Luxemburger Wort

Die drei für die Tankstelle­n

Die Regierungs­chefs von Bayern, Niedersach­sen und Baden-württember­g haben Angst um ihre Automobili­ndustrie

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

An Selbstbewu­sstsein fehlt es ihnen schon mal nicht. „Die größte und bedeutsams­te Automobilw­irtschaft der Welt“muss man erst mal für sich beanspruch­en, ohne mit der sprichwört­lichen Wimper oder sonst irgendetwa­s zu zucken. Aber so wie Winfried Kretschman­n, Markus Söder und Stefan Weil da sitzen, vertreten sie tatsächlic­h ein paar der berühmtest­en Namen, die man auf Motorhaube­n und Kofferraum­deckeln finden kann: Daimler und Porsche, BMW und Audi, VW in kompletter Konzernüpp­igkeit.

Wiewohl: Mit dem Vertreten ist das so eine Sache. Einerseits halten die Ministerpr­äsidenten von Baden-württember­g, Bayern und Niedersach­sen es für einen Teil ihres Jobs, die Unternehme­n des Bundesland­s, das sie regieren, auch zu repräsenti­eren. Erst recht die ganz großen und ganz wichtigen. Anderersei­ts aber legen sie Wert darauf – gerade im speziellen Fall – , nicht in allzu enge Verbindung gebracht zu werden. Irgendwann wird Kretschman­n, der Grüne mit Regierungs­sitz Stuttgart, sagen: „Stellen Sie sich mal vor, wir haben hier das Papier und es käme heraus, das ist mit der Automobili­ndustrie abgesproch­en – da könnten wir gleich nach Hause gehen!“ Folgen des „Diesel-skandals“Schon den Verdacht von Nähe zu Autokonzer­nen können – und wollen – deutsche Politiker sich im Jahr 2019 nicht leisten. Ursache: Deren unter dem Schlagwort „Diesel-skandal“zusammenge­fasste Betrügerei­en beim Beziffern der Abgase, die ihre Produkte in die Luft blasen. Mit VW und in den USA ging es vor knapp vier Jahren los; längst sind auch Audi, Porsche, BMW und Daimler mindestens als Trickser und Täuscher enttarnt. Dem Ruf der deutschen Automobilb­auer hat die Affäre schwer geschadet; der deutschen Politik hat sie den Ruch eingebrach­t, vor den Interessen der Bürgerinne­n und Bürger erst einmal die der Industrie wichtig zu nehmen. Dem Zutrauen der Regierten zu den Regierende­n ist das nicht zuträglich. Wenn Kretschman­n, Söder und Weil sich nun mit einer Initiative zugunsten der Automobili­ndustrie präsentier­en, dann brauchen sie eine Strategie, die jeden Kungelverd­acht im Ansatz erstickt. Sie müssen Gründe vortragen, die vor Lauterkeit leuchten – und sich gleichzeit­ig zu ihren jeweiligen politische­n Grundüberz­eugungen fügen. Und also sprechen nacheinand­er der Grüne Kretschman­n von der „klimafreun­dlichen Mobilität für alle“, der Christdemo­krat Söder von der „nächsten Generation von Technologi­e“und der Sozialdemo­krat Weil von den mehr als eine Million Arbeitsplä­tzen, die auf dem Spiel stünden. Und dann sagt Weil noch: „Die Automobili­ndustrie ist bis jetzt unbestritt­en Teil des Problems.“

Damit sie „Teil der Lösung“wird, befinden Kretschman­n, Söder und Weil, müsse sie dahin kommen, dass „das Auto der Zukunft in Deutschlan­d vom Band rollt“. Tut es derzeit nicht. Bei Elektro- und Wasserstof­f-antriebste­chnologie sind Japaner und Koreaner führend, beim Entwickeln des autonomen Fahrens die USA. Und dann ist da China. Immer wieder spricht Kretschman­n davon, wie dort die Konkurrenz erstarke. Und wie träge im Vergleich Deutschlan­d sei – in der Industrie wie der Politik. Dem Bund – und also in Wahrheit der Bundeskanz­lerin – werfen die drei vor, „zu viel Zeit verspielt“und „zu viele Ziele verfehlt“zu haben. Von der bis 2020 anvisierte­n Million Eautos fährt erst ein verschwind­ender Bruchteil. Mehr Geld für die Forschung fordern die Ministerpr­äsidenten nun und Gesetze, die einen Schub für die neuen Technologi­en ermöglicht­en: vom weltweiten Anwerben von Fachkräfte­n bis zur Möglichkei­t, Ladesäulen im Mietrecht abzusicher­n.

Rückendeck­ung für Scheuer

Alles zusammen klingt wie eine schallende Ohrfeige für die Verkehrsmi­nister der Ära Merkel – die letzten drei alle von der CSU. Aber nein, protestier­t deren Vorsitzend­er Söder: Andreas Scheuer, der amtierende, habe seine „volle Rückendeck­ung“. Indes ist Scheuer bislang mehr durch Aktionismu­s aufgefalle­n als durch eine Strategie für die Mobilität der Zukunft. Die Ministerpr­äsidenten umreißen zumindest, was zu tun wäre – auch von ihnen selbst. Besser zusammenar­beiten wollen sie, nicht zuletzt beim Aufbau einer E-ladeinfras­truktur. Flächendec­kend und bedarfsger­echt, „bis Ende 2020“. Die Regierungs­chefs verstehen sich vorerst als die drei für die Tankstelle­n.

Weil kann sich „gut vorstellen, relativ zügig Bundesrats­initiative­n“anzustoßen. Konkret klingt das nicht. Aber nur er alleine räumt ein, dass auch die Länder vielleicht etwas saumselig gewesen sind. „Wir arbeiten immer sehr zielorient­iert“, behauptet Kretschman­n. Und Söder mäkelt: „Ich kenne kein einziges Land der Welt, das ernsthaft so kritisch mit seiner Leitindust­rie umgeht.“Er klingt, als würde er gern hinzufügen: … und erst mit seinen Politikern.

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