Fünf auf einen Schlag
Die diesjährigen Stipendiaten des Film Fund lassen sich vom Glamour der Croisette nicht blenden
Sie kamen, sahen – und ließen sich nicht einschüchtern: Denn sie sind jung, ambitioniert und stehen mit beiden Füßen auf dem Boden der Tatsachen. Sich aber davon hindern zu lassen, von Höherem zu träumen, tut keiner der fünf diesjährigen Stipendiaten des Film Fund – Nilton Martins, Sophie Mousel und Astrid Roos für die Schauspielervereinigung Actors.lu sowie Karolina Markiewicz und Pascal Piron für die „Association luxembourgeoise des réalisateurs et scénaristes“(LARS).
„Meine erste Erkenntnis hier in Cannes: Ich bin ein kleiner Fisch in einem großen Meer voller kleiner Fische“, meint Nilton Martins. Aus dem Lot bringen lässt er sich dadurch jedoch nicht. Denn der Schauspieler mit zweitem Standbein als Casting-direktor ist schon ein alter Hase im Geschäft.
Dennoch ist es sein erstes Mal an der Croisette – Filmemacher Nicolas Neuhold gab ihm vorab viele nützliche Tipps. „Ich werde einfach ich selbst sein – und sehen, was sich ergibt“, meint er und fügt hinzu: „Denn ich spiele nur vor der Kamera – nicht im Leben.“
Einer seiner Lehrer an der Pariser „École Internationale de Création Audiovisuelle et de Réalisation“hatte ihm bereits dort das Erfolgsrezept für den Job mitgegeben: „TTC – talent, temps et chance“. Seinen großen Traum, Schauspieler – „und nicht Star“– zu werden, hat Martins sich demnach schon erfüllt. Nun plant er zielstrebig weiter: „Mit 40 gebe ich mir ein Jahr, um in den USA Fuß zu fassen – und dafür arbeite ich heute hart“, so Nilton Martins und verrät seine Maxime: „Mieux vaut vivre avec des remorts qu'avec des regrets.“
Bedauern tut auch Astrid Roos nichts, auch wenn sie eigentlich überhaupt nicht Schauspielerin, sondern Psychologin werden wollte. Doch dann kam eine filmreife Begegnung dazwischen: „Im Jardin du Luxembourg, in Paris, wo ich lebe, sprach mich ein Mann an und sagte ,You are an actress!‘“, erinnert sich die junge Frau. Der Mann erwies sich als der Us-amerikanische Manager Steve Tannenbaum, und meinte es ernst – auch wenn weder die damals 20-Jährige, noch ihr Vater, der Luxemburger Filmemacher und Produzent Ody Roos, dies glauben wollten. Bereut hat sie diesen Eingriff des Schicksals in ihr Leben seitdem nie, denn er brachte sie nicht nur zu ihrem heutigen Beruf, sondern offenbarte ihr ihre Berufung – die Schauspielerei: „Ich habe das riesengroße Glück, ja Privileg, das zu lieben, was ich tue“, so Astrid, die daraufhin eine Schauspielausbildung absolvierte.
2015 war sie bereits eines der „Talents Adami Cannes“– „und ein Star für 48 Stunden“. Nach dem damaligen Stress schätzt die Schauspielerin, die unter anderem in „Justice.net“zu sehen war, nun ihren Aufenthalt als Film-fund-stipendiatin umso mehr: „Nun kenne ich das System, habe meine Connections und kann das Festival, selbst wenn es Arbeit ist, auch wirklich genießen“, führt sie aus.
Leidenschaft, Hoffnung und VR
Ihre Schauspielkollegin Sophie Mousel, die ebenfalls zwischen Luxemburg und Paris arbeitet, ist derweil bei diesem, ihrem ersten Besuch des Festivals etwas eingeschüchtert „in der Entdeckungsphase“, lässt sich aber trotzdem nicht vom Glamour beeindrucken. Und der Anblick des Roten Teppichs? „Ein komisches Gefühl, denn man träumt davon, aber gleichzeitig glaubt man irgendwie nicht daran, dass es ihn wirklich gibt“, verrät sie. Was sie dann tagtäglich antreibt? „Leidenschaft und Hoffnung – von beiden bräuchte auch die Welt ohnehin mehr“, meint sie bestimmt.
Dass sie aus Luxemburg stammt, sieht sie in ihrem Beruf als besonderes Glück: „Denn es eröffnet mir – durch die internationalen Koproduktionen – sogar noch viel mehr Möglichkeiten, als meine Arbeit in Paris dies tut.“Von der zuweilen materiellen Unsicherheit des Berufs lässt sie sich nicht aus dem Lot bringen: „Sie ist Bestandteil des Ganzen, man braucht sie nicht zu fürchten“, so Mousel.
Auch das Regie- und Künstlerduo Karolina Markiewicz und Pascal Piron betrachten das bunte Treiben der Croisette abgeklärter. „Ich sehe das mit großem Interesse – aber auch irgendwie aus der Distanz“, verrät Markiewicz. „Natürlich ist diese Einladung eine Anerkennung für unsere Arbeit“, freut sich Piron.
Ihr Virtual-reality-projekt „Fever“, das als Carte Blanche des Film Fund mit einem Budget von 30 000 Euro entstand und derzeit auch im Casino in Luxemburg zu entdecken ist, haben sie mit Technikern aus München entwickelt. „Beim Schreiben muss man komplett umdenken, denn VR ist ganz anders als klassische Filmnarration, es ähnelt eher dem Theater“, führt das Duo aus. Die Möglichkeiten dieser neuen Erzählform auszuloten ist eine spannende Herausforderung, der sie sich gerne stellen – und mit „Sublimation“sind sie dann auch im September bei der nächsten Mostra in Venedig mit einem weiteren Vr-projekt vertreten.