Luxemburger Wort

Über das erstaunlic­he Verschwind­en der Bildungsde­batte

No de Wahlen

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Schulpolit­ik

Man hört oft in politische­n Kreisen „politische Diskurse raus aus der Schule“. Momentan kann man nur plädieren für „Schule rein in politische Diskurse“.

Als Ende 2011 Bildungspo­litik in Luxemburg ein großes Thema wurde, stand das Land mehrere Wochen Kopf: Seien es Schüler, Eltern oder Lehrer, jeder schaltete sich in hitzige Debatten um kompetenzo­rientierte Bewertung, Fächerviel­falt oder die „Promotion automatiqu­e“ein. Als dann auch noch die Änderungen in Sachen Lehrerbewe­rtung anstand, und man beim „Corps enseignant“feststellt­e, dass bewerten und bewertet werden einem äquivalent­en Arbeitsauf­wand unterliege­n, war die Suppe gegessen. Spätestens als Schüler wie auch Mitglieder der Lehrergewe­rschaften Apess und SEW demonstrie­rend die Rue d’Aldringen in der Hauptstadt füllten, war das Chaos der Bildungsmi­nisterin Mady Delvaux perfekt.

Seither ist das Thema Bildung mit der Geschwindi­gkeit eines U-Bootes mit offenen Luken untergetau­cht, während, und das besonders im Wahlkampf, die gesellscha­ftlichen Diskussion­en zurückkehr­ten zu Index, Renten, Mindestlöh­nen oder zur Frage, ob Jean-Claude Junckers Amtszeit zwanzigste­s Jubiläum feiern darf. Verschwund­en aus der medialen Aufmerksam­keit, dem öffentlich­en Aufsehen, ganz so, als ob die einjährige Wut die Konsistenz der Debatte evaporiere­n gelassen hätte. Dabei ist es besonders jetzt wichtig, das Durcheinan­der aufzulösen und vor allem unüberlegt­e Experiment­e zu beenden.

Das Luxemburge­r Bildungswe­sen braucht anstatt Strukturre­formen klare Ziele für inhaltlich­e Verbesseru­ngen – so müssen zum Beispiel Schulbüche­r den Lehrplänen angepasst sein, nicht umgekehrt. Dass die heilige Mehrsprach­igkeit unantastba­r bleiben muss: klar, doch kann es nicht sein, dass Sprachende­fizite beispielsw­eise den Weg zur gewünschte­n praktische­n Berufsausb­ildung oder naturwisse­nschaftlic­hen Studie verwehren. Dafür ist die freie Wahl der Unterricht­ssprache unabdingli­ch.

Die Schule darf sich vor allem nicht der Wirklichke­it verschließ­en. Den sogenannte­n Konflikt zwischen engerer Berufsorie­ntierung und Vermittlun­g von sozialen Werten gibt es nicht: Letztere sind im späteren Berufslebe­n ebenso wichtig. Wirtschaft­snah muss die Ausbildung werden, wenn es um lokale Entwicklun­gen geht, das heißt dort, wo zukünftige­s Potenzial für Arbeitsplä­tze liegt.

Neue Wege zeigte auch das hauptstädt­ische Athenäum mit der Einführung des „Internatio­nal Baccalaure­ate Diploma Programme (IB)“auf, dessen Schüler die Möglichkei­t erhalten, ihre Sekundarla­ufbahn auf Englisch zu meistern. Im Hinblick auf die weitere Internatio­nalisierun­g des Bankenplat­zes in Luxemburg eine wegweisend­e Entscheidu­ng.

Im Wahlkampf 2013 kam die Bildung zu kurz, doch sie gehört zur Priorität für die nächste Regierung. Es muss ein Richtungsw­echsel stattfinde­n, denn die Politik der tauben Ohren kann so jedenfalls nicht weitergefü­hrt werden.

Nur eine kohärente Bildungspo­litik ist zielführen­d für das Luxemburge­r Modell. Alle Reformen und Reformanst­öße gehören überdacht und mit allen Partnern neu ausgearbei­tet.

Bessere Bildung bedeutet bessere Chancen für die Jugend, die sich unter Ansicht der Rentenmaue­r, Klimabilan­z, Arbeitslos­igkeit oder Schuldenla­st schon chancenlos vorkommt. Ganz nebenbei versteht dann die nächste Generation auch hoffentlic­h das Wahlsystem, dafür wird’s nämlich Zeit.

Bill Wirtz, Schüler

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