„Wir werden alle sterben“
Wirbelsturm erfasst auch drei erfahrene „Storm-chaser“im Us-bundesstaat Oklahoma
Tornados hinterlassen erneut Schneise der Verwüstung
Der Tod drei erfahrener TornadoBeobachter in Oklahoma wirft Fragen auf. Die Wetter- und Nachrichtenkanäle überdenken den Einsatz von „Storm-Chasern“. Seit Stunden jagen Tim Samaras (55), sein Sohn Paul (24) und Carl Young (45) einem gewaltigen Windtunnel hinterher, der in den Weiten Oklahomas launisch hinund herspringt. Gelegentlich versteckt sich der Tornado der Stärke3 auf der Fujita-Skala hinter Regenwolken. Plötzlich und völlig unerwartet dreht sich der Sturm und nimmt mit Spitzengeschwindigkeiten von 265 Stundenkilometern direkt Kurs auf die drei Männer, die an einer Dokumentation für den „Discovery Channel“arbeiten.
Unglücklicherweise steckt das Fahrzeug der „Storm Chaser“auf der Interstate 40 bei El Reno im Mekka der Sturmjäger von Oklahoma in einem Stau fest. Es gibt kein Entkommen. „Wir werden alle sterben“, brüllt Tim panisch über Funk in den Äther. Ein Hilferuf, den die Autobahnpolizistin Betsy Randolph nur hilflos registrieren kann. Kurz darauf wirbelt der Tornado den Wagen mit den Profis durch die Luft. Rettungshelfer fanden ein Opfer im Fahrzeug, die beiden anderen hunderte Meter entfernt.
Der Meteorologe Mike Bettes und seine Crew vom „Weather Channel“hatten Glück im Unglück. Er fand sich in derselben Falle auf der Autobahn wieder. Der Sturm trieb Bettes Geländefahrzeug wie ein Blatt vor sich her. „Das war ein surrealer Moment“, berichtet der erfahrene Reporter von dem Terror, den sein Team erlebte. „Für einen Moment kam mir alles wie in Zeitlupe vor; als ob wir schwebten“. Ein Kollege erlitt Knochenbrüche, alle anderen kletterten wie ein Wunder unverletzt aus dem bizarr verzogenen SUV.
Er sei sich nicht sicher, ob er sich noch einmal auf die Fährte eines Tornados begeben werde, gesteht Bettes im Fernsehen. Professionelles „Storm Chasing“sei aber weit mehr als die Jagd auf spektakuläre Bilder. „Das macht die Gefahr echt für Leute, wenn sie mit ihren eigenen Augen sehen, was los ist“, verteidigt er seine Branche gegen den Vorwurf des Sensationalismus. „Es unterstreicht die Warnungen und hilft den Leuten, rechtzeitig Schutz zu suchen.“
Diesen Aspekt betont auch Tim’s Bruder Jim. „Er hat Tornados nicht wegen einem Sendeplatz im Fernsehen verfolgt, sondern aus wissenschaftlichem Interesse“, erinnert er an Samaras, der zu den insgesamt fünf anerkannten Wetter-Forschern gehört, die sich mit empirischer Forschung im Feld einen Namen gemacht haben. Allein die „National Geographic Society“hatte Samaras achtzehn Forschungsaufträge erteilt und finanziert. „Er wollte Leben retten und hat das ultimative Opfer dafür erbracht.“
Das trifft gewiss nicht auf die hunderten „Storm-Chaser“zu, die aus ihrem Hunger auf Abenteuer ein zuweilen tödliches Hobby gemacht haben. Amateure, die nicht wirklich wissen, welchen Gefahren sie sich aussetzen. Die Polizei in der Tornado-Gasse weiß von regelrechten Staus auf einsamen Landstraßen und Feldwegen zu berichten. „Die Zahl geht in die Tausende“, schätzt Wetter-Experte Greg Forbes.
Sie reisen aus allen Teilen der USA an, um im späten Frühjahr dabei zu sein, wenn sich die weltweit einmaligen Windtunnel am Himmel bilden. Clevere Geschäftemacher haben längst gewittert, wie sie mit der Sensationslust Geld verdienen können. Unternehmen wie „Extreme Chase Tours“oder „Weather Gods“bieten für den Adrenalin-Stoß in der Prärie Komplettpakete an.
Der Tod der drei Profis löste bei den Nachrichten- und Wetterkanälen vorübergehend Seelenforschung aus. „Wir müssen nach diesem Vorfall überdenken, wie wir über Extrem-Wetter berichten“, meint David Blumenthal von „The Weather Company“, die unter anderen den „Weather Channel“betreibt. Ob Konsequenzen daraus gezogen werden, bleibt ungewiss. Garantiert das Geschäft mit dem Gaffen doch stets gute Einschaltquoten.