„Netanjahu hat überreagiert“
Laut Meir Javedanfar wird es eine von Israel gewünschte Nulllösung nicht geben
Ja. Alles deutet darauf hin.
Interview mit israelischem Iranexperten
Meir Javedanfar gilt als einer der besten Irankenner im Nahen Osten. Der in Isfahan geborene und aufgewachsene Akademiker ist Professor für iranische Gegenwartspolitik am Interdisciplinary Center (IDC) im israelischen Herzliya und Berater der Vereinten Nationen.
Wissen Sie, wie der Deal zwischen Iran und dem Westen aussieht? Wir müssen von einer Zwischenlösung, keinem endgültigen Deal sprechen. Iran wird auf die Urananreicherung auf 20 Prozent verzichten und auch seine neue Generation von IR-2-Zentrifugen, die bis zu fünf Mal schneller arbeiten als die alten Modelle, erst einmal stilllegen. Auch von dem bereits auf 20 Prozent angereicherten Uran, immerhin 200 Kilo, wird sich der Iran einmal trennen müssen.
Werden die Hardliner in Teheran um Revolutionsführer Ali Chamenei dieser Zwischenlösung zustimmen?
Kerry verhandelte gestern erneut direkt mit dem iranischen Außenminister. Das deutet auf einen Politikwechsel der Amerikaner im Nahen Osten hin? Die USA wollten schon lange, seit mehreren Jahren, mit Teheran ins Gespräch kommen. Nur die Iraner wollten nicht. Unter Ruhani hat sich das nun geändert. Er befürchtet, dass der Westen dem Iran dauerhaft gestatten wird, Uran anzureichern und dass eines Tages mit den vorhandenen Technologien im Iran eine Atombombe gebaut werden kann. Netanjahu hat überreagiert. Das in Genf erzielte Verhandlungsergebnis ist noch längst nicht endgültig ist. Erzielt wurde lediglich eine Zwischenlösung, offenbar für sechs Monate. voranzutreiben. Das wird ziemlichen Ärger mit den USA geben, den Israel eigentlich nicht will.
Ist Israel nicht besorgt, dass Israel seine bislang unangefochtene Vormachtstellung im Nahen Osten verlieren könnte, wenn die USA sich dem Iran annähern? Nein. Netanjahu will nicht, dass dieses Regime, das er verteufelt, eines Tages Atomwaffen besitzt.
Glauben Sie, als unabhängiger Analyst, dass Iran nach Atomwaffen strebt? Ja. Eine politische Entscheidung, Atomwaffen herzustellen, ist in Teheran zwar nicht getroffen worden. Aber die Art und Weise, wie die Iraner bislang ihre Aktivitäten immer wieder verschleiert haben, deutete auf das Streben nach einer nuklearen Option hin. Man wollte die Option, mit den vorhandenen Technologien eines Tages eine Bombe bauen zu können.
Und die in Genf offenbar erzielte Zwischenlösung lässt den Iranern aus der Sicht Israels alle Optionen offen? Richtig. Wir müssen aber die endgültige Lösung abwarten. Ich denke, dass Iran dann die nukleare Option genommen werden wird.
Welche Möglichkeiten hat Israel, um die so heftig angeprangerte Zwischenlösung zu verhindern? Gar keine. Wir müssen jetzt abwarten. Nüchtern betrachtet, ist ein Verzicht auf eine Urananreicherung von 20 Prozent sowie andere Einschränkungen für Israel erst einmal gar nicht so schlecht. Dabei darf es aber nicht bleiben. Wenn es aber bei der Zwischenlösung bleibt, dann ist das für Israel tatsächlich katastrophal. Der Iran muss seine praktisch bombensichere unterirdische Urananreicherungsanlage in Fordo stilllegen.
Was bekommen die Iraner für ihre Zugeständnisse von den USA und Europa? Vielleicht werden Sanktionen gelockert werden. Sicher scheint jedoch, dass der Westen blockierte iranische Ölgelder, und die Rede ist da von 50 Milliarden Dollar, freigeben werden. Ich finde das in Ordnung. Wir geben den Iranern, was ihnen gehört, sie tun, was wir wollen.
Am Ende wird der Westen das iranische Recht auf ein ziviles iranisches Atomprogramm wohl anerkennen? Ganz sicherlich. Und auch die Sanktionen werden aufgehoben werden, wenn die Iraner ihre Anreicherung weiter reduzieren und einige ihrer Anlagen stilllegen. Vor allem das bombensichere Fordo. Das wäre ein guter Deal, mit dem auch Israel leben könnte.
Auch Netanjahu? Er will die Nulllösung, die es nicht geben wird.