Knigge schmerzlich vermisst
Es hätte ein filmreifer Abend werden können. Das Setting: ein ausgesuchtes Restaurant, schon während der Urlaubsplanung als kulinarischer Höhepunkt auserkoren. Mediterranes Flair, ein Sommelier liest aus der Weinkarte, im Hintergrund sanfte Musik. Der erste Gang wird serviert, man sieht sich gegenseitig in die Augen und es könnte romantisch werden. Wäre da nicht der Herr am Tisch gegenüber, der mit bloßen Händen unermüdlich auf der Suche nach Salatresten zwischen seinen Zähnen ist und seinen Mund dabei so weit öffnet, dass nur ein Zahnarzt Freude daran hätte. Adolph Freiherr Knigge nähme ihn vermutlich höflich zur Seite – oder gar mit ins Bad, in dem Zahnstocher bereitstehen.
Benimmregeln, die auch heute manchen gut zu Gesicht stünden.
Aber der Autor des als „Knigge“bekannten Werks „Über den Umgang mit Menschen“ist leider längst verstorben. In Vergessenheit geraten sind offenbar auch die meisten seiner Empfehlungen, die einem rücksichtsvollen Miteinander und angemessenen Verhalten in Gesellschaft galten. Davon abgeleitet wurden später Benimmregeln, die auch heute manchen gut zu Gesicht stünden. Tischmanieren, in denen zu lesen wäre, dass ein gemeinsames Essen Vergnügen bereiten soll, das nicht durch störende Geräusche oder unschöne Anblicke beeinträchtigt werden darf. Auch dass man sich „mit gewaschenen Händen, gekämmten Haaren und sauberer Bekleidung“zu Tisch setzt, ist eine Regel, die im Urlaub häufig vergessen wird. Und so sehen sich Hoteliers gezwungen, Schilder aufzustellen, die im Frühstücksraum an das Tragen von Oberbekleidung und Schuhen erinnern.