Wahlschlappe für Gambiakoalition
Die Regierungsparteien LSAP, DP, und Déi Gréng werden bei den Europawahlen 2014 abgestraft
Der Abend des 25. Mai 2014. Auf der Csv-wahlparty bricht lauter Jubel aus nach Bekanntgabe der ersten Wahlergebnisse. Es ist eine Genugtuung für die Christsozialen, die nach dem ungewollten Gang in die Opposition auf nationaler Ebene knapp acht Monate zuvor noch immer ihre Wunden lecken, aber nun Revanche nehmen für den ihrer Ansicht nach unberechtigten Ausschluss von der Regierungsverantwortung. Dies gilt insbesondere für den geschassten Ex-premierminister Jean-claude Juncker – der nach fast 20 Jahren an der Spitze der Luxemburger Regierung Ende 2013 auf den harten Oppositionsbänken in der Chamber Platz nehmen musste. Doch „nur“Oppositionschef auf dem Krautmaart. Das reicht Juncker nicht.
Noch ein letztes Mal schafft Juncker es an der Spitze „seiner“CSV einen überragenden Wahlsieg zu feiern. Mit einem Stimmenanteil von 37,65 Prozent können die Christsozialen ihr bisher bestes Ergebnis bei Europawahlen einfahren, obwohl der „Übervater“nicht auf der Csv-liste zu finden ist. Denn Juncker will seine Karriere nicht als „einfacher“Europa-abgeordneter beenden. Er will an die Spitze der EU. Die Europäische Volkspartei (EVP) hatte Juncker im Vorfeld der Wahlen zu ihrem Spitzenkandidaten gekürt. Juncker setzte sich in einer parteiinternen Abstimmung gegen Michael Barnier durch – mittlerweile besser bekannt als Eu-chefunterhändler in den Brexit-verhandlungen.
Die Europawahlen von 2014 zeichnen sich durch zwei Besonderheiten aus, die beide ein und derselben Quelle entspringen. Denn anders als bei den vorangegangenen Urnengängen finden die Europawahlen nicht parallel zu den Nationalwahlen statt. Wer aber jetzt glaubt, dass dadurch die europapolitischen Themen – insbesondere durch das vom Europaparlament durchgesetzte, neue Spitzenkandidatensystem – den Wahlkampf dominieren würden, der hat sich geschnitten.
Denn gerade die vorgezogenen Neuwahlen von 2013 bestimmen die öffentliche Debatte im Vorfeld der Europawahlen 2014. Der Urnengang – der nach dem Bruch der schwarz-roten Koalition 2013 nötig wurde – und das darauffolgende Zustandekommen der ersten Dreierkoalition unter Ausschluss der immer noch mit Abstand zahlenmäßig stärksten Fraktion (CSV), verärgert viele Wähler, die sich in Teilen von LSAP, DP und Déi Gréng betrogen fühlen.
Die Nachwehen von 2013
Und so verpassen die Wähler den Regierungsparteien einen saftigen Denkzettel. Besonders schwer trifft es die Sozialisten, deren kontinuierlicher Abwärtstrend weiter anhält. Die LSAP – die einst mit den Christsozialen um den Titel der stärksten Partei kämpfte – kommt nur noch auf magere 11,75 Prozent der Stimmen – ein Minus von 7,74 Prozent. Die langjährige Ministerin, Mady Delvaux-stehres (18 186 persönliche Stimmen), zieht für die Sozialisten ins Europaparlament ein.
Dagegen können die Christsozialen von der allgemeinen „Antigambia-stimmung“profitieren und mit 37,65 Prozent ihr bis dato historisch bestes Wahlergebnis von 2004 (37,13) nochmals übertreffen. Im Vergleich zu 2009 ein deutliches Plus von 6,33 Prozent. Es ist nicht zuletzt auch ein „persönlicher Sieg“für Juncker – der kurz darauf der luxemburgischen Politik Adieu sagt und nach Brüssel wechselt.
Blaues Auge für Dreierkoalition
Etwas glimpflicher als die Sozialisten kommen die beiden Koalitionspartner weg. Die Liberalen müssen ebenfalls deutlich Federn lassen. Die DP verliert 3,64 Prozent. Die Grünen landen bei 14,77 Prozent der Stimmen – ein Minus von 2,05 Prozent. Was aber letzten Endes in puncto Mandatsverteilung nichts ändert. Die CSV bleibt bei drei Mandaten, LSAP, DP und Déi Gréng bei einem Sitz. Alle anderen Parteien gehen leer aus.
