Starke Frauen, starke Geschichten
Von Anne Heintz Düdelingen. Ehre, wem Ehre gebührt: In Zuge des gestrigen Weltfrauentags wurden in der Düdelinger Neubausiedlung Lenkeschléi fünf Straßen und ein Begegnungsplatz eingeweiht, die nach bedeutenden Frauen benannt wurden. Bei den sechs Frauen handelt es sich nicht um große internationale Persönlichkeiten, sondern um Frauen aus Düdelingen, deren Verdienste die Stadt nachhaltig geprägt haben.
Ob Widerstandskämpferin, Frauenrechtlerin, Politikerin, Sozialarbeiterin oder Elitesportlerin – die sechs Düdelinger Frauen haben alle etwas gemeinsam: Sie sind Vorreiter ihrer Zeit. Marie CarmesHeffenisch, Andrée Viénot-Mayrisch, Cécile Biever-Wagner, Marthe Bigelbach-Fohrmann, Marie Berg-Clausse und Milly SteinmetzLudwig scheuten sich nicht in einer Zeit, in der Chancengleichheit und Gleichberechtigung von Männern und Frauen fernab jeder Realität waren, ihren politischen, privaten sowie beruflichen Überzeugungen zu folgen und diesen Ausdruck zu verleihen.
„Diese Frauen haben eine Vorbildfunktion und zeigen Frauen von heute einen möglichen Weg für ihr eigenes Leben. Sie haben für etwas eingestanden, sind ihren Ideen und Überzeugungen gefolgt, obwohl dies zu der damaligen Zeit eine gute Portion Mut erforderte. Es soll Frauen von heute dazu motivieren, Gleiches zu tun“, betont Bürgermeister Dan Biancalana.
Mit ihrem Engagement haben die sechs Frauen in der Südgemeinde unvergessene Spuren hinterlassen. So wurde die Benennung der fünf Straßen und des Begegnungsorts im Stadtteil Lenkeschléi auf Vorschlag der Kommission für Gleichstellung und Nichtdiskriminierung am 13. Februar 2015 einstimmig im Düdelinger Gemeinderat gutgeheißen. Das Stadtviertel Lenkeschléi ist zudem das einzige Wohnviertel hierzulande, dessen Straßen ausschließlich nach Frauen benannt wurden. Zehn Straßen mit Frauennamen „Die Initiative führt zurück auf ein Projekt des Conseil national des femmes du Luxembourg im Jahr 2009, als dieser sich dafür einsetzte, dass landesweit mehr Straßen nach weiblichen Persönlichkeiten benannt werden. In unserer Kommission für Chancengleichheit haben wir uns dieser Sache angenommen und diesbezüglich eine Bestandsaufnahme in Düdelingen gemacht“, sagt Chancengleichheitsschöffe René Manderscheid.
Insgesamt zehn Straßen und ein Begegnungsplatz in Düdelingen tragen aktuell den Namen von Frauen. Das macht bei 187 Straßen und öffentlichen Plätzen einen Anteil von sechs Prozent aus. Fünf Straßen wurden bereits zu einem früheren Zeitpunkt nach erfolgreichen Frauen benannt – darunter die in Polen geborene Physikerin und Chemikerin Marie Curie, die luxemburgische Frauenrechtlerin Aline Mayrisch de Saint-Hubert und die heilige Barbara. Die sechs Düdelinger Frauen, um die es im Stadtteil Lenkeschléi geht, haben zwischen 1901 und 2011 gelebt und mischten in unterschiedlichen Bereichen mit: im Sozialwesen, in der Kommunal- und Landespolitik, im Sport und in der Widerstandsbewegung im Zweiten Weltkrieg.
Dominieren der Sozialisten In Anbetracht der politischen Machtverhältnisse im Laufe der Jahre in der Gemeinde Düdelingen – die seit jeher eine SozialistenHochburg ist und in der seit 1945 die LSAP ununterbrochen allein regiert der LSAP besteht – überrascht es nicht, dass drei der sechs Frauen in sozialistischen Kreisen mitwirkten. Zwei von ihnen waren mit bekannten Luxemburger Politikern verheiratet, darunter der sozialistische Abgeordnete und Schöffe Nicolas Biever. Marthe Bigelbach-Fohrmann ist zudem die Tante des Abgeordneten und ehemaligen Düdelinger Bürgermeisters Alex Bodry. Seine Mutter ist die Zwillingsschwester von Marthe Bigelbach-Fohrmann.
In Zukunft sollen weitere Straßenbenennungen mit Frauennamen in Düdelingen folgen. „Sechs Prozent sind noch zu wenig, aber immerhin ein guter Anfang. Zukünftig sollte sich dieser Prozentsatz aber noch deutlicher zugunsten der Frauen entwickeln. Auch wollen wir mit dieser Initiative andere Gemeinden dazu bewegen, den gleichen Weg zu gehen“, so Schöffe René Manderscheid. Marie Heffenisch, geboren am 14. Oktober 1902 in ColmarBerg, zieht 1932 nach Düdelingen und übernimmt dort das Hôtel Hengesch an der heutigen Liberatiounsstrooss. 1941 engagiert sie sich in der lokalen Sektion des Luxemburger Freiheitsbundes (LFB). Das Hotel wird zum Umschlagplatz für illegale Zeitungen und Flugblätter sowie zum Versteck für sieben Widerständler. 1944 wird Marie Carmes-Heffenisch verhaftet und kommt in ein deutsches Frauenstraflager, später auch ins Frauen-Konzentrationslager in Ravensbrück. Ihre Befreiung erfolgt im April 1945. 1968 wird sie mit der Médaille de l’Ordre de la Résistance ausgezeichnet. Marie Carmes stirbt am 9. Januar 1985. Andrée Mayrisch wird am 7. Juni 1901 in Düdelingen geboren und wächst im Casino und in der Mayrisch-Villa in Kräizbierg auf. 1921 fördert sie die Gründung der ersten Girl-Guides-Sektion in Düdelingen. Während ihrer Studien schließt sie sich sozialistischen Studentenkreisen an. Nach 1929 beteiligt sie sich am geheimen Wiederaufbau der sozialistischen Partei in Frankreich. 1944 tritt sie ihre eigene politische Laufbahn an. Von 1946 bis 1947 ist Andrée ViénotMayrisch Abgeordnete der französischen Sektion der Arbeiter-Internationale (SFIO) der Ardennen, von 1953 bis 1976 Bürgermeisterin im Französischen Rocroi. Am 20. Oktober 1976 stirbt sie. Cécile Wagner wird am 4. September 1911 in der Forge du Sud geboren. Als ihr Mann 1965 verstirbt, wird sie Vorsitzende des Foyer de la femme und Präsidentin des Sozialamtes in Düdelingen. Sie nimmt in den 1960er-Jahren zudem an Treffen der Sozialistischen Fraueninternationalen teil. 1969 kandidiert Cécile Biever ein erstes Mal für die LSAP in Düdelingen und wird in den Gemeinderat gewählt. Zwischen 1970 und 1975 ist sie die erste weibliche Gemeinderätin in Düdelingen. Des Weiteren engagiert sie sich bei den Femmes socialistes und ist weiterhin Vorstandsmitglied beim Foyer de la femme. Am 14. Februar 2005 stirbt Cécile Wagner.