Hardliner verspürt Rückenwind
Gotabaya Rajapaksa – im Bürgerkrieg starker Mann im Verteidigungsministerium – will Präsident in Sri Lanka werden
Fällt der Name Gotabaya Rajapaksa, zucken in Sri Lanka auch zehn Jahre nach Ende des Bürgerkriegs manche Gesprächspartner zusammen. Menschenrechtler, Journalisten und tamilische Organisationen verbinden den Namen des früheren Spitzenbeamten im Verteidigungsministerium mit der Tötung und Folter von Regierungskritikern. Der brutale Vernichtungsfeldzug gegen die tamilische Extremistenorganisation LTTE, dem auch Zehntausende Zivilisten zum Opfer fielen, wird Gotabaya Rajapaksa ebenso angelastet wie der Missbrauch öffentlicher Gelder.
Für seine Anhänger hingegen verkörpert er den erfolgreichen Kriegsherrn, der „die Terroristen“vernichtet hatte. Als er Anfang April aus den Vereinigten Staaten nach Colombo zurückkehrte, bereiteten ihm seine Fans einen begeisterten Empfang. Zehn Tage später, nachdem sich Selbstmordattentäter in Kirchen und Luxushotels in die Luft gesprengt hatten, kursierte aber sofort das Gerücht, Gotabaya Rajapaksa könnte die Finger im Spiel haben. Seine Gegner trauen ihm offenkundig alles zu. Sogar die Planung eines Anschlags, um den Dilettantismus der Regierung bloßzustellen und so seine Chancen für die Präsidentschaftswahlen zu verbessern. Diese finden voraussichtlich Ende Jahr statt.
Der angeblich unfähige Staat
„Verantwortungsloses Gerede!“, enerviert sich der 69-Jährige bei einem Interview in Colombo. Dass Rajapaksa aus wahltaktischen Gründen ein Blutbad in Auftrag gäbe, klingt wie eine abenteuerliche Verschwörungstheorie. Aber zeigt diese Unterstellung nicht, wie schlecht es um seine Reputation steht? Rajapaksa schüttelt mit einem gequälten Lächeln den Kopf. Er sieht darin ein Ablenkungsmanöver von Leuten, die in der Terrorprävention auf der ganzen Linie versagt haben.
Versagt hat seines Erachtens nicht eine bestimmte Person. „Es fehlte das Bewusstsein für die Bedrohungslage», konstatiert Rajapaksa. Die nationale Sicherheit sei mit sehr niedriger Priorität behandelt worden. „Der Staat war nicht in der Lage, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren.“Seine Lageanalyse bezieht sich selbstredend auf die Zeit ab 2015.
Damals verlor Mahinda Rajapaksa, Gotabayas älterer Bruder, die Präsidentschaftswahl. Damit endete die zehnjährige Regentschaft des autoritären Duos. Formell bekleidete der Staatspräsident zwischen 2005 und 2015 auch das Amt des Verteidigungsministers. Das Zepter führte indes der Sekretär des Ministeriums: der Spitzenbeamte Gotabaya Rajapaksa. „In meiner damaligen Funktion habe ich 161 islamistische Prediger deportiert und wurde deswegen als Rassist dargestellt.“Jetzt fühlt er sich in seinem damaligen harten Kurs bestätigt. Gotabaya Rajapaksa inszeniert sich gerne als starker Anführer – hier bei einer Militärparade im Jahr 2013. Seine Anhänger feiern ihn für seinen Vernichtungsfeldzug gegen die tamilische Extremistenorganisation LTTE.
Für seine eigene Sicherheit überlässt Rajapaksa nichts dem Zufall. Vor dem Bürogebäude, in dem er seine Kampagne vorbereitet, ist ein Lastwagen mit Wachpersonal positioniert. Besucher werden wie am Flughafen penibel untersucht und dann in einen Warteraum geführt. Ein bewaffneter Sicherheitsbeamter observiert auf dem Balkon mit einem Feldstecher umliegende Dächer. Später, während des Gesprächs, streckt ein Leibwächter den Kopf hinein, als der Chef bei einer Frage zur kontroversen Kriegsvergangenheit die Stimme hebt. 2006, drei Jahre vor Ende des Bürgerkriegs, hatte ein mit Sprengstoff vollgeladenes Tuktuk seinen Konvoi gerammt. Zwei von Gotabaya Rajapaksas Begleitern wurden getötet. Politische Gegner mutmaßten, der Anschlag sei bloß inszeniert worden. Eine Finte des Rajapaksa-clans, um sich Sympathien im Volk zu sichern.