Nachdem Juncker Eu-kommissionschef wird, hat das Großherzogtum kein Anrecht mehr auf einen weiteren Eu-kommissar. Und so kehrt Viviane Reding mit 78 071 persönlichen Stimmen ins Europaparlament zurück, dem sie bereits von 1989 bis 1999 angehörte, um schließlich während fünfzehn Jahren den Posten des luxemburgischen Kommissars zu bekleiden.
Damit landet Reding 2014 parteiübergreifend auf Platz eins noch vor dem absoluten Rekordhalter Charel Goerens. Zur Erinnerung: Der Europa-abgeordnete konnte 2009 99 081 persönliche Stimmen für sich verbuchen – damit holte Goerens allein fast die Hälfte aller Stimmen für die DP! 2014 sieht die Sache für den liberalen Haudegen etwas anders aus. Goerens erreicht „nur“69 798 persönliche Stimmen – rund 30 000 Stimmen weniger. Seine Spitzenposition muss Goerens daher an Reding abgeben, trotz einer rein auf die Person Goerens aufgebauten Dp-wahlkampagne.
Offensichtlich hatte seine Haltung in den Gesprächen zur Bildung einer Regierungskoalition ein knappes Jahr zuvor Spuren hinterlassen. Goerens sprach sich damals gegen die Mehrheit des Dp-parteivorstands für Verhandlungen mit der CSV aus, anstatt nur Gespräche mit LSAP und Déi Gréng zu führen. Die Europawahl bot auf diese Weise für die Dp-parteileitung eine gute Gelegenheit, um Goerens „loszuwerden“.
2009 landete Reding noch mit weitem Abstand zu Goerens auf Platz zwei mit 71 410 persönlichen Stimmen. Der generelle Aufwärtstrend bei den Christsozialen reduziert sich aber nicht nur auf die langjährige Eu-kommissarin. Georges Bach und Frank Engel können ihren persönlichen Score ebenfalls verbessern. Engel steigert sich von 12 996 persönlichen Stimmen auf 17 003 persönliche Stimmen – ein Plus von rund 4 000 Stimmen. Noch deutlicher verbessern kann sich Bach mit 19 361 persönlichen Stimmen – fast 8 000 Stimmen mehr als 2009. Daneben kandidierte 2014 auch bereits das heutige Csv-spitzenduo
Der vorgezogene Urnengang 2013 bestimmt die öffentliche Debatte im Vorfeld der Europawahlen. Etwas glimpflicher als die Sozialisten kommen die beiden Koalitionspartner weg.
aus Christophe Hansen und Isabel Wiseler-lima. Der amtierende Csv-europa-abgeordnete Hansen landet auf Platz vier mit 14 824 Stimmen, gefolgt von Wiseler-lima mit 11 145 persönlichen Stimmen.
Piraten erringen Achtungserfolg
Bemerkenswert ist auch das Ergebnis von Déi Lénk. Für ein Mandat reicht es zwar nicht, aber sie können ihren Stimmenanteil von 3,41 auf 5,76 Prozent steigern. Der zu Beginn der Legislaturperiode verabschiedete und äußerst unpopuläre „Zukunftspak“– andere sprechen vom „Spuerpak“– verärgert in erster Linie die linke Wählerklientel. Ein Teil der enttäuschten Lsap-wähler wendet sich von der Arbeiterpartei ab. Dagegen bleibt die KP fast unverändert bei 1,49 Prozent. 2009 waren es 1,51 Prozent. Die ADR kann ihren Abwärtstrend der beiden vorangegangen Wahlen indes stoppen. Die Alternative Reformpartei kommt auf einen Stimmenanteil von 7,53 Prozent – immerhin ein leichtes Plus von 0,15 Prozent. Die Piratenpartei verbucht einen Achtungserfolg mit 4,23 Prozent der Stimmen. Die Partei für integrale Demokratie (PID) mit ihrem Spitzenkandidaten Jean Colombera kommt auf 1,82 Prozent.