Aufbruch zur Achtsamkeit
Vor einigen Jahren traf ich in Saintes in Süd-West-Frankreich auf ein paar muntere Luxemburger, die sich am Ufer der Charente niedergelassen hatten und unter schattigen Platanen ihr Baguette verzehrten. Nach kurzer Rast wollten sie wieder aufbrechen, immer dem Zeichen der Jakobsmuschel nach. Es waren Pilger auf dem Weg nach Santiago de Compostela. Einige von ihnen sind die strapaziöse Strecke bereits mehrmals gegangen. Auch mein Freund Frank Elstner hat sich eines Tages aufgemacht, um auf dem Jakobsweg neue Erfahrungen zu sammeln. Ein Buch über eine solche Pilgerreise ist keine Erfindung von TV-Star Hape Kerkeling. Bereits 1495 hat ein gewisser Herr von Vach den Wanderern auf dem Jakobsweg wertvolle Tipps gegeben, Stege und Wege beschrieben und Stellen, an denen sich jeder Jakobsbruder mit Essen und Trinken versorgen kann. Pilgern ist kein Abenteuerurlaub. Diese Erfahrung hat auch der Journalist Franz Alt gemacht, der mit einer kleinen Gruppe in Norwegen unterwegs war. Pilgern – so heißt es – führe zu mehr Achtsamkeit, zu innerer Ruhe, zu Entschleunigung in unserer hektischen Zeit. Franz ist mit den Seinen auf dem Olavsweg gepilgert, der sich durch wildromantische Landschaften von Hamar nach Trondheim zieht, vorbei an einsamen Wasserfällen und berauschenden Blumenwiesen. Am Ende steht da der Nidaros-Dom, in dem König Olav begraben ist, über den man sich noch heute wahre Wundergeschichten erzählt. Er ist ein Volksheiliger, der Ur-König der Norweger. „Schon am Beginn des Pilgerwegs spüre ich den Geist derer, die seit einem Jahrtausend hier vor uns gepilgert sind und uns jetzt begleiten“, notiert Franz in sein Tagebuch. „Farbe gesellt sich an Farbe und Duft zu Duft in Harmonie.“Sie übernachten auf Matratzen in gemütlichen Blockhäusern, speisen auf Bauernhöfen und legen in einer Steinsammlung einen Stein nieder, den sie von zu Hause mitgebracht haben und der ihnen im wahrsten Sinne von der Seele gefallen ist. Die Rituale auf dem Pilgerweg, das gemeinsame Meditieren und Singen, das Zusammensein mit anderen, tun nicht nur dem Körper, sondern vor allem Geist und Seele gut. „Die Natur hat die Kraft zu heilen und zu helfen“, schreibt Franz Alt. „Wandern und Wandlung haben in unserer Sprache dieselbe Wurzel. Wer wandert, wandelt sich mit jedem Schritt.“ Buchtipp: Franz Alt u.a.: „Aufbruch zur Achtsamkeit. Wie Pilgern unser Leben verändert.“Kreuz Verlag, 16,99 Euro.