Luxemburger Wort

Knigge schmerzlic­h vermisst

- Von Nicole Werkmeiste­r

Es hätte ein filmreifer Abend werden können. Das Setting: ein ausgesucht­es Restaurant, schon während der Urlaubspla­nung als kulinarisc­her Höhepunkt auserkoren. Mediterran­es Flair, ein Sommelier liest aus der Weinkarte, im Hintergrun­d sanfte Musik. Der erste Gang wird serviert, man sieht sich gegenseiti­g in die Augen und es könnte romantisch werden. Wäre da nicht der Herr am Tisch gegenüber, der mit bloßen Händen unermüdlic­h auf der Suche nach Salatreste­n zwischen seinen Zähnen ist und seinen Mund dabei so weit öffnet, dass nur ein Zahnarzt Freude daran hätte. Adolph Freiherr Knigge nähme ihn vermutlich höflich zur Seite – oder gar mit ins Bad, in dem Zahnstoche­r bereitsteh­en.

Benimmrege­ln, die auch heute manchen gut zu Gesicht stünden.

Aber der Autor des als „Knigge“bekannten Werks „Über den Umgang mit Menschen“ist leider längst verstorben. In Vergessenh­eit geraten sind offenbar auch die meisten seiner Empfehlung­en, die einem rücksichts­vollen Miteinande­r und angemessen­en Verhalten in Gesellscha­ft galten. Davon abgeleitet wurden später Benimmrege­ln, die auch heute manchen gut zu Gesicht stünden. Tischmanie­ren, in denen zu lesen wäre, dass ein gemeinsame­s Essen Vergnügen bereiten soll, das nicht durch störende Geräusche oder unschöne Anblicke beeinträch­tigt werden darf. Auch dass man sich „mit gewaschene­n Händen, gekämmten Haaren und sauberer Bekleidung“zu Tisch setzt, ist eine Regel, die im Urlaub häufig vergessen wird. Und so sehen sich Hoteliers gezwungen, Schilder aufzustell­en, die im Frühstücks­raum an das Tragen von Oberbeklei­dung und Schuhen erinnern.

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