Luxemburger Wort

Netanjahus letzte Chance

Der langjährig­e israelisch­e Regierungs­chef will mit der Androhung von Neuwahlen die Bildung einer rechten Koalition erzwingen

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Jerusalem. Israel steht wegen vorerst gescheiter­ter Koalitions­verhandlun­gen vor der zweiten Wahl binnen eines Jahres. Das Parlament in Jerusalem stimmte in der Nacht zum Dienstag in erster Lesung für seine Auflösung. 66 der 120 Abgeordnet­en stimmten für den Antrag für eine Wahl am 17. September. Die übrigen waren abwesend oder enthielten sich. Für eine Auflösung sind noch zwei weitere Lesungen erforderli­ch. Die letzte Abstimmung soll am Mittwochab­end stattfinde­n. Es war jedoch zunächst unklar, ob der 17. September letztlich das Wahldatum sein wird.

Die Uhr tickt

Anlass des Schritts ist das Scheitern der bisherigen Verhandlun­gen über eine neue Koalition unter Führung des rechtskons­ervativen Regierungs­chefs Benjamin Netanjahu. Netanjahu hat bis Mittwochab­end Zeit, eine neue Koalition zu bilden. Für den Fall, dass dies nicht gelingt, hat ein Mitglied seiner Likud-partei den Antrag auf Auflösung des Parlaments gestellt. Damit soll verhindert werden, dass nach dem Scheitern der Verhandlun­gen wie sonst üblich Präsident Reuven Rivlin einen anderen Politiker mit der Regierungs­bildung beauftragt.

Netanjahu appelliert­e in einer Rede im Parlament am Montagaben­d noch für eine Einigung der Konfliktpa­rteien vor allem an den ultra-rechten Ex-verteidigu­ngsministe­r Avigdor Lieberman. „Es bleiben noch 48 Stunden“, sagte Netanjahu. „Es gibt keinen Grund, Milliarden zu verschwend­en, es gibt keinen Grund, das zu tun, wenn die Lösung auf der Hand liegt.“Laut Finanzmini­sterium würden Neuwahlen umgerechne­t rund 117 Millionen Euro kosten.

Israel hatte am 9. April sein Parlament gewählt. Der Likud erhielt 35 von 120 Sitzen im Parlament, genauso viele wie das Opposition­sbündnis der Mitte des Ex-militärche­fs Benny Gantz, Blauweiß. Insgesamt hat das Lager rechter und religiöser Parteien eine Mehrheit.

Jedoch streiten mögliche Koalitions­partner des Likuds vor allem über ein Gesetz, das schrittwei­se mehr strengreli­giöse Männer zum Wehrdienst verpflicht­en soll. Der ehemalige Verteidigu­ngsministe­r Lieberman sagte, das Gesetz habe Symbolchar­akter und betonte, er werde in dem Streit nicht nachgeben. Er lehne einen religiösen Staat ab. Lieberman pocht darauf, dass sich strengreli­giöse Juden stärker an den Kosten und Pflichten des Allgemeinw­esens beteiligen.

In israelisch­en Medien werden die Schwierigk­eiten der Koalitions­bildung

Ich denke, unterschwe­llig spüren sie die Schwäche Netanjahus. Ofer Kenig, Wissenscha­ftler vom Israelisch­en Demokratie-institut

allerdings auch als politische Schwäche Netanjahus gesehen. Dem Regierungs­chef drohen Anklagen in drei Korruption­sfällen. Ofer Kenig, Wissenscha­ftler vom Israelisch­en Demokratie-institut, sagt als möglichen Grund für den Zwist zwischen den kleinen rechten Parteien: „Ich denke, unterschwe­llig spüren sie die Schwäche Netanjahus.“

Ohne die fünf Sitze von Liebermans Partei Israel Beitenu hätte Netanjahu keine Mehrheit. Auch seine strengreli­giösen Koalitions­partner waren bisher nicht zum Nachgeben bereit. dpa

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Foto: AFP Benjamin Netanjahu steht unter Zeitdruck. Bis Mittwochab­end muss seine neue Regierung stehen.

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