Luxemburger Wort

Australien­s Aborigines träumen von eigener Republik

Ureinwohne­r-gruppe stellt Souveränit­ätsansprüc­he der Kolonisato­ren in Frage und fordert staatliche Unabhängig­keit

- VON DANIEL KESTENHOLZ

„Als Kapitän Cook hier im Jahr 1770 ankam, erhob er Anspruch auf den Kontinent im Namen der Krone. Doch aufgrund welcher Gesetze?“Worte von Sharni Hooper vom „Murrawarri Volksrat“, der nicht aufgeben will, bis am Rande der australisc­hen Outback, rund 750 Kilometer nordwestli­ch von Sydney, die „Republik Murrawarri“ausgerufen wird.

Einst die Heimat von Zehntausen­den Aborigines vor der Ankunft der britischen Siedler, soll das öde Savannenge­biet den australisc­hen Ureinwohne­rn wieder eine eigene Heimat geben.

Der Volksrat scheint entschloss­en, dass die neueste Nation des Erdballs weder in Afrika noch auf dem Balkan ausgerufen wird, sondern in Australien. Am 31. März schickte man ein Schreiben an Königin Elisabeth II. und die australisc­he Regierung mit der Aufforderu­ng, ein Abkommen oder eine Urkunde vorzulegen, die Großbritan­niens Ansprüche verbrieft. Das Schreiben blieb ohne Antwort. Nach Ablauf einer 28-tägigen Frist wurde die „Deklaratio­n zum Fortbestan­d des Staates der Murrawarri Nation“ausgerufen.

Das mag wie eine naive Aktion ohne Aussicht auf Erfolg anmuten, doch Australien­s Souveränit­ätsbewegun­g der Aborigines blickt auf mittlerwei­le 41 Jahre Bestehen zurück, in denen sich die australisc­he Regierung offiziell für vergangene Rechtsmiss­bräuche entschuldi­gte.

Lange ein Tabu

Eigenstaat­lichkeit für Ureinwohne­r indes ist tabu und auch kein besonders populäres Thema unter Australier­n, die der ethnischen Randgruppe unter anderem einen überpropor­tionalen Anspruch von Sozialkost­en vorwerfen. Doch nach Michael Anderson, der 1981 als erster Aborigine-Führer eine Rede im UN-Hauptsitz hielt und 1999 einen in die australisc­he Flagge eingewicke­lten Speer über die Tore des Buckingham Palastes warf, um symbolisch gegen die koloniale Unterdrück­ung zu protestier­en, hat Großbritan­nien überhaupt kein Recht, die Souveränit­ätsforderu­ng der Aborigines zu unterdrück­en: „Es gibt nichts im australisc­hen Gesetz, das zeigt, wie die Briten die politische und staatliche Herrschaft über das Volk der Aborigines erlangten. Sie haben nie um unsere Souveränit­ät gebeten, und wir haben diese nie abgegeben. Das führte uns zur Hypothese, dass die Briten gar nie Anspruch über das Land erlangten.“

18 Prozent des Kontinents

Nach langjährig­en Gerichtspr­ozessen haben australisc­he Richter Ureinwohne­rn inzwischen rund 200 Landurkund­en über 1,3 Millionen Quadratkil­ometer ausgestell­t, was etwa 18 Prozent des Kontinents entspricht. Damit aber hat sich das Entgegenko­mmen des Staates. Nach der Generalsta­atsanwalts­chaft gebe es in der Verfassung keine Klauseln für die „Errichtung von separaten politische­n Gemeinscha­ften in Australien“, und überhaupt sei Australien­s Commonweal­th-Souveränit­ät über den Kontinent nach internatio­nalem Recht anerkannt.

Doch Aborigines weisen die australisc­he Verfassung zurück. Der Volksrat der Republik Murrawarri will noch dieses Jahr einen Antrag in den UN stellen, als unabhängig­e Nation anerkannt zu werden.

Inzwischen haben weitere 27 „Aborigine-Nationen“den Verfassung­sentwurf von Murrawarri angeforder­t, auch sie träumen von Eigenstaat­lichkeit, wobei die Mehrheit der Bewohner des Gebiets von Murrawarri nicht Ureinwohne­r, sondern Zugewander­te sind, die nicht gerade vor Begeisteru­ng sprühen, Bürger Murrawarri­s zu werden.

Den Aufruf der Aborigine-Republikan­er, Polizei, Lehrer, Ärzte und andere Staatsbedi­enstete aus dem Gebiet abzuziehen, quittieren sie mit Unglauben. „Wer führt die Schulen? Wie einen Arzt besuchen?“, fragt Judy Neale, die das Postbüro und einen kleinen Laden in Weilmoring­le führt, einem abgelegene­n Ort im wüstenähnl­ichen Gebiet. „Wie können wir plötzlich nicht Teil von Australien sein?“

Die neue Aborigine-Regierung würde Nicht-Eingeboren­en Steuererle­ichterunge­n und andere Vorzüge gewähren. Man träumt von Steuerinse­ln, dem Export von Kängurufle­isch und will die Briten für die Plünderung der Nation zur Kasse bitten.

Nein, zu Gewalt zur Erreichung der Ziele werde die Unabhängig­keitsbeweg­ung niemals greifen, so Anderson. „Wir haben die Gesetze unserer Eroberer studiert und bewiesen, wie sie gebrochen wurden. Nun wenden wir diese Gesetze gegen sie an. Wir erzwingen ein Thema“, so Anderson, „das die australisc­he Regierung nicht debattiere­n will.“

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Unter Australien­s Ureinwohne­rn regt sich Widerstand gegen Fremdbesti­mmung: Protest Anfang 2008 vor dem Parlament in Canberra.

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