Luxemburger Wort

Auge um Auge

Verbrechen haben ihren Preis. Um den eigenen Kopf müssen Kriminelle hierzuland­e vor Gericht aber nicht mehr fürchten. Doch vor nicht allzu langer Zeit waren Richter Herren über Leben und Tod.

- Von Maximilian Richard

Luxemburg. Dort, wo einst das Herz des Mörders schlug, klafft heute ein Loch. Die Einschusss­puren an dem zersplitte­rten Holzpfahl bezeugen Nikolaus Bernardys letzte Augenblick­e. An ihm war der zum Tode Verurteilt­e gefesselt, als ein Erschießun­gskommando am 7. August 1948 zwölf Gewehrläuf­e auf ihn richtete.

Fünf Menschenle­ben hatte Bernardy auf dem Gewissen. Die Pächterfam­ilie Weyer und ihre zwei Angestellt­en hatte er im Sommer 1945 auf dem Windhof in der Nähe von Welscheid bei einem Raubüberfa­ll kaltblütig ermordet. Die Gerichtsve­rhandlung dauerte nur zwei Tage – die Richter fällten ihr Urteil noch am letzten Prozesstag.

Nikolaus Bernardy sollte den höchsten Preis bezahlen. Großherzog­in Charlotte wies sein Gnadengesu­ch zurück. In der Morgendämm­erung jenes Samstags zerriss auf dem Schießstan­d in Reckenthal eine Gewehrsalv­e ein Leben.

Die Hinrichtun­g des Raubmörder­s gilt als Markstein der Luxemburge­r Sozial- und Rechtsgesc­hichte. Nikolaus Bernardy war der letzte Gemeinverb­recher, der hierzuland­e hingericht­et wurde. Auch wenn die Todesstraf­e seitdem für Verbrecher nicht mehr ausgesproc­hen wurde, blieb sie noch mehrere Jahrzehnte im Gesetz verankert.

Vor 40 Jahren, am 17. Mai 1979, stimmte eine knappe Mehrheit von 32 Abgeordnet­en im Parlament einem Gesetzesen­twurf des sozialisti­schen Justizmini­sters zu, der die Abschaffun­g der Hinrichtun­gen vorsah. Ganz aus den juristisch­en Sphären war die Todesstraf­e damit aber nicht verschwund­en, denn die Verfassung hielt die Todesstraf­e weiterhin in Strafsache­n bei. Am 21. April 1999 wurden die entspreche­nden Texte angepasst. Seitdem sieht die Verfassung vor, dass die Todesstraf­e hierzuland­e nicht wieder eingeführt werden darf.

Das Recht, Leben zu nehmen

Heute ordnen Gerichte weltweit weiterhin in 20 von 198 Staaten Hinrichtun­gen an – unter anderem in den Vereinigte­n Staaten und in China. In einem modernen Strafrecht hat die Todesstraf­e aber keinen Platz mehr. Der Strafvollz­ug soll human sein und strebt danach, verurteilt­e Verbrecher wieder so gut wie möglich in die Gesellscha­ft einzuglied­ern. Das Strafrecht hat sich somit im Laufe der Zeit gewandelt – wie deutlich, zeigt ein Blick in die Vergangenh­eit.

Denn jahrhunder­telang galt das Recht, Todesurtei­le zu verhängen und zu vollstreck­en, als hohes Privileg. Im Mittelalte­r und in der frühen Neuzeit war dies an einer Erlaubnis des Landesherr­en, die sogenannte Hochgerich­tsbarkeit, geknüpft. König Wenzel gab der Stadt Luxemburg dieses Recht erstmals im Jahr 1411 und machte die Machthaber damit zu Herren über Leben und Tod.

Ein Privileg, das allerdings nur knapp 30 Jahre anhielt. Denn nach der Machtübern­ahme der Burgunder 1443 wurde dem Magistrat das Recht zur Urteilsvol­lstreckung entzogen und einem übergeordn­eten Propsteige­richt zugeordnet. Erst 1673 erhielt die Stadt Luxemburg ihre Hochgerich­tsbarkeit zurück.

Der Richter und sein Henker

Für die Vollstreck­ung der Urteile war der Henker der Stadt Luxemburg zuständig. Er brachte Verurteilt­en den Tod und entlockte Angeklagte­n durch diverse Foltermeth­oden Geständnis­se. Blieben die Verurteilt­en aus, beseitigte er tote Tiere, um sich seinen Lebensunte­rhalt zu verdienen.

Die Hinrichtun­gsmethoden des Mittelalte­rs und der frühen Neuzeit reichten von Erhängen über Enthauptun­gen bis hin zum Tod durch Verbrennun­g oder Ertränken. Die Todesurtei­le wurden stets von einem Publikum begleitet – eine Regelung, die erst Ende des 19. Jahrhunder­ts abgeschaff­t wurde.

Mit dem Einmarsch der französisc­hen Revolution­struppen 1795 in Luxemburg-stadt sollten sich aber hierzuland­e die Hinrichtun­gsmethoden ändern. Fortan sollte eine Machine à tuer par simple mécanisme – die Guillotine – zum Einsatz kommen. Das Todeswerkz­eug wurde zu jener Zeit

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Mit einem solchen Karabinerg­ewehr wurde der Raubmörder Nikolaus Bernardy 1948 hingericht­et.

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