Kritik an islamischen Theologen
Bezüglich der Anschläge von Ostern sieht Rajapaksa nicht bloß den Staat in der Schuld. Scharf greift er auch den Rat islamischer Theologen an, den All Ceylon Jamiyyathul Ulama (ACJU). In seiner Amtszeit habe er das Gremium wiederholt auf extremistische Umtriebe in Moscheen hingewiesen. Doch nichts sei passiert. „Die haben zu 100 Prozent versagt“, sagt er. Radikalen Strömungen entgegenzutreten und die Basis zu sensibilisieren, sei auch eine Aufgabe der muslimischen Elite. Der Staat sei vor allem gefordert, wenn die Schwelle zum Terrorismus überschritten werde. Das muslimische Gremium sieht hingegen keine Versäumnisse und belastet die Regierung. Der ACJU sei von sich aus tätig geworden und habe schon vor einem Jahr vor der Terrororganisation des späteren Selbstmordattentäters Zahran Hashim gewarnt.
Clinch in der Exekutive
Nur Stunden nach dem Blutbad in drei Kirchen und drei Luxushotels entbrannte ein heftiger Streit zwischen Regierungschef Ranil Wickremesinghe und Staatspräsident Maithripala Sirisena über die Verantwortung für das Debakel. Beide wollen nichts von den präzisen Hinweisen der Sicherheitsdienste auf Anschläge gewusst haben. Die gravierenden Fehlleistungen, auch eine Folge der Feindschaft zwischen den beiden Spitzenpolitikern, sind eine Steilvorlage für Gotabaya Rajapaksa. Der bis anhin sri-lankisch-amerikanische Doppelbürger hat soeben die Usstaatsbürgerschaft niedergelegt und erfüllt dadurch die Voraussetzungen für die Präsidentschaftskandidatur. Mit seinen Versprechen, den Sicherheitsapparat zu stärken und das Extremismusproblem resolut anzupacken, trifft er den Nerv der Zeit. „Die Bevölkerung weiß, dass ich Resultate liefere“, lobt sich der aussichtsreiche Bewerber. Indirekten Support erhielt er kürzlich vom früheren amerikanischen Botschafter Robert Blake, der laut lokalen Medien Rajapaksas Management der Geheimdienste pries.
Dem einstigen Oberstleutnant der sri-lankischen Armee, der ein T-shirt einer deutschen Edelmarke und eine Schweizer Luxusuhr trägt, mangelt es nicht an Selbstvertrauen. Gleichwohl räumt Gotabaya freimütig ein, dass sein Bruder der populärere Kandidat wäre – nur darf Oppositionsführer Mahinda Rajapaksa wegen der Amtszeitbeschränkung kein drittes Mal antreten. „Die Verfassung hat mich in diese Lage gebracht“, sagt Gotabaya einmal. Ziemlich konsequent spricht er formell-distanziert von „Präsident Rajapaksa“, wenn er seinen Bruder meint.
Die Vergangenheit, die ihm angelastete Mitverantwortung für Kriegsverbrechen, Folter und das Verschwindenlassen von missliebigen Journalisten, hat den jüngeren Rajapaksa auch in seiner temporären Wahlheimat Amerika eingeholt. Ein Folteropfer und Familienmitglieder eines ermordeten Journalisten wollen den während des Kriegs mächtigsten Mann im Sicherheitsapparat in Kalifornien vor Gericht bringen. Der sri-lankischen Justiz trauen sie keine unabhängige Prüfung der Vorwürfe zu. Zu stark laste der Einfluss der Rajapaksas noch heute auf Sri Lankas staatlichen Institutionen, begründeten Angehörige ihr Vorgehen gegenüber der „New York Times“.
Gotabaya Rajapaksa, der zu Wutanfällen neigen soll, lässt den Journalisten drei Stunden für dieses Interview warten. Er nimmt sich dann aber auch 90 Minuten Zeit und wirkt meist entspannt. Allem Anschein nach hat er sich damit abgefunden, dass er Fragen zur Vergangenheit nicht ausweichen kann. Einst warnten Berater Journalisten, man riskiere bei Themen, die ihm nicht behagten, einen sofortigen Abbruch des Interviews. Sein heutiger Sprecher betont während der Wartezeit, es gebe keine Tabu-themen.
Nationalhelden im Dreck
Was sagt Rajapaksa also zur Darstellung früherer Geheimdienstmitarbeiter, der Chef persönlich habe angeordnet, Regierungskritiker zum Verschwinden zu bringen? „Solche Anweisungen habe ich nie erteilt“, entgegnet Rajapaksa ruhig. Aus seiner Optik geht die Diskussion über eine Aufarbeitung der brutalen Bürgerkriegsjahre ohnehin in eine falsche Richtung. Die Streitkräfte hätten das Land unter schweren Entbehrungen von einer Terrororganisation – den Tamil Tigers – befreit. Und statt diese Rolle zu würdigen, würden Nationalhelden in den Dreck gezogen, meint Rajapaksa sinngemäß. Seinen Ärger über den Diskurs packt er in eine Gegenfrage: „Dienen all diese Menschenrechtsgesetze eigentlich vor allem Terroristen oder auch rechtschaffenen Leuten?“
Seit Ostern haben sich alle politischen Parteien das Mantra, die nationale Sicherheit habe größte Wichtigkeit, auf die Fahne geschrieben. Für eine Aufarbeitung der Vergangenheit, auch der von Gotabaya Rajapaska, bleibt offenkundig wenig Raum.