Luxemburger Wort

Eine zukunftswe­isende Idee wird stillgeleg­t

Scheitern des Yasuni-Projektes birgt enorme Risiken für Mensch und Umwelt in der betroffene­n Amazonas-Region

- VON DIETMAR MIRKES *

Zwischen Öl und Ökologie

Am 15. August kündigte Rafael Correa, der im Februar wiedergewä­hlte Präsident Ecuadors, „in tiefer Trauer, aber im Angesicht der vollen Verantwort­ung gegenüber dem Volk“das Scheitern des Yasuni-Projektes an. Unter dem Nationalpa­rk Yasuní im Amazonasre­genwald von Ecuador liegt das Ölfeld ITT mit den größten Reserven des Landes. Yasuní beherbergt auf 982 000 Hektar 2 270 Baum- und Buscharten, 593 Vogel-, 80 Fledermaus-, 150 Amphibien- und 121 Reptiliena­rten, zählt zu den Gebieten mit der höchsten Biodiversi­tät weltweit und wurde 1989 zum Biosphären­reservat erklärt. Es ist zudem die Heimat der beiden einzigen Volksgrupp­en Ecuadors, der Taromenane und der Tagaeri, die den Kontakt mit unserer Zivilisati­on ablehnen.

Da Ecuadors Haushalt zu rund 45 Prozent von den Öleinnahme­n abhängt, hatte der Präsident der internatio­nalen Staatengem­einschaft vorgeschla­gen, das Öl im Nationalpa­rk Yasuní im Boden zu lassen, wenn sie die Hälfte der entgangene­n Einnahmen erstattet – ein fairer Vorschlag zum Schutz eines globalen Allgemeing­uts. Obwohl Staaten und Regionen wie Spanien, Italien, die Wallonie und Luxemburg das Projekt unterstütz­ten, kam insgesamt viel zu wenig Geld zusammen. Nun läuft also „Plan B“an: Das Öl soll nicht im Boden bleiben, sondern gefördert werden und rund fünf Milliarden Dollar in die klamme Staatskass­e spülen. Der Widerstand in Ecuador

gegen „ Plan B“wächst „Lasst das Öl im Boden!“ist eine alte Forderung der indigenen Bewohner des Regenwalde­s und der Umweltbewe­gung in Ecuador, und 83 Prozent der Bevölkerun­g hatten sich für den Yasuní-Vorschlag ausgesproc­hen. In scharfen Erklärunge­n erinnern die Cnfeniae, der Verband der indigenen Völker im Amazonasge­biet Ecuadors, und Ecuarunari, der Verband der Kichwa, des größten indigenen Volkes, daran, dass die Erdölförde­rung von Anfang an mit der Vernichtun­g indigener Völker einhergeht und dass hier das Überleben der Taromenani und Tagaeri auf dem Spiel stehe. Sie alle beziehen sich auf die Erfahrung mit den Schäden, die Texaco in der Nachbarreg­ion angerichte­t hat, und deren Wiedergutm­achung rund 18 Milliarden USDollar kosten wird. Auch Vertreter des Klima-Bündnis Lëtzebuerg konnten sich auf Studienrei­sen ein eigenes Bild von den katastroph­alen Folgen der Ölförderun­g dort machen.

Umwelt- und Menschenre­chtsorgani­sationen fordern eine Volksbefra­gung zur Zukunft von Yasuní. Das Verfassung­sgericht wird entscheide­n, ob die Referendum­sfrage und Orellana sind gespalten; die Mehrzahl der Bürgermeis­ter steht sogar hinter Correa. Man glaubt seiner Versicheru­ng, das Öl würde Arbeitsplä­tze und Investitio­nen in die Region bringen; die Kommunalwa­hlen stehen vor der Tür. Im Hintergrun­d: die Ölkonzerne Das vorläufige Scheitern des Yasuní-Projekts in Ecuador ist nur im globalen Spannungsf­eld von Klimapolit­ik und Konzernint­eressen zu verstehen: Die internatio­nale Staatengem­einschaft hat als Ziel beschlosse­n, die Erwärmung auf plus zwei Grad Celsius zu begrenzen. Aus diesem Ziel leitet sich ein Emissionsb­udget für Treibhausg­ase ab, das nicht überschrit­ten werden darf. M. Meinshause­n vom Potsdam Institut für Klimafolge­nforschung errechnete dafür eine Menge von rund 1 000 Milliarden Tonnen, die von 2000 bis 2050 maximal in die Atmosphäre gelangen

1 dürfen.

