Luxemburger Wort

Wahlschlap­pe für Gambiakoal­ition

Die Regierungs­parteien LSAP, DP, und Déi Gréng werden bei den Europawahl­en 2014 abgestraft

- Von Steve Bissen

Der Abend des 25. Mai 2014. Auf der Csv-wahlparty bricht lauter Jubel aus nach Bekanntgab­e der ersten Wahlergebn­isse. Es ist eine Genugtuung für die Christsozi­alen, die nach dem ungewollte­n Gang in die Opposition auf nationaler Ebene knapp acht Monate zuvor noch immer ihre Wunden lecken, aber nun Revanche nehmen für den ihrer Ansicht nach unberechti­gten Ausschluss von der Regierungs­verantwort­ung. Dies gilt insbesonde­re für den geschasste­n Ex-premiermin­ister Jean-claude Juncker – der nach fast 20 Jahren an der Spitze der Luxemburge­r Regierung Ende 2013 auf den harten Opposition­sbänken in der Chamber Platz nehmen musste. Doch „nur“Opposition­schef auf dem Krautmaart. Das reicht Juncker nicht.

Noch ein letztes Mal schafft Juncker es an der Spitze „seiner“CSV einen überragend­en Wahlsieg zu feiern. Mit einem Stimmenant­eil von 37,65 Prozent können die Christsozi­alen ihr bisher bestes Ergebnis bei Europawahl­en einfahren, obwohl der „Übervater“nicht auf der Csv-liste zu finden ist. Denn Juncker will seine Karriere nicht als „einfacher“Europa-abgeordnet­er beenden. Er will an die Spitze der EU. Die Europäisch­e Volksparte­i (EVP) hatte Juncker im Vorfeld der Wahlen zu ihrem Spitzenkan­didaten gekürt. Juncker setzte sich in einer parteiinte­rnen Abstimmung gegen Michael Barnier durch – mittlerwei­le besser bekannt als Eu-chefunterh­ändler in den Brexit-verhandlun­gen.

Die Europawahl­en von 2014 zeichnen sich durch zwei Besonderhe­iten aus, die beide ein und derselben Quelle entspringe­n. Denn anders als bei den vorangegan­genen Urnengänge­n finden die Europawahl­en nicht parallel zu den Nationalwa­hlen statt. Wer aber jetzt glaubt, dass dadurch die europapoli­tischen Themen – insbesonde­re durch das vom Europaparl­ament durchgeset­zte, neue Spitzenkan­didatensys­tem – den Wahlkampf dominieren würden, der hat sich geschnitte­n.

Denn gerade die vorgezogen­en Neuwahlen von 2013 bestimmen die öffentlich­e Debatte im Vorfeld der Europawahl­en 2014. Der Urnengang – der nach dem Bruch der schwarz-roten Koalition 2013 nötig wurde – und das darauffolg­ende Zustandeko­mmen der ersten Dreierkoal­ition unter Ausschluss der immer noch mit Abstand zahlenmäßi­g stärksten Fraktion (CSV), verärgert viele Wähler, die sich in Teilen von LSAP, DP und Déi Gréng betrogen fühlen.

Die Nachwehen von 2013

Und so verpassen die Wähler den Regierungs­parteien einen saftigen Denkzettel. Besonders schwer trifft es die Sozialiste­n, deren kontinuier­licher Abwärtstre­nd weiter anhält. Die LSAP – die einst mit den Christsozi­alen um den Titel der stärksten Partei kämpfte – kommt nur noch auf magere 11,75 Prozent der Stimmen – ein Minus von 7,74 Prozent. Die langjährig­e Ministerin, Mady Delvaux-stehres (18 186 persönlich­e Stimmen), zieht für die Sozialiste­n ins Europaparl­ament ein.

Dagegen können die Christsozi­alen von der allgemeine­n „Antigambia-stimmung“profitiere­n und mit 37,65 Prozent ihr bis dato historisch bestes Wahlergebn­is von 2004 (37,13) nochmals übertreffe­n. Im Vergleich zu 2009 ein deutliches Plus von 6,33 Prozent. Es ist nicht zuletzt auch ein „persönlich­er Sieg“für Juncker – der kurz darauf der luxemburgi­schen Politik Adieu sagt und nach Brüssel wechselt.

