Trudeau beklagt Vertrauensverlust in Affäre um Ingenieurkonzern
Kanadischer Regierungschef räumt Fehler ein, entschuldigt sich jedoch nicht bei der früheren Justizministerin
Von Gerd Braune (Ottawa) Der kanadische Premierminister Justin Trudeau hat in der Justizaffäre um den Ingenieurkonzern SNC-Lavalin, die seine politische Zukunft bedroht, den Vertrauensverlust innerhalb seiner Regierung bedauert. Dies hätte er als Regierungschef erkennen müssen. Trudeau sieht aber keinen Grund, sich bei der früheren Justizministerin Jody Wilson-Raybould zu entschuldigen. Versuch eines Befreiungsschlags Erstmals nahm der Regierungschef ausführlich Stellungnahme zu der Krise, die den bevorstehenden Wahlkampf zu überschatten und seine Wiederwahl im Oktober zu bedrohen scheint. Trudeau hat in den vergangenen zwei Wochen zwei prominente Ministerinnen seines Kabinetts – die ehemalige Justizministerin Wilson-Raybould und Ex-Gesundheitsministerin Jane Philpott – verloren. Sein Chefberater Gerald Butts war ebenfalls von seinem Amt zurückgetreten.
Die Pressekonferenz am frühen Donnerstagmorgen in Ottawa war als Versuch Trudeaus gesehen worden, einen Befreiungsschlag zu führen und die Aufmerksamkeit wieder auf die Arbeit der Regierung zu lenken. Ob ihm dies gelungen ist, ist fraglich. Trudeau räumte Fehler ein. Er habe nicht erkannt, dass es eine „Erosion des Vertrauens“vor allem zwischen seinem Berater Butts und der Ministerin gegeben habe. Er wünschte, er hätte öfter persönlich mit Wilson-Raybould gesprochen, statt dies seinen Mitarbeitern zu überlassen.
Dem Bau- und Ingenieurkonzern SNC-Lavalin wird vorgeworfen, zwischen 2001 und 2010 libyschen Regierungsbeamten Schmiergelder gezahlt zu haben, um dort Aufträge zu bekommen. Im Zentrum der Affäre steht die Frage, ob Mitarbeiter des Premierministers oder gar der Regierungschef im Herbst – letztendlich vergeblich – versucht haben, Wilson-Raybould zu bewegen, eine außergerichtliche Einigung mit dem in Montreal ansässigen Unternehmen anzustreben. Damit könnte diesem ein Strafverfahren ersparen bleiben. Im Falle einer Verurteilung droht dem Unternehmen der Ausschluss von Regierungsaufträgen in Kanada. Dies bedroht nach Aussage Trudeaus Arbeitsplätze in Kanada.
Er und seine Mitarbeiter hätten in den Gesprächen mit der Ministerin deutlich machen wollen, welche Gefahren für Arbeitsplätze bei SNC-Lavalin aufkommen würde, falls der Konzern in einem Bestechungsprozess schuldig gesprochen würde, sagte Trudeau. Er habe die Ministerin gebeten, dies alles zu bedenken. Ihm sei nicht klar gewesen, dass die Ministerin ihre Entscheidung getroffen habe und davon nicht abrücken wolle. Trudeau bedauerte, nicht klarer mit Wilson-Raybould darüber gesprochen zu haben. Ziel sei nicht gewesen, in ihre Kompetenzen einzugreifen. Es sei aber Aufgabe der Regierung, sich für den Erhalt von Arbeitsplätzen einzusetzen.