Historischer Wandel im Iran?
Revolutionsführer Chamenei unterstützt Versöhnungskurs von Staatspräsident Ruhani
Der iranische Präsident Hassan Ruhani ist trotz der zur Schau gestellten Souveränität ein misstrauischer Politiker. Der charismatische Geistliche weiß, dass seine zahlreichen Versöhnungsgesten nur dann eine nachhaltige Wirkung erzielen können, wenn sie auch von Revolutionsführer Ali Chamenei ohne Widerspruch akzeptiert werden. Vor seiner Reise nach New York hatte Ruhani daher seinen politischen Mentor, Ali Akbar Haschemi Rafsandschani, gebeten, bei Khamenei den politischen Segen für seinen Kurs der Entspannung und Versöhnung einzuholen.
Ruhani, betonen Regimeinsider in Teheran, wollte mehr als nur „ein stillschweigendes Abnicken (für seine Strategie), sondern eine transparente Botschaft“an alle Hardliner – die er auch bekam. Ajatollah Chhamenei rief die Kommandanten der iranischen Revolutionsgardisten zu sich und verkündete ihnen mit deutlichen Worten, dass auch die islamische Republik „heldenhafte Flexibilität“zeigen könne. „Ich befürworte, dass der (iranische) Champion Nachsichtigkeit demonstriert. Ein (iranischer) Freistilringer ist dazu aus taktischen Gründen in der Lage. Dabei sollte er aber nicht vergessen, wer sein Gegner und Feind ist“.
Die „ heldenhafte Flexibilität“
des Imam Hassan
In seiner im Staatsfernsehen übertragenden Rede verglich Chamenei die „heldenhafte Flexibilität“mit dem Wirken des Imam Hassan im siebten Jahrhundert. Um weitere Spannungen mit den siegreichen sunnitischen Omaijaden zu vermeiden, hatte Hassan damals auf seine Ansprüche auf das Amt des Kalifen verzichtet und mit diesem rein taktischen Manöver weitgehend das Überleben der Schiiten gesichert.
Deren Überleben steht heute nicht mehr auf dem Spiel. Die wegen des Atomstreits mit dem Westen verhängten Sanktionen haben im Iran jedoch eine Wirtschaftskrise ausgelöst, die mittelfristig die Existenz der islamischen Republik bedrohen könnte. Dies hat auch der allmächtige Revolutionsführer Ali Chamenei erkannt. 30 Prozent Arbeitslosigkeit, 40 Prozent Inflation sowie der Einbruch der Ölexporte um mehr als 50 Prozent haben ihn zum Umdenken gezwungen. Nach seinem Kurswechsel stieg der iranische Rial gegenüber dem Dollar um weitere vier Prozent.
Der in London lebende Politologe und Chomeini-Biograf Baqer Moin vergleicht Chameneis Rede vor den Kommandanten der Revolutionsgardisten mit Chomeinis überraschender Zustimmung zu einem Waffenstillstand im Krieg mit Irak im Jahre 1988. „Beide Entscheidungen waren und sind von historischer Tragweite“, betont Moin.
Weitere Gesten der Entspannung erwartet
Der Exil-Iraner geht fest davon aus, dass „Ruhani nun ohne Angst vor Störfeuern der Hardliner seinen Kurs der Annäherung fortsetzen kann“. „Was wir gegenwärtig erleben, ist ein historischer Wandel“, glaubt auch die bei der amerikanischen Brookings-Institution arbeitende Iran-Expertin Suzanne Maloney. Die Historikerin erwartet, dass nach der Freilassung der Menschenrechtsaktivistin Nasrin Sotoudeh und 16 weiteren politischen Gefangenen auch der Hausarrest für die Oppositionsführer Hussein Mussawi und Mehdi Karroubi aufgehoben wird. „Weitere Gesten der Entspannung“werde es nach positiven Antworten des Westens geben, betont ein Ruhani nachstehender Journalist. In Teheran misstraue man nicht den „guten Absichten Obamas“, wohl aber dem politischen Establishment in den USA.
Sorgen bereite den Beratern des Präsidenten der „Iran-Threat-Reduction-Act“aus dem Jahre 2011, der einen Politikwechsel gegenüber dem Iran verbietet. Das Gesetz wurde bislang zwar nicht ratifiziert, schränkt aber den Handlungsspielraum des amerikanischen Präsidenten stark ein. Dieser müsste sich vor direkten Kontakten mit dem Iran die Zustimmung der zuständigen Kongress-Ausschüsse einholen.