Gewiefter Politveteran
Un-generalsekretär António Guterres erhält den Karlspreis, obwohl seine Leisetreterei gegenüber Trump und Putin auf Kritik stößt
António Guterres trägt ein grünweiß gemustertes Hemd, der Generalsekretär der Vereinten Nationen posiert auf einem Boot. Im Hintergrund ruht die Südsee. Das Foto des Un-medienteams, Mitte Mai auf den Fidschi-inseln geschossen, vermittelt das Bild eines Mannes, der trotz der globalen Krisenherde den Überblick behält.
„Als Generalsekretär muss ich viele Schlachten bestehen“, erklärt Guterres. Vom schneller werdenden Klimawandel über die vielen Kriege bis hin zum Kampf für die Menschenrechte und gegen die Armut. Immer wieder versichert Guterres, wie unerlässlich der internationale Zusammenhalt ist. Zumal in einem Zeitalter, in dem „nationalistische“Kräfte immer stärker werden.
Das Bekenntnis des früheren portugiesischen Premierministers (70) zur globalen Kooperation überzeugte auch die Jury des Karlspreises zu Aachen. Der studierte Elektroingenieur Guterres wird am Donnerstag die renommierte Auszeichnung in der Kaiserstadt in Empfang nehmen. Damit wird sein „Einsatz für eine Neubelebung und Festigung der multilateralen Zusammenarbeit“gewürdigt.
Allerdings ist von einer „Neubelebung“des Multilateralismus, gerade in den Vereinten Nationen, kaum etwas zu spüren. Vielmehr blockieren die Großmächte die Suche nach Lösungen, besonders bei den großen Fragen von Krieg und Frieden. Guterres selbst, der als Generalsekretär über keine wirkliche Macht verfügt, warnt vor einer „Paralyse“des Un-sicherheitsrates. Die Beziehungen zwischen den USA und den anderen beiden Topmächten in dem Gremium, Russland und China, sind tatsächlich auf einen Tiefpunkt gerutscht.
Schlimmer noch: Die USA unter Präsident Donald Trump scheren sich nicht um Multilateralismus. Das wichtigste Un-mitgliedsland droht anderen Staaten mit Waffengewalt, kündigt Verträge und streicht Gelder für die Weltorganisation zusammen. Das große Pech in der Laufbahn des António Guterres: Genau im selben Monat, im Januar 2017, in dem er als Un-generalsekretär in New York antrat, zog Un-feind Trump als Präsident der USA ins Weiße Haus in Washington ein. Seitdem muss sich Guterres mit Trump herumschlagen.
Bislang vermeidet der gewiefte Politikveteran Guterres jeden öffentlichen Schlagabtausch mit Trump. Auch mit den anderen Schwergewichten der UN, wie Russland unter Präsident Wladimir Putin, legt sich der frühere Un-hochkommissar für Flüchtlinge nicht an. „Die USA schaden der Arbeitsfähigkeit der UN durch die von ihr durchgesetzten Sparmaßnahmen im Un-haushalt, und Russland und China betreiben eine reine Großmachtpolitik“, kritisiert der deutsche Politikwissenschaftler Helmut Vogler, dessen Lexikon der Vereinten Nationen als Standardwerk gilt. „Guterres müsste sich viel entschiedener dagegen wehren und klare Positionen beziehen.“Der aktuelle Generalsekretär stehe nicht in einer Reihe mit einigen seiner herausragenden Vorgänger, wie Kofi Annan.
Doch noch befindet sich Guterres in seiner ersten Amtszeit als Un-generalsekretär. Will er sein Büro im New Yorker Glaspalast für eine zweite fünfjährige Amtszeit behalten, dann darf er nicht die Großmächte USA, Russland und China vergraulen. So lautet eine der wichtigsten ungeschriebenen Regeln der Vereinten Nationen.
Die Beziehungen zwischen den USA, Russland und China sind auf einen Tiefpunkt gerutscht.