer ausgestellt, was etwa 18 Prozent des Kontinents entspricht. Damit aber hat sich das Entgegenkommen des Staates. Nach der Generalstaatsanwaltschaft gebe es in der Verfassung keine Klauseln für die „Errichtung von separaten politischen Gemeinschaften in Australien“, und überhaupt sei Australiens Commonwealth-Souveränität über den Kontinent nach internationalem Recht anerkannt.
Doch Aborigines weisen die australische Verfassung zurück. Der Volksrat der Republik Murrawarri will noch dieses Jahr einen Antrag in den UN stellen, als unabhängige Nation anerkannt zu werden.
Inzwischen haben weitere 27 „Aborigine-Nationen“den Verfassungsentwurf von Murrawarri angefordert, auch sie träumen von Eigenstaatlichkeit, wobei die Mehrheit der Bewohner des Gebiets von Murrawarri nicht Ureinwohner, sondern Zugewanderte sind, die nicht gerade vor Begeisterung sprühen, Bürger Murrawarris zu werden.
Den Aufruf der Aborigine-Republikaner, Polizei, Lehrer, Ärzte und andere Staatsbedienstete aus dem Gebiet abzuziehen, quittieren sie mit Unglauben. „Wer führt die Schulen? Wie einen Arzt besuchen?“, fragt Judy Neale, die das Postbüro und einen kleinen Laden in Weilmoringle führt, einem abgelegenen Ort im wüstenähnlichen Gebiet. „Wie können wir plötzlich nicht Teil von Australien sein?“
Die neue Aborigine-Regierung würde Nicht-Eingeborenen Steuererleichterungen und andere Vorzüge gewähren. Man träumt von Steuerinseln, dem Export von Kängurufleisch und will die Briten für die Plünderung der Nation zur Kasse bitten.
Nein, zu Gewalt zur Erreichung der Ziele werde die Unabhängigkeitsbewegung niemals greifen, so Anderson. „Wir haben die Gesetze unserer Eroberer studiert und bewiesen, wie sie gebrochen wurden. Nun wenden wir diese Gesetze gegen sie an. Wir erzwingen ein Thema“, so Anderson, „das die australische Regierung nicht debattieren will.“