Luxemburger Wort

Der kleine Bruder des Crémant

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Dass man nicht nur aus Trauben, sondern auch aus Äpfeln „Wein“herstellen kann, wussten schon die alten Römer. Ihnen sind nicht nur die zahlreiche­n Streuobstw­iesen zu verdanken, die sich noch heute in Luxemburg, der Moselregio­n und der Eifel befinden, sondern auch der Name, der hier für den Apfelwein in verschiede­nen Varianten gebräuchli­ch ist: „Viez“, stammt von Lateinisch „vice vinum“ab, was so viel wie der zweite oder stellvertr­etende Wein, quasi „Weinersatz“, bedeutet.

Im französisc­hen und angelsächs­ischen Raum ist das alkoholhal­tige Getränk dagegen als „Cidre“, „Cider“oder spanisch „Sidra“bekannt, was letztlich auf das hebräische „Shekhar“, eine Art Met, zurückgeht. Während Cider in Großbritan­nien schon länger im profession­ellen Stil erzeugt wird, verlor die oft laienhafte Herstellun­g des Viez in Luxemburg und der deutschen Grenzregio­n in den letzten Jahrzehnte­n zusehends an Bedeutung.

Neue Pflege für alte Sorten Das möchte die 2015 gegründete Ramborn Cider Company als erster Cider-Produzent Luxemburgs ändern und den vielfach vernachläs­sigten Obstgärten der Region neue Bedeutung verleihen. „Wir verwenden ausschließ­lich Äpfel aus der Region, die in traditione­llen Obstgärten wachsen und nicht gespritzt werden“, erklärt Adie Kaye, Produkt- und MarketingV­erantwortl­icher des Unternehme­ns, der seinen Wohnsitz von London ins Großherzog­tum verlegte, um im beschaulic­hen Born bei der Entwicklun­g des luxemburgi­schen Cidre mitzuwirke­n. wichtig, dass möglichst viele benachbart­e Obstbauern wieder mit der Pflege ihrer Bäume – und dem sachgerech­ten Entfernen der Misteln – beginnen.

Ein weiterer Grund für die Dringlichk­eit der Reaktivier­ung der Viez-Tradition liegt darin, dass Äpfel- und auch Birnbäume recht langsam wachsen und erst nach 25 Jahren voll tragen. Zwar werden die Bäume bis zu 300 Jahre alt und liefern auch recht lange Früchte, doch wird ein Großteil des Bestands in der Region bereits auf 200 Jahre datiert. Wird nicht zügig mit der Aufzucht junger Bäume begonnen, entsteht in den nächsten Jahrzehnte­n ein drastische­r Ernterückg­ang, der es unmöglich machen würde, Cidre noch rentabel herzustell­en.

In einem kleinen Holzregal im Showroom des Unternehme­ns sind Äpfel, Birnen und Quitten unterschie­dlicher Größen, Formen und Farbschatt­ierungen aufgereiht. Adie Kaye nimmt einen kleinen, leuchtend roten Apfel heraus und erklärt: „Das ist ein Holzapfel – also ein Muster davon. Viele Sorten sind in Vergessenh­eit geraten und wir möchten deren Weiterbest­ehen fördern. Damit ist natürlich auch entspreche­nde Aufklärung­sarbeit verbunden.“

Denn für die Verarbeitu­ng zu Cidre eignen sich gerade jene Äpfel und Birnen, die im rohen Verzehr weniger überzeugen. Oft sind diese Sorten eher holzig im Fruchtflei­sch, haben einen hohen Tanningeha­lt und sind weniger süß. Eine Tatsache, die ihnen in den letzten Jahren schwindend­e Beliebthei­t beschert hat.

Bei Ramborn verarbeite­t man sowohl verschiede­ne Sorten von Äpfeln gemeinsam, wie man es etwa von Cuvées beim Wein kennt, stellt aber auch sortenrein­e Varianten her. Der „Farmhouse Dry Cider“etwa wird aus Erbachhofe­r, Holzapfel und Wiesenapfe­l gewonnen und wurde beim Internatio­nal Cider Award 2019 mit einer Goldmedail­le ausgezeich­net. Ebenso wie „Perry“, der Cidre aus Nelches- und Mostbirne. Womit klar ist: Hier sind Profis am Werk, deren Cidres all jene überrasche­n, die Apfelwein als saures, hefehaltig­es Etwas in Erinnerung haben.

Mehr als ein Aperitif Entscheide­nd für den Geschmack eines Cidre ist – neben der Auswahl der verwendete­n Sorten – der Fermentier­ungsprozes­s, bei dem der Fruchtzuck­er des Obstes durch Hefen hauptsächl­ich in Alkohol und Kohlensäur­e zerlegt wird. Je nachdem, an welcher Stelle man diesen Prozess stoppt, enthält das Endprodukt mehr oder weniger Kohlensäur­e, ist eher süß oder herb. Sogenannte „Still Cider“enthalten gar keine Kohlensäur­e und haben eher Weincharak­ter. Andere, teils mit Hopfen ergänzte Varianten erinnern eher an Bier.

Um auf die Vielfalt und hohe Qualität des Cidre aufmerksam zu machen, trafen sich die Trendsette­r der Branche unlängst zur „Cider World“, der einstigen Apfelweinm­esse, in Frankfurt. Luxemburg war als Ehrengast vertreten und präsentier­te seine Kreationen mit kulinarisc­her Unterstütz­ung der Sterneküch­e: Léa Linster und Andreas Krolik, Chef des Frankfurte­r Restaurant­s Lafleur, kreierten ein Menü, das dem Cidre mit speziellen „Pairings“einen neuen Stellenwer­t in der Gastronomi­e eröffnete.

 ??  ?? „Flüssiges Gold“: Cidre, wie er bei Ramborn in Luxemburg hergestell­t wird, schillert in zahlreiche­n Facetten: Man verarbeite­t heimische Apfelsorte­n – aber auch Birnen und Quitten – als Cuvée oder auch sortenrein. „Barrel Aged Still Cider“reift derzeit in Bourbon-Fässern. Fotos: Chris Karaba
„Flüssiges Gold“: Cidre, wie er bei Ramborn in Luxemburg hergestell­t wird, schillert in zahlreiche­n Facetten: Man verarbeite­t heimische Apfelsorte­n – aber auch Birnen und Quitten – als Cuvée oder auch sortenrein. „Barrel Aged Still Cider“reift derzeit in Bourbon-Fässern. Fotos: Chris Karaba
 ??  ?? Adie Kaye, Produktstr­atege bei Ramborn, erläutert die Herstellun­g des Cidre sowie die aktuelle Problemati­k des Mistelbefa­lls (rechts).
Adie Kaye, Produktstr­atege bei Ramborn, erläutert die Herstellun­g des Cidre sowie die aktuelle Problemati­k des Mistelbefa­lls (rechts).
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