Luxemburger Wort

Ein Monarch sagt „Adiós“

Der ehemalige spanische König Juan Carlos zieht sich aus dem öffentlich­en Leben zurück

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Madrid. Es war ganz so wie in alten Zeiten: Niemand stellte unangenehm­e Fragen. Am Montagaben­d, als ganz Spanien noch mit der Analyse der Wahlergebn­isse vom Sonntag beschäftig­t war, gab das Königshaus den Rückzug von Juan Carlos aus dem öffentlich­en Leben bekannt – und keiner wollte wissen warum. Und dabei handelt es sich um den früheren König, der sich nach seiner Abdankung vor fünf Jahren immer noch König nennen darf. „Majestät, lieber Felipe“, so schreibt der 81-Jährige in einem Brief, den das Königshaus öffentlich machte, seinen Sohn und Nachfolger auf dem spanischen Thron an. „Ich glaube, dass der Moment gekommen ist, in meinem Leben eine neue Seite aufzuschla­gen und meinen Rückzug aus dem öffentlich­en Leben zu vollenden.“

Kein König bis zum Tod

Jaime Peñafiel, Kenner des spanischen Königshaus­es, erinnerte in einem Zeitungsko­mmentar gestern an eine alte Bemerkung der ehemaligen Königin Sofía: „Einen König kann nur der Tod in den Ruhestand schicken. Er soll im Bett sterben, damit man sagen kann: Der König ist tot, es lebe der König!“Doch Juan Carlos hielt sich – wie so oft – nicht an den Ratschlag seiner Frau.

Am 2. Juni 2014 dankte er ab. Damals verstand alle Welt warum: Er wollte den guten Ruf der Monarchie, den er selbst mit unangebrac­hten Jagdausflü­gen und Liebeleien beschädigt hatte, schützen. Das gelang. Die meisten Der einstige König Juan Carlos möchte zukünftig keine offizielle­n Termine wahrnehmen. Spanier haben sich seit der Thronbeste­igung Felipes mit der Krone versöhnt.

Juan Carlos blieb, im Schatten seines Sohnes, Repräsenta­nt des Königshaus­es, wenn auch kein besonders viel beschäftig­ter. An 119 Veranstalt­ungen nahm er in den vergangene­n fünf Jahren im Namen der Krone teil, etwa an der Trauerfeie­r für Fidel Castro, das waren rund zwei pro Monat.

Ein naheliegen­der Grund für den Ruckzug wäre sein Gesundheit­szustand. Seine Gelenke sind nicht im besten Zustand, er ist hin und wieder schon vor aller Augen gestürzt und musste sich mehrerer Operatione­n unterziehe­n. Ein Stock ist sein ständiger Begleiter. All das hindert Juan Carlos aber nicht daran, ein reges Freizeitle­ben zu führen. In den vergangene­n Tagen besuchte er etliche Stierkämpf­e in Madrid, im November flog er zu einem Formel-1rennen in Abu Dhabi. Allzu schlecht scheint es ihm also nicht zu gehen.

Das spanische Königshaus erweckt derweil den Eindruck, als wäre es die natürlichs­te Sache der Welt, dass der alte König seine Rolle nicht mehr spielen will. So natürlich ist das aber nicht. Jaime Peñafiel erinnert in seinem Kommentar an die britische Queen, die mit ihren 93 Jahren so sehr Königin ist wie immer. Sie habe Juan Carlos einmal gesagt: „Dank' nicht ab!“, erzählt Peñafiel. Doch der König ließ sich auch davon nicht beeinfluss­en.

Müdigkeit oder Krankheit

Hat ihn womöglich einfach die Lustlosigk­eit gepackt? Es gibt aber noch eine andere Theorie: dass er seiner Aufgabe nicht mehr gewachsen sei. Noch vor seiner Abdankung, im Januar 2014, quälte er sich während einer militärisc­hen Feier offenbar desorienti­ert durch eine Rede. Alle Welt sprach damals freundlich von Müdigkeit und Überanstre­ngung. Wahrschein­licher ist, dass Juan Carlos geistig abbaut. Das Königshaus dementiert das und verweist auf die offizielle Mitteilung zum Rückzug des alten Monarchen – in der jede Begründung für diesen Rückzug fehlt. Und ganz wie früher, als Juan Carlos noch unantastba­r war, stellt in Spanien niemand unangenehm­e Fragen. md

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