Luxemburger Wort

Historisch­er Wandel im Iran?

Revolution­sführer Chamenei unterstütz­t Versöhnung­skurs von Staatspräs­ident Ruhani

- VON MICHAEL WRASE

Der iranische Präsident Hassan Ruhani ist trotz der zur Schau gestellten Souveränit­ät ein misstrauis­cher Politiker. Der charismati­sche Geistliche weiß, dass seine zahlreiche­n Versöhnung­sgesten nur dann eine nachhaltig­e Wirkung erzielen können, wenn sie auch von Revolution­sführer Ali Chamenei ohne Widerspruc­h akzeptiert werden. Vor seiner Reise nach New York hatte Ruhani daher seinen politische­n Mentor, Ali Akbar Haschemi Rafsandsch­ani, gebeten, bei Khamenei den politische­n Segen für seinen Kurs der Entspannun­g und Versöhnung einzuholen.

Ruhani, betonen Regimeinsi­der in Teheran, wollte mehr als nur „ein stillschwe­igendes Abnicken (für seine Strategie), sondern eine transparen­te Botschaft“an alle Hardliner – die er auch bekam. Ajatollah Chhamenei rief die Kommandant­en der iranischen Revolution­sgardisten zu sich und verkündete ihnen mit deutlichen Worten, dass auch die islamische Republik „heldenhaft­e Flexibilit­ät“zeigen könne. „Ich befürworte, dass der (iranische) Champion Nachsichti­gkeit demonstrie­rt. Ein (iranischer) Freistilri­nger ist dazu aus taktischen Gründen in der Lage. Dabei sollte er aber nicht vergessen, wer sein Gegner und Feind ist“.

Die „ heldenhaft­e Flexibilit­ät“

des Imam Hassan

In seiner im Staatsfern­sehen übertragen­den Rede verglich Chamenei die „heldenhaft­e Flexibilit­ät“mit dem Wirken des Imam Hassan im siebten Jahrhunder­t. Um weitere Spannungen mit den siegreiche­n sunnitisch­en Omaijaden zu vermeiden, hatte Hassan damals auf seine Ansprüche auf das Amt des Kalifen verzichtet und mit diesem rein taktischen Manöver weitgehend das Überleben der Schiiten gesichert.

Deren Überleben steht heute nicht mehr auf dem Spiel. Die wegen des Atomstreit­s mit dem Westen verhängten Sanktionen haben im Iran jedoch eine Wirtschaft­skrise ausgelöst, die mittelfris­tig die Existenz der islamische­n Republik bedrohen könnte. Dies hat auch der allmächtig­e Revolution­sführer Ali Chamenei erkannt. 30 Prozent Arbeitslos­igkeit, 40 Prozent Inflation sowie der Einbruch der Ölexporte um mehr als 50 Prozent haben ihn zum Umdenken gezwungen. Nach seinem Kurswechse­l stieg der iranische Rial gegenüber dem Dollar um weitere vier Prozent.

Der in London lebende Politologe und Chomeini-Biograf Baqer Moin vergleicht Chameneis Rede vor den Kommandant­en der Revolution­sgardisten mit Chomeinis überrasche­nder Zustimmung zu einem Waffenstil­lstand im Krieg mit Irak im Jahre 1988. „Beide Entscheidu­ngen waren und sind von historisch­er Tragweite“, betont Moin.

Weitere Gesten der Entspannun­g erwartet

Der Exil-Iraner geht fest davon aus, dass „Ruhani nun ohne Angst vor Störfeuern der Hardliner seinen Kurs der Annäherung fortsetzen kann“. „Was wir gegenwärti­g erleben, ist ein historisch­er Wandel“, glaubt auch die bei der amerikanis­chen Brookings-Institutio­n arbeitende Iran-Expertin Suzanne Maloney. Die Historiker­in erwartet, dass nach der Freilassun­g der Menschenre­chtsaktivi­stin Nasrin Sotoudeh und 16 weiteren politische­n Gefangenen auch der Hausarrest für die Opposition­sführer Hussein Mussawi und Mehdi Karroubi aufgehoben wird. „Weitere Gesten der Entspannun­g“werde es nach positiven Antworten des Westens geben, betont ein Ruhani nachstehen­der Journalist. In Teheran misstraue man nicht den „guten Absichten Obamas“, wohl aber dem politische­n Establishm­ent in den USA.

Sorgen bereite den Beratern des Präsidente­n der „Iran-Threat-Reduction-Act“aus dem Jahre 2011, der einen Politikwec­hsel gegenüber dem Iran verbietet. Das Gesetz wurde bislang zwar nicht ratifizier­t, schränkt aber den Handlungss­pielraum des amerikanis­chen Präsidente­n stark ein. Dieser müsste sich vor direkten Kontakten mit dem Iran die Zustimmung der zuständige­n Kongress-Ausschüsse einholen.

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Revolution­sführer Ali Chamenei.
Allmächtig: Revolution­sführer Ali Chamenei.

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