Blaues Auge für Dreierkoal­ition

Etwas glimpflich­er als die Sozialiste­n kommen die beiden Koalitions­partner weg. Die Liberalen müssen ebenfalls deutlich Federn lassen. Die DP verliert 3,64 Prozent. Die Grünen landen bei 14,77 Prozent der Stimmen – ein Minus von 2,05 Prozent. Was aber letzten Endes in puncto Mandatsver­teilung nichts ändert. Die CSV bleibt bei drei Mandaten, LSAP, DP und Déi Gréng bei einem Sitz. Alle anderen Parteien gehen leer aus.

Nachdem Juncker Eu-kommission­schef wird, hat das Großherzog­tum kein Anrecht mehr auf einen weiteren Eu-kommissar. Und so kehrt Viviane Reding mit 78 071 persönlich­en Stimmen ins Europaparl­ament zurück, dem sie bereits von 1989 bis 1999 angehörte, um schließlic­h während fünfzehn Jahren den Posten des luxemburgi­schen Kommissars zu bekleiden.

Damit landet Reding 2014 parteiüber­greifend auf Platz eins noch vor dem absoluten Rekordhalt­er Charel Goerens. Zur Erinnerung: Der Europa-abgeordnet­e konnte 2009 99 081 persönlich­e Stimmen für sich verbuchen – damit holte Goerens allein fast die Hälfte aller Stimmen für die DP! 2014 sieht die Sache für den liberalen Haudegen etwas anders aus. Goerens erreicht „nur“69 798 persönlich­e Stimmen – rund 30 000 Stimmen weniger. Seine Spitzenpos­ition muss Goerens daher an Reding abgeben, trotz einer rein auf die Person Goerens aufgebaute­n Dp-wahlkampag­ne.

Offensicht­lich hatte seine Haltung in den Gesprächen zur Bildung einer Regierungs­koalition ein knappes Jahr zuvor Spuren hinterlass­en. Goerens sprach sich damals gegen die Mehrheit des Dp-parteivors­tands für Verhandlun­gen mit der CSV aus, anstatt nur Gespräche mit LSAP und Déi Gréng zu führen. Die Europawahl bot auf diese Weise für die Dp-parteileit­ung eine gute Gelegenhei­t, um Goerens „loszuwerde­n“.

2009 landete Reding noch mit weitem Abstand zu Goerens auf Platz zwei mit 71 410 persönlich­en Stimmen. Der generelle Aufwärtstr­end bei den Christsozi­alen reduziert sich aber nicht nur auf die langjährig­e Eu-kommissari­n. Georges Bach und Frank Engel können ihren persönlich­en Score ebenfalls verbessern. Engel steigert sich von 12 996 persönlich­en Stimmen auf 17 003 persönlich­e Stimmen – ein Plus von rund 4 000 Stimmen. Noch deutlicher verbessern kann sich Bach mit 19 361 persönlich­en Stimmen – fast 8 000 Stimmen mehr als 2009. Daneben kandidiert­e 2014 auch bereits das heutige Csv-spitzenduo

Der vorgezogen­e Urnengang 2013 bestimmt die öffentlich­e Debatte im Vorfeld der Europawahl­en. Etwas glimpflich­er als die Sozialiste­n kommen die beiden Koalitions­partner weg.

aus Christophe Hansen und Isabel Wiseler-lima. Der amtierende Csv-europa-abgeordnet­e Hansen landet auf Platz vier mit 14 824 Stimmen, gefolgt von Wiseler-lima mit 11 145 persönlich­en Stimmen.

Piraten erringen Achtungser­folg

Bemerkensw­ert ist auch das Ergebnis von Déi Lénk. Für ein Mandat reicht es zwar nicht, aber sie können ihren Stimmenant­eil von 3,41 auf 5,76 Prozent steigern. Der zu Beginn der Legislatur­periode verabschie­dete und äußerst unpopuläre „Zukunftspa­k“– andere sprechen vom „Spuerpak“– verärgert in erster Linie die linke Wählerklie­ntel. Ein Teil der enttäuscht­en Lsap-wähler wendet sich von der Arbeiterpa­rtei ab. Dagegen bleibt die KP fast unveränder­t bei 1,49 Prozent. 2009 waren es 1,51 Prozent. Die ADR kann ihren Abwärtstre­nd der beiden vorangegan­gen Wahlen indes stoppen. Die Alternativ­e Reformpart­ei kommt auf einen Stimmenant­eil von 7,53 Prozent – immerhin ein leichtes Plus von 0,15 Prozent. Die Piratenpar­tei verbucht einen Achtungser­folg mit 4,23 Prozent der Stimmen. Die Partei für integrale Demokratie (PID) mit ihrem Spitzenkan­didaten Jean Colombera kommt auf 1,82 Prozent.

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