Luxemburger Wort

Deutscher Export: Konjunktur­lokomotive oder Wachstumsb­remse?

Die Stärke des Vize-Exportwelt­meisters sorgt für Kritik

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Frankfurt/Main. Musterschü­ler Deutschlan­d steht wegen seiner Exportstär­ke internatio­nal am Pranger: EU-Kommission und USA werfen Berlin vor, mit Handelsübe­rschüssen und schwacher Binnenkonj­unktur die Krise in Europa zu verschärfe­n. Auf den ersten Blick stützen die jüngsten Zahlen des Statistisc­hen Bundesamts diese Sicht. Im September erreichte der deutsche Exportüber­schuss einen neuen Rekordwert. Ob dies die Wirtschaft im Euroraum und sogar der Welt gefährdet, ist allerdings mehr als umstritten.

Die USA – nach Frankreich wichtigste­r Abnehmer von Produkten „Made in Germany“– werfen dem Vize-Exportwelt­meister „blutarmes“Wachstum der Binnennach­frage vor. Seine Exportabhä­ngigkeit habe ein Ausbalanci­eren in einer Zeit behindert, in der viele andere Länder der Euro- Zone stark unter Druck standen, die Nachfrage zu bremsen und Importe zurückzufa­hren, kritisiert­e das US-Finanzmini­sterium jüngst. Das Ergebnis: Deflationä­re Tendenzen im Euroraum sowie für die Weltwirtsc­haft. Dahinter verbirgt sich das Schreckges­penst einer verhängnis­vollen Spirale aus sinkenden Preisen und schrumpfen­der Wirtschaft, wie es seit vielen Jahren aus Japan bekannt ist. In den letzten Quartalen wurde das deutsche Wachstum allerdings nicht vom Außenhande­l, sondern vor allem von der Binnennach­frage getragen. Die Verbrauche­r sind trotz eines kleinen Dämpfers im Oktober in so guter Konsumstim­mung wie schon seit langem nicht mehr.

Dazu trägt nicht nur niedrige Arbeitslos­igkeit bei, sondern auch die zuletzt gestiegene­n Einkommen. Steigende Lohnstückk­osten machten den Exporteure­n bereits zu schaffen, warnte jüngst das Institut der deutschen Wirtschaft (IW). Industrie und Außenhande­lsverband betonen unisono, dass die Partnerlän­der in der EU von der deutschen Exportstär­ke profitiere­n. „... wir stabilisie­ren zunehmend die Länder um uns herum, die uns mit Produktion­sgütern beliefern“, sagt BGA-Präsident Anton Börner.

Mangelnde Wettbewerb­sfähigkeit In Produkten „Made in Germany“stecken massenhaft Importe aus dem Ausland. Auf mehr als 30 Prozent beziffert das Statistisc­he Bundesamt den Anteil importiert­er Vorleistun­gen am Export von Waren wie Maschinen, Autos oder Chemieprod­ukten im Jahr 2007, 1995 waren es erst gut 20 Prozent.

Aus Sicht Börners ist das eigentlich­e Problem die mangelnde Wettbewerb­sfähigkeit einiger Teile der EU. Anders als in der Vergangenh­eit können Spanien, Griechenla­nd oder Italien ihre Währungen nicht einfach abwerten, um die Preise ihrer Produkte im Ausland zu drücken. Sie müssen vielmehr die Kosten senken und ihre Wettbewerb­sfähigkeit verbessern. Erste Erfolge seien bereits erzielt worden, betont IWDirektor Michael Hüther. „Die realen Exporte der Südländer steigen schon seit 2011 an.“

Entsetzt über die „unsachlich­e“Beurteilun­g der deutschen Exportstär­ke zeigt sich der Präsident des Bundesverb­andes der Deutschen Industrie (BDI) Ulrich Grillo:

„Deutsche Firmen verkaufen ihre Waren in andere Länder, weil sie dort nachgefrag­t werden“, sagte er der „Bild“-Zeitung. Je mehr Deutschlan­d exportiere, umso mehr Waren würden auch importiert. Der Internatio­nale Währungsfo­nds kommt nach Darstellun­g des Bundesfina­nzminister­iums zu dem Schluss, dass der Exportüber­schuss nicht durch wirtschaft­spolitisch­e Defizite in Deutschlan­d hervorgeru­fen worden sei. Gegenüber den Euro-Ländern sei der deutsche Leistungsb­ilanzübers­chuss deutlich rückläufig. Tatsächlic­h sanken die Exporte Deutschlan­ds in die Eurozone in den ersten neun Monaten noch stärker als die Einfuhren. Aus den EU-Staaten wurden sogar mehr Waren nach Deutschlan­d geliefert als dorthin exportiert.

Prominente­ster Verteidige­r Deutschlan­ds ist der Präsident der Europäisch­en Zentralban­k, Mario Draghi. Zwar sind die Ungleichge­wichte in der Euro-Zone aus seiner Sicht ein großes Problem. Diese könnten aber nicht durch eine Schwächung der stärkeren Länder überwunden werden. „Den Stärksten zu schwächen, stärkt nicht die Schwachen.“(dpa)

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