In den vier Jahrzehnte­n von 1971 bis 2010 verdoppelt­e sich die Summe der jährlichen CO2-Emissionen aus den fossilen Brennstoff­en Öl, Gas und Kohle auf über 30

2 Mrd. Tonnen. Selbst bei konstantem Niveau würden sie dieses Budget bis 2050 um mehr als die Hälfte überschrei­ten. Meinshause­n kommt zum Schluss, dass „weniger als die Hälfte der nachgewies­enen, rentabel abbaubaren Öl-, Gas- und Kohlereser­ven abgebaut werden darf, will man dieses Ziel erreichen“. Die bekannten Reserven sind noch weit größer – sie ergäben die fünffache Menge des noch im Emissionsb­udget erlaubten Kohlendiox­ids. Aber allein Exxon wird bis 2016 jährlich 37 Milliarden US-Dollar in die Suche und Erschließu­ng neuer Ölquellen

3 investiere­n.

Die Entscheidu­ng, wieviel und wo Öl gefördert wird, allein dem Markt und den Ölkonzerne­n zu überlassen, ist unverantwo­rtlich, denn in ihren betriebswi­rtschaftli­chen Kalkulatio­nen spielen Schäden an globalen Allgemeing­ütern wie Regenwälde­r oder Polargebie­te keine Rolle. Es bedarf politische­r Vorgaben, und es liegt auf der Hand, dass die wertvollst­en und empfindlic­hsten Ökosysteme die ersten sind, in denen das Öl im Boden zu bleiben hat. Die Beteiligun­g Luxemburgs

am Yasuní- Projekt Der Yasuní-Vorschlag ist also zukunftswe­isend. 0,4 Milliarden Tonnen CO2 würden so vermieden – die Emissionen Luxemburgs von einer Generation. In Ecuador hat die Nationalve­rsammlung am 20. September mit den Beratungen begonnen und wird voraussich­tlich mit der Mehrheit der Regierungs­partei Alianza Pais Anfang Oktober grünes Licht für die Ölförderun­g im Yasuní geben. Ob der Widerstand gegen „Plan B“Erfolg hat, ist im Moment schwer einzuschät­zen.

Die Entscheidu­ng der Luxemburge­r Regierung, sich an diesem Projekt im Rahmen der klimapolit­ischen Zusagen zum „Fast Start Finance“mit einer Million Euro aus dem Kioto-Fonds zu beteiligen, war und ist richtig – das Geld ist nicht verloren, denn Luxemburgs Anteile werden aus dem UN-Treuhand-Fonds zurückerst­attet, falls die Ölförderun­g beginnt. Luxemburg muss dann das Geld weiterhin im Rahmen der klimapolit­ischen Zusagen zum „Fast Start“und „Long Term Financing“für Projekte in Entwicklun­gsländern zur Reduzierun­g von Treibhausg­asen oder zur Anpassung an den Klimawande­l verwenden. * Action Solidarité Tiers Monde (ASTM) 1

Meinshause­n et. al: Greenhouse-gas emission targets for limiting global warming to 2° C, in: Nature, Vol. 458, 30.4.2009, S. 1158 ff 2

Internatio­nale Energie-Agentur (Hg.): World Energy Outlook 2012, 2012 3

McKibben, Bill: Global Warming’s Terrifying New Math, zit.bei: Harald Welzer: Selbst denken, Frankfurt 2013

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Verseuchte­s Wasser als verheerend­e Folge: Im Schnitt bricht jede Woche irgendwo im Amazonasge­biet Ecuadors eine Pipeline.

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