Luxemburger Wort

„Netanjahu hat überreagie­rt“

Laut Meir Javedanfar wird es eine von Israel gewünschte Nulllösung nicht geben

- INTERVIEW: MICHAEL WRASE

Ja. Alles deutet darauf hin.

Interview mit israelisch­em Iranexpert­en

Meir Javedanfar gilt als einer der besten Irankenner im Nahen Osten. Der in Isfahan geborene und aufgewachs­ene Akademiker ist Professor für iranische Gegenwarts­politik am Interdisci­plinary Center (IDC) im israelisch­en Herzliya und Berater der Vereinten Nationen.

Wissen Sie, wie der Deal zwischen Iran und dem Westen aussieht? Wir müssen von einer Zwischenlö­sung, keinem endgültige­n Deal sprechen. Iran wird auf die Urananreic­herung auf 20 Prozent verzichten und auch seine neue Generation von IR-2-Zentrifuge­n, die bis zu fünf Mal schneller arbeiten als die alten Modelle, erst einmal stilllegen. Auch von dem bereits auf 20 Prozent angereiche­rten Uran, immerhin 200 Kilo, wird sich der Iran einmal trennen müssen.

Werden die Hardliner in Teheran um Revolution­sführer Ali Chamenei dieser Zwischenlö­sung zustimmen?

Kerry verhandelt­e gestern erneut direkt mit dem iranischen Außenminis­ter. Das deutet auf einen Politikwec­hsel der Amerikaner im Nahen Osten hin? Die USA wollten schon lange, seit mehreren Jahren, mit Teheran ins Gespräch kommen. Nur die Iraner wollten nicht. Unter Ruhani hat sich das nun geändert. Er befürchtet, dass der Westen dem Iran dauerhaft gestatten wird, Uran anzureiche­rn und dass eines Tages mit den vorhandene­n Technologi­en im Iran eine Atombombe gebaut werden kann. Netanjahu hat überreagie­rt. Das in Genf erzielte Verhandlun­gsergebnis ist noch längst nicht endgültig ist. Erzielt wurde lediglich eine Zwischenlö­sung, offenbar für sechs Monate. voranzutre­iben. Das wird ziemlichen Ärger mit den USA geben, den Israel eigentlich nicht will.

Ist Israel nicht besorgt, dass Israel seine bislang unangefoch­tene Vormachtst­ellung im Nahen Osten verlieren könnte, wenn die USA sich dem Iran annähern? Nein. Netanjahu will nicht, dass dieses Regime, das er verteufelt, eines Tages Atomwaffen besitzt.

Glauben Sie, als unabhängig­er Analyst, dass Iran nach Atomwaffen strebt? Ja. Eine politische Entscheidu­ng, Atomwaffen herzustell­en, ist in Teheran zwar nicht getroffen worden. Aber die Art und Weise, wie die Iraner bislang ihre Aktivitäte­n immer wieder verschleie­rt haben, deutete auf das Streben nach einer nuklearen Option hin. Man wollte die Option, mit den vorhandene­n Technologi­en eines Tages eine Bombe bauen zu können.

Und die in Genf offenbar erzielte Zwischenlö­sung lässt den Iranern aus der Sicht Israels alle Optionen offen? Richtig. Wir müssen aber die endgültige Lösung abwarten. Ich denke, dass Iran dann die nukleare Option genommen werden wird.

Welche Möglichkei­ten hat Israel, um die so heftig angeprange­rte Zwischenlö­sung zu verhindern? Gar keine. Wir müssen jetzt abwarten. Nüchtern betrachtet, ist ein Verzicht auf eine Urananreic­herung von 20 Prozent sowie andere Einschränk­ungen für Israel erst einmal gar nicht so schlecht. Dabei darf es aber nicht bleiben. Wenn es aber bei der Zwischenlö­sung bleibt, dann ist das für Israel tatsächlic­h katastroph­al. Der Iran muss seine praktisch bombensich­ere unterirdis­che Urananreic­herungsanl­age in Fordo stilllegen.

Was bekommen die Iraner für ihre Zugeständn­isse von den USA und Europa? Vielleicht werden Sanktionen gelockert werden. Sicher scheint jedoch, dass der Westen blockierte iranische Ölgelder, und die Rede ist da von 50 Milliarden Dollar, freigeben werden. Ich finde das in Ordnung. Wir geben den Iranern, was ihnen gehört, sie tun, was wir wollen.

Am Ende wird der Westen das iranische Recht auf ein ziviles iranisches Atomprogra­mm wohl anerkennen? Ganz sicherlich. Und auch die Sanktionen werden aufgehoben werden, wenn die Iraner ihre Anreicheru­ng weiter reduzieren und einige ihrer Anlagen stilllegen. Vor allem das bombensich­ere Fordo. Das wäre ein guter Deal, mit dem auch Israel leben könnte.

Auch Netanjahu? Er will die Nulllösung, die es nicht geben wird.

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Meir Javedanfar gilt als einer der besten Irankenner im Nahen Osten.

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