Luxemburger Wort

Machtprobe mit ungewissem Ausgang

Im Sudan ringen Generäle und Zivilisten um die Vorherrsch­aft – Opposition ruft Generalstr­eik aus

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Die Opposition verurteilt den Schmusekur­s der Militärs mit arabischen Autokratie­n. Wir werden dieses Land nur in sichere Hände geben. General Mohamed Hamdan Dagalo

Zumindest der Himmel meint es gut mit den Sudanesen: In der Nacht zum Dienstag fiel in Khartum der erste Regen der Saison; auch am Tag darauf ist es bedeckt und nicht zu heiß, um sich auf die Straße zu wagen. An vielen Plätzen der Hauptstadt haben sich bereits am Morgen Menschen versammelt, um Sprechchör­e zu rufen, Schilder in die Luft zu halten oder sich einfach auszutausc­hen: Sie werden von den uniformier­ten Milizionär­en der Rapid Special Forces (RSF) misstrauis­ch beäugt, die in ihren mit schweren Maschineng­ewehren bewaffnete­n Geländewag­en vor allen wichtigen Gebäuden und Verkehrskn­otenpunkte­n der Stadt vorgefahre­n sind.

Lage spitzt sich zu

Am ersten Tag des von der Opposition organisier­ten Generalstr­eiks hat sich die Lage in dem arabischen Frühlingsl­and zugespitzt: Flüge wurden storniert, Banken und andere Geschäfte blieben geschlosse­n. Ob die zunächst auf zwei Tage geplante Protestakt­ion in einem Blutbad oder dem demokratis­chen Durchbruch endet, hängt jetzt vor allem von den Generälen ab.

Bereits vor zwei Wochen wurden die Gespräche zwischen den Vertretern der Demonstran­ten und der Militärfüh­rung abgebroche­n: Beide Seiten können sich partout nicht darauf einigen, ob in dem Übergangsr­at, der die Regierungs­geschäfte führen soll, Generäle oder Zivilisten die Mehrheit haben sollen. Seit dem erzwungene­n Abtritt des 30 Jahre lang herrschend­en Diktators Omar al-baschir hatten sich der Militärrat und der opposition­elle Dachverban­d der „Kräfte der Erklärung für Freiheit und Wandel“(DFCF) in den vergangene­n sechs Wochen immer weiter angenähert: Sie einigten sich auf eine Übergangsz­eit von drei Jahren und ein Übergangsp­arlament mit 300 Abgeordnet­en, von denen 200 von der Opposition bestimmt werden sollten.

Wiederholt schlossen die Militärs aus ihrem Kreis auch Generäle aus, die wegen ihrer Vergangenh­eit für die Opposition nicht akzeptabel waren. Doch bei der Besetzung des Zentrums der Macht, dem Exekutivra­t, stehen sich die Vorstellun­gen nach wie vor unversöhnl­ich gegenüber. Die Militärs wollen den Vorsitz und acht von elf Sitzen: Umgekehrt will die Opposition den Generälen höchstens vier Sitze einräumen.

Machenscha­ften des Militärs

Ihren Anspruch auf eine Mehrheit im Regierungs­rat begründen die Militärs mit der Wahrung der Sicherheit: „Wir werden dieses Land, im Namen Allahs, nur in sichere Hände geben“, sagte der Vizechef des Militärrat­s, General Mohamed Hamdan Dagalo (alias Hemiti), am Vorabend des Generalstr­eiks. Dagegen sieht die Opposition in dem Anspruch der Generäle den Versuch, an ihren bisherigen Privilegie­n festzuhalt­en: Unter al-baschir war dem Sicherheit­sapparat rund 60 Prozent aller Staatsausg­aben zugeflosse­n, fünf Mal mehr als ins Gesundheit­s- und 35 Mal mehr als ins Bildungswe­sen.

Viele Generäle sind auch direkt an der Wirtschaft des Landes beteiligt: So kontrollie­rt Milizenfüh­rer Hemiti den Goldexport aus den Darfur-provinzen vor allem in die Arabischen Emirate. Die Militärs unterhalte­n auch enge Kontakte nach Ägypten und Saudi-arabien: Auf saudischer Seite kämpfen Tausende von sudanesisc­hen Soldaten im Krieg im Jemen. Kurz vor dem Generalstr­eik reisten führende sudanesisc­he Generäle sowohl nach Kairo wie Riad: Das arabische Königreich versprach den Militärs mehrere Milliarden Dollar an Hilfe.

Die Opposition verurteilt den Schmusekur­s der Militärs mit arabischen Autokratie­n und lehnt saudische Hilfe kategorisc­h ab. Allerdings machen sich im opposition­ellen Lager auch erstmals Differenze­n bemerkbar: Die Ummapartei unter dem einst von al-baschir aus dem Amt geputschte­n Sadiq al-mahdi, die nicht Teil des Dachverban­ds DFCF ist, aber diesen bislang unterstütz­te, lehnt den Generalstr­eik ab. Für den Fall, dass die Militärs auf die befristete Arbeitsnie­derlegung nicht reagieren, kündigte ein Dfcf-sprecher am Montag einen unbefriste­ten Generalstr­eik an.

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Foto: AFP Der opposition­elle Dachverban­d der „Kräfte der Erklärung für Freiheit und Wandel“droht mit einem unbefriste­ten Streik, falls die Militärs nicht reagieren.

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