Chinas Wirtschaft schwächelt, Militärausgaben steigen
Der Premierminister rechnet in diesem Jahr mit dem niedrigsten Wirtschaftswachstum seit fast drei Jahrzehnten
Je schlechter es Chinas Wirtschaft geht, desto mehr scheint die kommunistische Führung auf ihr Militär zu setzen. So lässt sich das Regierungsprogramm des chinesischen Premierministers Li Keqiang zusammenfassen, das er zum Auftakt der Jahrestagung des Nationalen Volkskongresses den rund 3 000 Delegierten gestern morgen vorgestellt hat.
Die chinesische Wirtschaft wird in diesem Jahr den Prognosen des Premiers zufolge mit sechs bis 6,5 Prozent so langsam wachsen wie seit fast drei Jahrzehnten nicht. Das Militärbudget hingegen will die Führung um 7,5 Prozent anheben. Im vergangenen Jahr wuchs die Wirtschaft noch um 6,6 Prozent, der Verteidigungshaushalt wurde gar um 8,1 Prozent angehoben. „Der Abwärtsdruck auf die chinesische Wirtschaft nimmt weiter zu“, musste Li in seinem Rechenschaftsbericht zugeben. Das Wachstum im Konsum lasse nach, den Investitionen fehle der Schwung. Er kündigte unter anderem Steuererleichterungen an.
Den hohen Militäretat verteidigte er mit dem Argument, dass auch China von den wachsenden Unsicherheiten auf der Welt betroffen sei. Die „Souveränität, Sicherheit und Entwicklungsinteressen“des Landes müssten geschützt werden, betonte Li. Dafür müsse China seine Streitkräfte weiter stärken und das „Training unter Kampfbedingungen“verbessern.
Auf die angeblichen Bedrohungen ging er in seiner fast zweistündigen Rede nicht ein. Vor dem Hintergrund der Spannungen im Süd- und Ostchinesischen Meer wird der Ausbau des chinesischen Militärs insbesondere von den Anrainerstaaten mit großer Sorge betrachtet. China betrachtet beide Gewässer, durch die inzwischen die meistgenutzten Handelswege der Welt führen, als ihr Territorium. Mit dem Bau von Militärbasen auf künstlich aufgeschütteten Inseln versucht sie die Anrainerstaaten vor vollendeten Tatsachen zu stellen. Dieses Vorgehen ist auch den USA ein Dorn im Auge, die ihrerseits in der Region aufrüstet.
Taiwan im Fokus In einem Punkt wurde der Premier dann aber doch konkret. Unverhohlen bekräftigte er das Ziel der Führung, Taiwan wieder einzuverleiben. Die vorgelagerte Insel mit seinen 20 Millionen Einwohnern erkennen die meisten Ländern formal zwar nicht mehr als unabhängigen Staat an, wird de facto aber seit 70 Jahren unabhängig regiert – und anders als die Volksrepublik demokratisch. China werde entschieden gegen „separatistische“Aktivitäten vorgehen, die nach Unabhängigkeit strebten, wetterte Li.
China verfügt mit geschätzten 250 Milliarden US-Dollar über den zweithöchsten Verteidigungshaushalt der Welt. Die USA geben zwar mehr als doppelt so viel aus. Doch die chinesische Volksbefreiungsarmee ist bei weitem nicht an so vielen Auslandseinsätzen beteiligt wie das Militär der USA. Zudem werden viele Militärausgaben in China durch andere Haushaltsposten abgedeckt. Der tatsächliche Verteidigungsetat dürfte daher doppelt so hoch sein, manche Experten gehen gar von dreifach so vielen Ausgaben für das Militär aus.
Offiziell ist der Volkskongress ein Parlament und Chinas höchstes Gremium. Doch die fast 3 000 Delegierten, die einmal im Jahr für diese zweiwöchige Plenarsitzung zusammen kommen, haben nicht wirklich was zu sagen. Sie nicken bloß ab, was ihnen die kommunistische Führung vorgibt. Sie nutzt die zwei Plenarwochen jedoch, um dem Land die Eckpunkte ihrer Politik darzulegen.